
Heute liegt eine Doppeletappe vor uns, insgesamt 30 km – puh! Wir rätseln, warum unser Reiseorganisator das so geplant hat, und als wir die Strecke hinter uns haben, können wir uns die Lösung denken: Es gibt kaum Höhenunterschiede, also darf die Etappenlänge ruhig etwas anstrengender sein. Zu Anfang geht es durch jede Menge Teiche, wahrscheinlich züchten sie hier ihre Karpfen. Unser Wanderführer warnt uns vor Mückenschwärmen, aber dafür ist es wohl noch zu früh, in der Vorwoche war es noch arschkalt.

Hier müssen wir rüber und drücken den Hebel. Am anderen Ende sitzt tatsächlich jemand und bittet uns um etwas Geduld, es komme gleich ein Zug. Fünf Minuten später, der Zug ist gerade durchgefahren – nichts passiert. Wir drücken den Hebel nocheinmal, also, was soll man sagen: Es kommt noch ein Zug. Wir hätten fünfzigmal oder öfter hin und her die Gleise überqueren können, als der Zug endlich vorbeirauscht. Was glaubt ihr, passiert jetzt? Nichts. Wir drücken den Hebel ein drittes Mal, der Beamte am anderen Ende kommt ins Plaudern, das sei halt eine vielbefahrene Strecke, auch seine Frau habe schon gesagt, aber was soll man machen, seine Schwägerin hätte was dagegen und der Schorschi, der … ein Zug fährt vorbei, die Schranke geht endlich hoch.

Ein Trimm-Dich-Pfad – alle 50 Meter wird man aufgefordert, irgendwas zu machen. Die Schilder sehen so alt aus, wie sie sind, aber an einer Station hängen Ringe an Ketten in einem hohen Gerüst, mit denen man sich ausschwingen soll, alles macht einen gut gewarteten Eindruck. Gut für den Rücken, machen wir natürlich.

Es ist heiß, 34 Grad im Schatten.

Die Dörfer, durch die wir kommen, machen einen ausgestorbenen Eindruck. Zombiefilme fangen so an: Man kommt nichtsahnend aus dem Wald zu einem Ort, in dem man Menschen erwartet, aber man trifft keinen, und unvermutet wankt plötzlich jemand in einem derangierten Zustand auf einen zu und will einen beißen. Tatsächlich sitzen die Bewohner wahrscheinlich in ihren Häusern, sehen uns durch die Fenster und fragen sich, was das für Volldeppen sind, die in dieser Affenhitze über die Felder laufen – das können nur Städter sein! Stimmt.

Wenn man an einer Straße wohnt, die Kirchsteig heißt, hat man den Drang, dem was entgegenzusetzen, ich versteh‘ das. Tierliebe Menschen wohnen hier, „Reservat“ steht da auf Portugiesisch, und auf Italienisch: „Jagdverbot“, das paßt zu „No Shooting“. Da frage ich mich: Muß man in Bayern damit rechnen, daß jemand in fremde Gärten schießt? Und kennt der Bazi, dem man das zutraut, diese Fremdsprachen?

Falkenberg – uff! – die Hälfte ist geschafft. Die Gaststätte macht Mittagspause, bei dieser Hitze vernünftig, aber blöd für uns. Also gleich weiter.

Anfang August spielt Manfred Mann’s Earth Band hier – welch ein Niedergang, denke ich sofort, aber eigentlich habe ich überhaupt keine Ahnung, in welchem Rahmen das Konzert stattfindet. Und Manfred Mann ist inzwischen auch schon 75, da ist es wahrscheinlich viel besser, durch die bayerische Provinz zu touren als im Altersheim zu sitzen. Aber wenn ich ehrlich sein soll: Ich bin ein bißchen bestürzt.

Der folgende Abschnitt ist, wie ich finde, der schönste des ganzen Wanderweges: Man läuft – immer im Wald – parallel zum Flußlauf der Waldnaab. Die drei älteren Herren haben wir mehrmals überholt, weil wir immer wieder zum Fotografieren stehen geblieben sind, und nachdem sie uns das dritte Mal eingeholt hatten, sagte einer von ihnen gutmütig, wir sollten doch nicht alles wegfotografieren, da wäre ja bald gar nichts mehr übrig. Genau das habe ich mir auch schon oft vorgestellt: Der Apparat fängt die Wirklichkeit, die abgebildete Szene ist dann weg und existiert nur noch in meinem Computer. Zum Glück ist es nicht so.

„Der Wald des Herrgotts gute Stube … zur üblen Abfallgrube … der Mensch … aus dem Paradies.“ Man kann ahnen, was da mal gestanden hat. Wer hier seinen Abfall entsorgt, kann wirklich nicht ganz dicht sein. Das macht auch keiner mehr, inzwischen landet der ganze Plastikmüll im Meer, da sieht es keiner.

Wilde Tiere gibt es hier: Ein Wildschwein schaut versonnen aufs Wasser …

… und aus den Felsen droht uns ein Dinosaurier anzugreifen.

Noch mal gut gegangen: Wir erreichen wohlbehalten ein Ausflugslokal. Kein Ruhetag, wir entscheiden uns für Kaffee und Kuchen – herrlich!

„Nein heißt nein!“ Wer das nicht wahrhaben will, soll zu Stein erstarren. Ich bin dafür.

Nichts für Rollstuhlfahrer – gutes Schuhwerk ist von Vorteil.

Geschafft! – Etappenziel Neuhaus bei Windischeschenbach erreicht. Acht Stunden, wie der Wanderführer veranschlagt hat, haben wir nicht gebraucht, aber wir sind froh, das wir die Strecke geschafft haben, und werden mit einem erstklassigen Hotel belohnt. Auf der Restauranterrasse gibt es Zoigl-Bier, eine Spezialität der Gegend, der halbe Liter für 2 Euro, das ist günstiger als Wasser. Wikipedia weiß dazu:
„Der Zoigl (auch Zeugl oder Kommunbier) ist ein untergäriges Bier, das vor allem in der nördlichen Oberpfalz verbreitet ist und von Privatpersonen gemeinschaftlich gebraut wird. Die Maische für den Zoigl wird im so genannten Kommunbrauhaus gekocht und gehopft. Die gewonnene Würze nehmen die einzelnen Zoiglbrauer mit nach Hause, und versetzen sie im Gärkeller mit Hefe. Da dabei jeder Zoiglbrauer nach seinem eigenen Rezept verfährt, sind Schwankungen im Geschmack des Zoigl von Ortschaft zu Ortschaft, aber auch von Wirt zu Wirt üblich und für das Zoiglbier geradezu typisch. Neben diesem traditionellen Zoigl wird heute auch von kommerziellen Brauereien Bier unter dem Namen Zoigl angeboten.“
Meine Begleiterin war neugierig und hat eins bestellt, ich hab’s probiert und muß leider sagen: Scheußlich!
Fortsetzung folgt.