Urlaub 5. Station, Rühstädt (Umgebung)

12 Kilometer mit dem Fahrrad auf dem Elbdeich, da ist es ganz gut, daß die Sonne nicht so knallt. Auch der Wind ist angenehm lau – die Fahrt ist ein einziges Vergnügen.

In den Gebäuden der alten Ölmühle in Wittenberge (nicht zu verwechseln mit der Lutherstadt Wittenberg) lädt ein Café/Restaurant zu Kaffee und Kuchen ein. Hier finden jährlich die berühmtberüchtigten „Elblandfestspiele“ statt, das „internationale Festival für Operette und heitere Bühnenkunst“. Aha.

Wittenberge – ein Städtchen zum Durchreisen und Kaffeetrinken – war einmal der bedeutendste Industriestandort der Gegend: Ölmühle, Nähmaschinenwerk (die bereits von Singer gegründet worden war), Zellstofffabrik usw. wurden allerdings nach der Wende in kürzester Zeit dichtgemacht, Tausende verloren ihre Arbeitsplätze. Wohnten hier 1989 ca. 30.000 Einwohner, sind es heute noch etwas mehr als 18.000, mit abnehmender Tendenz. „Blühende Landschaften“ sollten hier nach Helmut Kohls Worten entstehen, und das werden sie auch, wenn kaum noch einer in diesem Landstrich wohnen und die Natur alles überwuchern wird.

Eine andere kleine Stadt in der Nähe verführt ebenfalls fast zum unaufmerksamen Durchqueren, wenn in der Mitte nicht dieses Monstrum von Kirche stünde: Es ist die Wunderblutkirche St. Nikolai in Bad Wilsnack. Da zu dieser Kirche im späten Mittelalter hunderttausende Wallfahrer pilgerten, ist diese Kleinstadt eine Zeitlang eine der größten Wallfahrtsorte gewesen, die Leute kamen aus ganz Europa hierher.

Das kam so: Wilsnack wurde im Jahre 1383 in irgendwelchen kriegerischen Auseinandersetzungen komplett zerstört, die Bewohner versteckten sich derweil in einem Nachbarort. Als der Pfarrer in den Ruinen seiner Kirche herumstöberte, fand
er – angeblich – drei unversehrte Hostien, die blutige Male trugen, auf dem Altar. Ein Wunder, ein Wunder! – mag er gerufen haben. Der Bischof hörte und bestätigte das. Flugs wurde eine neues Kirchengebäude gebaut und der Papst erteilte der Stadt bereits ein Jahr später einen Ablassbrief.

Einmal die Kirche umrunden gab 42 Tage Ablass, eine Zeit, die man nach seinem Tod weniger im Fegefeuer verbringen mußte, und für jede Meile, die man zurückgelegt hatte, um überhaupt hierherzukommen, gab es noch 1 Tag dazu. Außerdem bildeten sich sogenannte Transitheiligtümer: Kirchen und Klöster, die an den Wegen Richtung Wilsnack erbaut wurden, wo man auch noch ein paar Tage Ablass „erwerben“ konnte. Auf der Sündenwaage konnten die Sünder ihr Gegengewicht in Gütern für die Kirche aufwiegen lassen, außerdem war es fast Pflicht, sich ein Wallfahrtsabzeichen zu kaufen, das natürlich auch von der Kirche vertrieben wurde (die Nachbildung von drei roten Hostien, die man sich an die Kutte heften konnte).

Diese ganze Wallfahrerei war ein unglaublich gutes Geschäft, das war ja in Köln auch nicht anders: Die Pilger mußten untergebracht und ernährt werden, außerdem kauften sie alle möglichen Devotionalien, und nicht selten wurden sie einfach ausgeraubt. Und wie immer, wenn eine Abzocke mal so richtig gut läuft und alle sich eigentlich gut dabei fühlen, kommt irgendein Miesepeter und mault so lange herum, bis es nicht mehr funktioniert. In diesem Fall war es der Reformer Jan Hus und seine Nachfolger Luther und andere Reformatoren, die dafür sorgten, daß der einfältigen Wundergläubigkeit der Boden entzogen wurde. Mit der Verbrennung der Hostien 1552 durch einen evangelischen Pfarrer hörten die Pilgerreisen auf und die katholischen Belustigungen wurden durch evangelische Plackerei ersetzt.

Die eindrucksvollen Holz-Licht-Skulpturen, die gerade in der Kirche ausgestellt wurden, sind übrigens von Kerstin Schneggenburger.

So, meine Lieben, das war der Urlaub, drei Wochen gehen schnell vorbei. Es hat viel Spaß gemacht, was in erster Linie natürlich an meiner Mitreisenden lag, aber alle Orte fand ich besuchenswert. Mal schauen, wo ich als nächstes hinfahre.

Urlaub 5. Station: Rühstädt (wandelnder Storch)

Ein kleiner Film für die Freunde der Tierwelt. Aus dramaturgischen Gründen hätte ich es schön gefunden, wenn er noch irgendwas gemacht hätte, einen Kopfstand, oder einen Purzelbaum, aber daran war gar nicht zu denken. Die Brut wartet zu Hause aufs Fressen, die Ausbeute läßt zu wünschen übrig, da ist für Schabernack keine Zeit.

Urlaub 5. Station: Rühstädt (1)

Aah – die Elbe bei Rühstädt. Hier waren wir letztes Jahr schon einmal. Eine herrliche Landschaft. Auf der anderen Seite ist schon Sachsen-Anhalt, diesseits sind wir noch in Brandenburg. Die Elbauenlandschaft ist die größte intakte und zusammenhängende ihrer Art weltweit, habe ich mal gelesen, ich vermute, auch das ist indirekt der Existenz der DDR zu verdanken. Eine solche Gegend ist optimal für folgende Tiere:

Störche. Über 40 Storchenpaare brüten hier alljährlich, weshalb Rühstädt von der Stiftung Europäisches Kulturerbe den Titel „Europäisches Storchendorf“ verliehen wurde.

Viele Häuser hier tragen Storchennester, in denen, als wir da waren, jeweils 3 bis 4 Jungstörche saßen und auf Fressen warteten.

Idylle …

… die aber nicht jedermanns Sache ist. Oder die Farbe war billig.

Morgen leihen wir uns ein Rad …

… und fahren übers Land. Eine schöne Abwechslung nach all den Bergen.

Auf dem Weg nach Polen: Rühstädt

Auf zur nächsten Reiseetappe, nach Rühstädt, einem kleinen Elb-Dorf in der Prignitz in Brandenburg.

Ca. 240 Einwohner leben an diesem Ort, trotzdem kommen pro Saison ca. 60.000 Besucher hierher: Rühstädt ist das storchenreichste Dorf Deutschlands, jedes Jahr brüten hier bis zu 40 Storchenpaare.

Das professionell geführte Hotel in der Ortsmitte hat gutes Essen und ein ausgezeichnetes Frühstücksbuffet. Der Aufenthalt hier ist Erholung pur:

Die Ruhe, die weite Elblandschaft …

… gut ausgebaute und gepflegte Fuß- und Radwanderwege …

… und freundliche Bewohner, die auf angenehme Art die Ruhe weg haben (wenn man sie sieht).

Wir haben uns Fahrräder geliehen und sind an der Elbe entlang und durch ein paar Dörfer gefahren – und wenn es nur ein paar Häuser sind ohne Geschäft, eine eigene Kirche muß natürlich sein.

Nach dem Abendessen noch ein Spaziergang – aah, ist das schön!
(An das Tourismusbüro Rühstädt: meine Kontonummer habt ihr, oder?)

Hier war ich ganz bestimmt nicht das letzte Mal … vielleicht sollte ich mal einen kleinen Abschnitt auf dem Elberadweg zurücklegen?

Fortsetzung folgt.