Das Brauhaus Päffgen gibt es bereits seit 1883, und tatsächlich wird das Kölsch noch hier im Hause gebraut. Andere Brauhäuser haben die Produktion längst in vollautomatische Produktionsstätten vor den Toren der Stadt verlagert. Das Päffgen-Kölsch wird nicht in Flaschen abgefüllt, und der Ausstoß ist so gering gehalten, daß neben dem Brauhaus nur neun andere Kneipen in Köln das Bier ausschenken dürfen. Am Wochenende abends ist hier ziemlich viel los, was wohl daher kommt, daß sich das Friesenviertel in den letzten Jahrzehnten in ein Remmidemmigebiet gewandelt hat, sonntagnachmittags dagegen geht es beschaulich zu. Vom Essen sollte man allerdings die Finger lassen: Den Sauerbraten, immerhin eine rheinische Spezialität, habe ich woanders schon sehr viel besser gegessen, und die Bratkartoffeln, die so aussahen, als kämen sie aus einer Tiefkühltüte, wurden ohne Speck und Zwiebeln serviert. Das kriegt ja sogar jeder Imbiß besser hin.
Schlagwort: Altstadt Nord
Konrad-Adenauer-Ufer
Dieser Turm wird noch heute im Volksmund „Weckschnapp“ genannt, die Bezeichnung basiert auf einer alten Sage: Im Turm befand sich eine Gefängniszelle für zum Tode Verurteilte. Die Gefangenen bekamen nichts zu essen, stattdessen wurde ein Weck, also ein kleines Brot, unter die Decke gehängt. Wenn der hungrige Insasse nun hochsprang, um sich den Weck zu schnappen, landete er unweigerlich auf einer Falltür, die in einen Schacht mündete, der mit Messern bestückt war. Der Delinquent fiel praktischerweise zerkleinert in den Rhein und nährte die Fische. Nur einmal soll einem Gefangenen die Flucht gelungen sein: Er war so dünn, daß er unverletzt durch die Messer hindurchfiel.

Stich: Arnold Mercator
Tatsächlich hatte das Türmchen nie eine Öffnung zum Rhein. Man nimmt an, daß der Inhalt der Sage sich von einem anderen Gebäude der Kunibertstorburg „verschoben“ hat, da das Türmchen als einziges Gebäude der Wehranlage erhalten ist. Die Weckschnappsage bezog sich ursprünglich vermutlich auf den im Bild oberhalb des Türmchens gelegenen Kunibertsturm, der Teil der mittelalterlichen Stadtmauer war und einen Ausleger zum Rhein hatte, eine sogenannte Ark. Im Turm fanden „peinliche“ Verhöre statt, also Befragungen unter Pein, eine Methode, der sich besonders gern u.a. die katholische Kirche bediente. Und die Angst vor diesen Folterungen beflügelte die Fantasie der Bürger. So entstand die Weckschnappsage.
Breite Str.
„Prozente, Prozente, noch mehr SALE-Artikel, noch mehr sparen!“
Schlußverkauf, das Wort ist offensichtlich aus dem deutschen Wortschatz gestrichen, das heißt jetzt SALE. Der Vorgang ist reine Zauberei: Wenn man SALE-Artikel kauft, spart man Geld. Je mehr man also gekauft hat, desto mehr hat man gespart. Toll. Am besten kauft man so viel, daß das Gesparte ausreicht, daß man sich ein Haus davon kaufen kann. Und da kann man das Gekaufte dann aufbewahren. Dann sind die Kaufhäuser wieder schön leer und können aktuelle Waren anbieten, an denen sie auch wieder Geld verdienen, das ist nur gerecht. Nach dem Ereignis wird die Ware ja wieder zu SALE-Artikel, der Sparfuchs sollte also bis dahin warten.
Hohe Str.
Seit dem Jahr 2000 gibt es diese Kette in Deutschland, inzwischen 39 Filialen, allein drei davon in Köln. Ein Donut ist ein rundes, in Fett gebackenes Hefegebäck, ähnlich einem Berliner, allerdings mit dem typischen Loch in der Mitte und einer süßen Glasur. Wie vieles, was der Mensch nicht braucht, kommt auch dieser Artikel aus Amerika. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, mir einen zu kaufen – vielleicht schließe ich diese Bildungslücke demnächst, am Valentinstag, dessen Bedeutung die Werbeindustrie gern auch aus Amerika importieren möchte. Ein Donut schmeckt bestimmt besser als Schnittblumen.
Kleine Warenkunde
In-vitro-Fertilisation nennt man die Befruchtung im Reagenzglas – daß auch Schnürsenkel auf diese Art erzeugt werden, war mir neu. Wenn man weiße und blaue miteinander kreuzt, kommen so gescheckte heraus wie im rechten Ständer? Interessant. Nach den Mendelschen Regeln kann man daraus dann wieder einfarbige erzeugen.
Und wem, bitte, schenkt man diesen Brotaufstrich? Onkel Kurt, der einem mit seinen schweinischen Witzen, über die er selbst am lautesten lacht, schon immer auf die Nerven ging? Oder Tante Annegret, die immer so etepetete tut, einem Schlückchen Mariacron am frühen Nachmittag aber nicht abgeneigt ist? Für sich selbst wird man das doch kaum kaufen.
Menschen, Pfaffen, Sensationen (2)

(c)Elke Wetzig über Wikipedia
Die Heilige Ursula von Köln, eine von drei Patronen der Stadt, war der Legende nach eine bretonische Königstochter, die, bevor sie den englischen Königssohn heiraten wollte, eine Pilgerfahrt nach Rom unternahm, erst mit dem Schiff nach Basel, dann weiter mit der Kutsche. Bei der Rückfahrt begleitete sie der Papst, nett, denn dann konnte man unterwegs den Bräutigam treffen, heiraten und schön feiern. Dazu kam es nicht, denn kurz vor Köln wurde die Reisegruppe von den Hunnen festgenommen und ermordet – angeblich wollte der Hunnenführer Ursula heiraten (kann man das glauben?), aber die sträubte sich, also wurde sie mit einem Pfeil erschossen, ebenso wie die 11 Jungfrauen in ihrer Begleitung.
Als man bei Köln im 12. Jahrhundert ein Gräberfeld entdeckte mit Knochen von einer unüberschaubaren Menge, wurden aus den 11 Jungfrauen irgendwie 11.000 – in einem Dokument war von „XI.M.V“ die Rede, was man mit „11 martyres virgines“ (=11 jungfräuliche Märtyrerinnen) oder auch mit „11 milia virgines“ (=11 Tausend Jungfrauen) übersetzen kann. Wie man inzwischen weiß, stammen die Knochen aus der Zeit der römischen Colonia, aber für das Geschäft mit den Reliquien war es natürlich viel besser, die Knochen alle als heilig zu deklarieren. Und es war ein großes Geschäft: Die Pilger mußten für Versorgung und Herberge zahlen, Reliquienbehälter wie die eigens angefertigten Ursulabüsten (s.o.) bescherten Handwerksbetrieben gute Umsätze, und der Handel mit den Reliquien selbst florierte so gut, daß dem damaligen Papst angesichts der ausufernden weltlichen Dimensionen mulmig wurde und er ein Ausfuhrverbot der Ware aus Köln verhängte. Wie er das dann kontrollieren ließ, ist nicht überliefert – wie wahrscheinlich ist es, daß die Kölner von heute auf morgen mit diesem einträglichen Geschäft aufhörten?
Neuen Aufschwung gab es bei der Überführung der angeblichen Gebeine der Heiligen drei Könige nach Köln (daß die Könige weder heilig waren, noch drei, noch Könige, habe ich hier schon mal erzählt). Weil die kleine Kirche für die Pilgerscharen zu klein wurde und auch nicht mehr angemessen schien angesichts der „Bedeutung“ der geklauten Knochen, fing man an, den Dom zu bauen, der also eigentlich nichts weiter ist als ein riesiges Reliquiar.
Jaja, im Mittelalter glaubte man schon absurde Dinge, heute sind die Menschen glücklicherweise aufgeklärter … allerdings nicht in der katholischen Kirche, wo mittelalterliches Denken und Handeln nach wie vor den Alltag regeln: Seit Ende des letzten Jahres gibt es im Dom eine neue Reliquie anzubeten. An prominenter Stelle im nördlichen Querschiff liegt in einem eigens angefertigten Reliquienschrein ein Stoffläppchen mit einem Tropfen Blut von Papst Johannes Paul II. Ihr erinnert euch, das war der freundlich wirkende alte Mann aus dem polnischen Krakau, Karol Wojtyla, der viel mit dem Flugzeug herumjettete und als erstes das Rollfeld küßte, sobald er aus dem Flugzeug gestiegen war, und den versammelten Gläubigen überall auf der Welt verkündete, daß es besser sei, an Aids zu sterben, als sich mit Kondomen davor zu schützen. Und weil er so gütig war und so beliebt, hat man ihn in einem unüblichen Eilverfahren kurz nach seinem Tod schnell selig gesprochen, in diesem Jahr folgt die Heiligsprechung. Und nun – Sensation! – haben wir schon vor diesem Ereignis einen Teil seiner Heiligkeit im Dom!
Und wie muß man sich das vorstellen? Wird inzwischen jedem neuen Papst kurz nach seiner Wahl in den vatikanischen Labors Blut abgenommen, unter dem Vorwand einer Dopingkontrolle, in Wirklichkeit aber, um kleine Stofffetzchen zu präparieren, um für spätere (Not-)Zeiten eine Reliquienwährung zu haben? Weit gefehlt: Der damalige Privatsekretär Wojtylas und heutige Erzbischof von Krakau hat das blutige Tuch bei einem Krankenhausaufenthalt des späteren Papstes heimlich entwendet, über die Jahrzehnte aufbewahrt und es kürzlich an den Erzbischof von Köln Kardinal Meisner übergeben, der es nicht etwa seiner auserlesenen Sammlung von ganz außergewöhnlich Reliquien zugeführt hat (keine Ahnung, ob es die wirklich gibt, wahrscheinlich habe ich das gerade erfunden), nein, er stellt sie kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt dem Kölner Tourismusamt der Kölner Bevölkerung und der übrigen Welt zur Verfügung.
Tja, sowas hat nicht jeder. Der Aachener Dom soll angeblich eine Windel von Jesus im Besitz haben (kein Scherz!) – das muß ja ein außerordentlich weitsichtiger Zeitgenosse gewesen sein, der diesen … äh, Alltagsgegenstand aufbewahrt hat. Wer’s glaubt, wird selig. Gegen unseren beglaubigten authentischen Blutstropfen kann die Aachener Windel nicht anstinken … na gut, vielleicht doch, aber nur im wörtlichen Sinne.
Menschen, Pfaffen, Sensationen (1)
Der Dom kommt aus den Schlagzeilen kaum noch heraus. Was ist davon zu halten: Ein junger Mann betritt stürmisch ein Gotteshaus, schmeißt alle Tische um, beschimpft die Anwesenden, beschuldigt sie indirekt der Heuchelei und versucht, sie handgreiflich zu verjagen. Seine Anhänger finden das so gut, daß sie nun seit über 2000 Jahren mit großem Pomp seinen Geburtstag feiern. Sein Name ist Jesus. Und wenn zu einer solchen Feierei eine junge Frau etwas Ähnliches macht, allerdings viel harmloser: Sie schmeißt nichts um, beschimpft niemanden, stört nur ein bißchen – dann ist das plötzlich was ganz besonders Schlimmes. Die Volksseele kocht.
In dem selben Exemplar des Kölner Stadtanzeigers, aus dem der Bildausriß oben stammt, steht in dem Bericht, die Aktivistin der Frauenrechtsgruppe Femen sei mit entblößten Brüsten auf den Altar des Doms gesprungen, und auf denen stehe der Satz „I am god“. Sind es schlechte Anatomiekenntnisse, oder ist es einfach nur Schludrigkeit, denn wie jeder sehen kann, steht der Satz auf dem ganzen Oberkörper, nicht nur auf der Brust, zudem war da auch nichts entblößt, die junge Frau trug ein Trikot, was man zwar nicht sofort eindeutig erkennt, aber Recherche sollte eigentlich zum Handwerkszeug eines jeden Zeitungsschreibers gehören. Stattdessen wird vermutlich einfach abgeschrieben, was Sensationsschlagzeilen im Internet behaupten, selbst Tage später noch ist in der Zeitung von entblößten Brüsten die Rede.
Ein paar Tage später wird in der selben Zeitung berichtet, besser gesagt: behauptet, die renitente Aktivistin sei sehr störrisch gewesen und nur durch das beherzte Eingreifen eines Unternehmers aus Frechen, der aus der zweiten Reihe aufstand und ihr auf den Kopf schlug, sei sie zu bändigen gewesen. Tatsächlich sieht man in dem kleinen Film, wie die Frau von zwei Männern umringt wird, als der Besucher plötzlich aufspringt und sich übel an ihr abreagiert. Sehr mutig. Die Zeitung schreibt – völlig zusammenhangslos – von ihm als einen Mann, „… der selbst gläubig ist und in der Vergangenheit schon mehrmals Kirchenprojekte im Ort unterstützt hat …“.
Ein Zeitungsschreiber darf sogar einen Kommentar abgeben: Die Provokation sei verpufft, meint er, da der Kardinal so gelassen reagiert habe: Der hatte die Störende sogar in sein Gebet aufgenommen, und mit ein bißchen Weihwasser und ein paar liturgischen Floskeln war der entehrte Altar auch im Nu wieder einsatzbereit – Altarreinigungsexpressservice während des Gottesdienstes. Allerdings liest der Kommentator offenbar seine eigene Zeitung nicht, denn was da seit Wochen an Geifer und Galle auf den Leserbriefseiten gespuckt wird, spottet jeder Beschreibung.
Und was ist nun zu halten von der Protestaktion der Femen-Ativistin? Zumindest hat sie meine Sympathie, dazu gehört viel Mut, am ersten Weihnachtstag im vollbesetzten Dom auf die Mißstände und strukturelle Frauenfeindlichkeit der katholischen Kirche hinzuweisen. Ob die Aufklärung, die dadurch bewirkt werden soll, tatsächlich erfolgreich ist, ist fraglich angesichts der heftigen negativen Reaktionen, langfristig aber nicht abzusehen: Die Londoner Suffragetten Anfang des 20. Jahrhunderts bewaffneten sich mit Hämmern, um Schaufenster einzuschlagen, und stecken (leere) Kirchen in Brand.
Neusser Platz / Heumarkt
„Kölns Stärke ist der soziale Zusammenhalt“, sagte der Oberbürgermeister in seiner Neujahrsansprache. Ob er die zig Tausende von Bewohnern meinte, die nicht nur gemeinsam auf der Straße das neue Jahr feiern, sondern auch wie abgesprochen ihren Dreck da liegen lassen, wo er entsteht?
Aus dem Weihnachtsmarkt auf dem Heumarkt ist nun ein Wintermarkt geworden – geschickt, so kann man noch ein paar Euro machen mit der Festtagsstimmung, über das Fest hinaus. Der umsatzstärkste Tag des Jahres sei sowieso der Tag nach Weihnachten, habe ich gelesen, da haben viele noch frei und gehen Geschenke um- und Gutscheine eintauschen, und dann ist es doch schön, wenn man noch einen leckeren Zuckerwein aus dem 10-Liter-Pappkarton trinken kann.
Auch der Wintermarkt hat nun gestern geschlossen, aber ich wollte euch auf keinen Fall die Bilder der größten Weihnachtsmarkteisbahn vorenthalten, die die Welt je gesehen hat. Oder Köln (das läuft für viele Kölner auf das selbe hinaus). 400 Meter Laufstrecke, ein kleiner Platz zum Stockschießen, Kosten: 1,2 Millionen Euro. Man rechnet nicht damit, daß mit der Eisbahn Gewinn gemacht wird bei einem Eintritt von 6,50/5,00 Euro – was mich erst verwunderte, denn wer betreibt einen Betrieb, wenn er von vornherein einen Verlust erwartet? Des Rätsels Lösung: Die öffentliche Hand! Es gibt nicht nur einen privaten Betreiber, sondern „Rheinenergie“ und die Bädergesellschaft Köln sitzen auch noch mit im Boot. Die sind zwar strenggenommen auch ausgegliedert in die Wirtschaft, gehören aber der Stadt, die für alle Verluste aufkommt. Da freut man sich doch, daß man indirekt diese schöne Bahn mitfinanziert, obwohl man nie einen Fuß darauf setzt.
Jedenfalls nicht ohne Gehhilfe.



