Kulturkirche Nippes

Neulich war ich seit langem mal wieder in einem Konzert ohne Platzkarten. Um 20 Uhr sollte es beginnen, das hieß, so meine Begleiterin: Um 18 Uhr losfahren. Ich hielt das für völlig unsinnig, die Fahrt mit der Straßenbahn dauert eine halbe Stunde bis zum Veranstaltungsort, was sollte man denn die ganze Zeit da machen? – und handelte sie um eine Viertelstunde herunter. Als wir um 18.40 Uhr an der Kulturkirche ankamen, standen bereits ca. 50 Besucher vor der Tür – was mir einen schneidenden Blick meiner Begleiterin bescherte. Wir stellten uns ans Ende der Schlange, brauchten aber nicht lange zu warten, bis sich jemand hinter uns stellte: Ein junger Mann, der sich gerade einen viertelwagenradgroßen Döner gekauft hatte und völlig kostenlos den Geruch der Imbißstube in einem Radius von zwei Metern um sich verbreitete. Mein Versuch, etwas von ihm abzurücken, nützte leider gar nichts, denn vermutlich dachte er: Endlich geht’s los, und rückte auf. Ich konnte nun zusätzlich mitlesen, was die beiden Männer vor mir in ihre Smartphones tippten, während sie sich lautstark unterhielten, derweil ich von hinten mit knoblauchgesättigtem Lammfleischduft parfümiert wurde.

Um 19 Uhr sollte Einlaß sein, und 19.10 war es dann auch so weit: Nun hieß es, schnell sein. Alles Warten vor der Tür nützt nichts, wenn man dann nicht bereit ist, seinen Platz mit Ellbogeneinsatz zu verteidigen. Wir erkämpften uns einen guten Platz in der dritten Reihe – von Holzbänken. Wir befanden uns in einer Kirche in Nippes, meine Begleiterin erzählte mir, daß sie hier einst konformiert worden war. Da den evangelischen Kirchengemeinden das Geld auszugehen droht, versuchen sie, neue Geschäftsfelder zu entwickeln, und mit der „Kulturkirche“, wie sie nun heißt, als Veranstaltungsraum klappt das wohl recht gut. Es wurde sogar Bier ausgeschenkt – wenn das Jesus wüßte. Daß weltliche Musik eigentlich Teufelswerk ist und der Mensch prinzipiell ein Sünder – egal. Als Ausgleich wird der Besucher mit harten Bänken bestraft. Und mit Wartezeit: Um 20 Uhr wurden die Lichter gedimmt, aber statt der Band von Joanna Newsom erschien eine Vorgruppe – in Form eines einzelnen Menschen mit Gitarre, der mit schräger Stimme Lieder intonierte. Gerade hatte ich meine Begleiterin flüsternd gefragt, ob so jemand wohl auch Tonträger veröffentlicht, da sagte er: The next song is from my last album … Kaum zu glauben.

Eine halbe Stunde später war es dann endlich soweit: Das Konzert der Folksängerin Joanna Newsom war großartig. Ihre Musik ist so eigen, daß viele Leute nichts damit anfangen können. Ich mußte mich auch erst ein bißchen einhören, aber nun mag ich sie sehr – trotz aller Widrigkeiten hat sich das Konzert gelohnt.

Baudriplatz

Wochenende! Kuchen!!

Wenn das Wetter es zuläßt, sitzt man hier schön, am Café Eichhörnchen im Stadtteil Nippes (wenn ich die Kamera etwas höher gehalten hätte, könntet ihr es auch sehen). Die Kuchenauswahl ist bemerkenswert, sowohl die Anzahl als auch die Qualität, für das kleine Café. Immerhin gibt es 80 Außenplätze, was im Sommer schon mal zu langen Wartezeiten führt, habe ich gelesen, denn es gibt grundsätzlich nur eine Bedienung, die auch noch den Kaffee kochen und die Getränke einfüllen muß, egal wieviel hier los ist.

Innen sieht es auch sehr gemütlich aus, das wäre aber nur was für mich, wenn es immer so leer ist. Allerdings soll das hier ein beliebter Müttertreffpunkt sein (vereinzelt wahrscheinlich auch Väter), und das ist ja auch richtig so, warum sollen Leute mit lauten, rotznasigen, ungezogenen, rücksichtslosen Kindern nicht auch das Recht haben, ihre sozialen Bedürfnisse an öffentlich zugänglichen Orten zu befriedigen? Ich bleibe dann derweil zu Hause.

Kempener Str.

Da hat wohl jemand seine eigene Größe überschätzt – körperlich und geistig. Vielleicht hätte der Schreiber beim Denken auch ein zweites Mal ansetzen sollen, dann wäre ihm vielleicht eingefallen, daß die Leser der „Bild“ unbedingt wissen wollen, wie Promis sich fühlen, wenn sie samstagabends im Fernsehen Kindergeburtstage aufführen oder Tierhoden im australischen Dschungel essen müssen. Aber ich, lieber Empörter, ich bin ganz Ohr – was sollen wir machen? Russland das Lachen verbieten, andernfalls Krieg?

Leipziger Platz

Na, wer schaut denn da so abschreckend? Dieser „Grinkopf“ dient nicht mehr seiner ursprünglichen Funktion (die man hier nachlesen kann), sondern ist vermutlich bloßer Fassadenschmuck.

Fast möchte ich vermuten, daß solche Skulpturen neben ihrem praktischen Zweck auch abschreckende Wirkung auf böse Geister und teuflische Wesen haben sollten, wie es bei den „Gargoyles“ an Kirchen der Fall ist – die säkulare Aneignung kirchlicher Architektursymbolik.

An diesem schönen Beispiel sieht man sogar die Reduzierung des Grinkopfes zu einem reinen Ornament.

Florastr.

Da läuft man leicht angenervt durch die Stadt, deren 1 Mio. Bewohner mir alle gleichzeitg im Weg zu stehen scheinen, läuft in eine Nebenstraße, schaut in eine Hofeinfahrt nach rechts – und findet sich unversehens in einer Szene seiner Kindheit wieder. Fast genau so, vielleicht noch ein wenig unaufgeräumter, war die Stimmung in dem Kaff, in dem ich in den 60ern aufwuchs: Langeweile und Geborgenheit, Hand in Hand.

Weiherzulauf / Neusser Str.

Die Entchen im Weiher sind noch so klein, die können eigentlich erst am selben Tag geschlüpft sein, aber schwimmen können sie schon, als hätten sie es gelernt. Sehr putzig anzusehen, wie gleich zehn von ihnen auf dem Wasser hin und her flitzen – eine dunkle Männerstimme sagt im Vorbeigehen: „Die können froh sein, wenn noch zwei übrigbleiben.“ Was meint er nur? Füchse? Katzen? Oder Ente süß-sauer? Keine Ahnung.

Auch die Stühle putzen ihre Federn, „fasten your seatbelts“ – die Urlaubssaison fängt wieder an. Wohin soll die Reise gehen? Vielleicht gibt das Täschchen einen Hinweis: Das ist eine sogenannte Clutch (sprich: klatsch, engl.=ergreifen, fest umklammern), die frau unterm Arm trägt, wenn sie in die Oper geht oder ins Theater. Viel paßt da wahrscheinlich nicht hinein: Ein Handy, Lippenstift, Tempos und eine Camelia für die blaue Ersatzflüssigkeit. Die Tasche ist mit Maharadscha-Chiffon geschmückt – ha, fliegt der Stuhl vielleicht nach Indien?

Das ist uns dann doch zu weit, wir bleiben lieber im heimischen Biergarten …

… wo wir von der freundlichen Bedienung stets mit einem herzlichen Willkommen begrüßt werden.

Neusser Str.

Dieses Haus findet zum ersten Mal Erwähnung in einem Adressbuch von 1881, wurde also bereits vor der Eingemeindung des heutigen Stadtteils Nippes im Jahr 1888 gebaut. Peter Wirtz übernahm die Gaststätte 1905, der Name wurde bis heute beibehalten.
Das müssen standhafte Besitzer gewesen sein nach dem 2. Weltkrieg, man hat ihnen doch bestimmt viel Geld geboten für das Grundstück, um lückenlos solche Scheußlichkeiten bauen zu können wie in der Nachbarschaft, die heute leider vielfach das Bild der Stadt prägen.

Neusser Str./Ring

Wenn in Köln die Plastikbecher fallen, ist Herbst, und die Kollegen vom Abfallwirtschaftsbetrieb legen selbst am Sonntag Sonderschichten ein.

Gestern war Kölnmarathon, wie jedes Jahr Anfang Oktober. Das zauberte uns ein Lächeln ins Gesicht, da braucht es eigentlich keine Aufforderung, denn die Stadt ist für Autos zum größten Teil lahmgelegt.

Einheitstr.

Wirklich wahr, es ist der reine Zufall, daß wir gestern im „Einheit 15“ landeten: Im „Rosenrot“ gleich um die Ecke gab es erst ab 18 Uhr Essen, solange wollten wir nicht warten. Hier ist es auch sehr nett, sehr verwinkelt und größer, als man zuerst glaubt. Das Essen ist prima: Es gibt relativ kleine Gerichte zu genau so kleinen Preisen, man kann sie also gut miteinander kombinieren, z.B. Ofengemüse mit Ziegenkäse überbacken, Datteln im Speckmantel, Salate, Falafel usw. für jeweils 4 bis 5 Euro, bestellt man drei, hat man eine volle Mahlzeit. Aber man kann auch Wiener Schnitzel mit Fritten bekommen, oder Flammkuchen in verschiedenen Variationen. Besonders gut gefällt mir, daß alles frisch gemacht ist, kein Tiefkühlessen. Auch der Kuchen, den man uns ans Herz legte, war am selben Tag frisch gebacken. Ja, so muß das sein.
Einen Wermutstropfen möchte ich nicht verschweigen: Der Durchgang zur Küche ist offen, und das riecht man nach dem Verlassen der gastlichen Stätte leider an seinen Kleidern.

Turmstr.

Schön, wenn ich auf meinen Streifzügen etwas Gutes entdecke, was ich bisher noch nicht kannte. „Och, das gibt’s schon länger“, sagt meine Begleiterin, und mein Kollege erzählt, daß er schon oft daran vorbeigelaufen ist. So – und wieso sagt mir das keiner? Macht nichts – sehr nett da, schöne Atmosphäre, und das Essen ist gut und günstig. Das „Rosenrot“ liegt zwar nicht in meinem Viertel, aber Nippes überhaupt ist ein freundlicher Stadtteil, durch den ich gern spaziere, deshalb war ich bestimmt nicht zum letzten Mal da.