Ich habe Urlaub bis ins nächste Jahr, könnte also alle möglichen Dinge erledigen und tue – gar nichts, außer rumhängen und lesen. Auch mal ganz schön. Nun aber habe ich mich endlich aufgerafft, weiter geht’s mit ein paar Eindrücken aus Salzburg.
Die Innenstadt steht auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO, was auf der einen Seite bedeutet, daß sie vor baulichen Veränderungen einigermaßen geschützt ist. Auf der anderen Seite benutzen viele Touristen diese Liste als Hinweise für „must see places“, was bedeutet: Es ist voll hier, besonders in der engen Getreidegasse, in der das Geburtshaus des berühmtesten „Sohnes“ der Stadt steht. So …
… sieht er aus. Oder doch …
… eher so? Nee, jetzt hab‘ ich’s:
So. Ist natürlich alles Quatsch. In Wirklichkeit …
… ist er von edlem Antlitz.
Meine Begleiterin ist Schokoladenliebhaberin, deshalb müssen wir unbedingt ins Café und Konditorei Fürst. Paul Fürst hat 1890 die Mozart-Kugel erfunden – und leider nicht patentieren lassen, so daß es heute alle möglichen Nachahmer gibt, darunter auch welche von mieser Qualität, ich habe sie probiert.
Die Kugeln von Fürst werden heute immer noch so hergestellt wie zu Anfang, jede einzelne ist von Hand gerollt: Ein Pistazienmarzipankern, ummantelt von einer dicken Schicht Nougatschokolade, wird auf einen Holzstab gesteckt und in Kouvertüre getaucht. Wenn alles fest und getrocknet ist, wird die Kugel abgenommen und – Sensation! – jede einzelne per Hand mit einem Schokopropfen zugestopft und eingewickelt.
Da es warm ist und alle Leute draußen sitzen, haben wir innen die frei Platzwahl, sehr schön.
Ich übertreibe nicht: Der dunkle Kuchen heißt wirklich Mozart-Torte.
Kaum ein Geschäft, daß nicht teilhaben will am Komponisten-Hype: Notenvorhang als Deko.
Mich würde interessieren, wie der Amerikaner das ausspricht: Why-iner Sknizl?
Na, das ist doch mal ein Schnäppchen! Den halben Preis nehme ich gerne mit, aber bitte keine Schecks, das Dirndl dürft ihr behalten. Nein, schon okay, ich weiß, wie es gemeint ist. Leider kann ich nicht zuschlagen, in Köln trägt man sowas nicht, und mein Arbeitgeber wäre irritiert.
Das wäre doch schon eher was für mich. Der gleicht mir – bis aufs Haar, meins ist kürzer. Und die Kombi mit den Schuhen, also, ich weiß nicht, das ist jetzt nicht soo elegant. Schluß mit den Albernheiten …
… kommen wir zum Ernst des Lebens: Noch ein Portrait von mir? Fast, ich arbeite nur noch halbtags, das hat mich davor bewahrt. Gechmackloses als Mitbringsel für die Kleinen zu Hause: „… und so sieht Mozart heute aus.“
Das ist heutzutage aber nicht mehr politisch korrekt …
… dachte sich hier jemand. Wenn man es so läßt, kann jeder zufrieden sein.
Da geht’s zum Residenzplatz vorm Dom …
… mit einem riesigen Pferdebrunnen in der Mitte, wo den Tieren das Wasser aus allen möglichen Öffnungen fließt. Ich möchte nicht wissen, was die Pferde im Hintergrund davon halten.
Dahinten geht es in den Dom, da müssen wir rein, so schnell kommen wir nicht mehr her.
Tja, schön wär’s – zur Zeit wird der „Jedermann“ aufgeführt, und so lange ist der Eingangsbereich geschlossen. 14 Aufführungen innerhalb von sechs Wochen im Hochsommer – und so lange können keine Besucher in den Dom? Daß man das nicht besser lösen kann …
Über 2.500 Zuschauer sollen da gleichzeitig sitzen können, wenn man eine der Eintrittskarten ergattert hat. Für 2020 kann man schon vorbestellen, ab 357,- Euro aufwärts. Sieht gar nicht so groß aus, ich weiß ja nicht, ob das ein großes Vergnügen ist.
Herrenmode im Wandel der Zeit.
Gleich in der Nähe der – na? – richtig: Der Mozart-Platz.
Der hätte es nach meiner Meinung ebenso verdient, überall gefeiert zu werden: Der Dichter Georg Trakl wurde hier geboren. Wenn man in den Hinterhof des Hauses geht, werden einem über Lautsprecher einige Gedichte vorgelesen – von mehreren Stimmen gleichzeitig, in verschiedenen Sprachen. Man versteht kaum ein Wort – keine Ahnung, was das soll, echt blöd gemacht.
In der Wohnung ist ein Trakl-Museum eingerichtet, allerdings mit merkwürdigen Öffnungszeit. Egal, wir haben eh keine Zeit. Der Dichter wurde bloß 27 Jahre alt, man weiß nicht genau, ob er sich selbst getötet hat oder ob es ein Drogenunfall war, beides ist möglich – ein Mensch, der sowieso schon mit sich und seiner Welt haderte, und dann erlebte er auch noch einige Gräuel des beginnenden 1. Weltkriegs. Hier eins seiner Gedichte:
Confiteor
Die bunten Bilder, die das Leben malt
Seh‘ ich umdüstert nur von Dämmerungen,
Wie kraus verzerrte Schatten, trüb und kalt,
Die kaum geboren schon der Tod bezwungen.
Und da von jedem Ding die Maske fiel,
Seh‘ ich nur Angst, Verzweiflung, Schmach und Seuchen,
Der Menschheit heldenloses Trauerspiel,
Ein schlechtes Stück, gespielt auf Gräbern, Leichen.
Mich ekelt dieses wüste Traumgesicht.
Doch will ein Machtgebot, daß ich verweile,
Ein Komödiant, der seine Rolle spricht,
Gezwungen, voll Verzweiflung – Langeweile!
Passend dazu (obwohl nicht zusammengehörig) werden wir auf eine Ausstellung hingewiesen: Die Kriegstreiber, die uns ihre Waffen verkaufen und uns in ihrem Gebrauch schulen, das sind die eigentlichen Feinde.
Wohnungsklingeln von früher – funktionieren heute nicht mehr, habe ich mir sagen lassen, die Leute ziehen ein elektronisches Fiepen vor. Sporer soll übrigens ausgezeichnete Spirituosen herstellen, habe ich (glücklicherweise erst nach unserem Besuch) gehört.
So, wir müssen wieder zurück. Wenn man in der Gegend ist, kann man hier gut einen Nachmittag verbringen, oder auch zwei – das Kunstmuseum soll sehr gut sein. Extra für die Stadt herkommen würde ich nicht. In Mozarts Geburtshaus befindet sich übrigens ein Supermarkt im Erdgeschoß (die Käsetheke ist in seinem ehemaligen Kinderzimmer … nein, quatsch). Warum auch nicht – so unverblümt, wie hier mit seinem Namen Geschäfte gemacht werden, das hätte ihn vielleicht sogar amüsiert.