St. Agnes

Gar nicht einfach zu fotografieren, dieses Kunstwerk: Es sind Papierstreifen von herausgerissenen Seiten aus Gebetbüchern, die der Künstler Jo Pellenz über den Altar der Kirche St. Agnes gehängt hat.

Trotz seiner Höhe von vier Metern wiegt das Kunstwerk keine 100 Gramm. Der erste Eindruck, wenn man es in der zweitgrößten Kirche Kölns sieht, ist der der Fragilität, als würde ein Windhauch reichen, um alles durcheinanderzuwirbeln. Parallel dazu hängen in den Seitenschiffen große Fotos von unscharfen, weil sich schnell bewegenden Menschen – davon habe ich leider kein Foto, denn sie sind mir gar nicht aufgefallen.

Der Künstler selbst zu seiner Arbeit (Zitat Kölner Stadtanzeiger 15.05.14):

„Ihm sei es darum gegangen, etwas Unfassbares zu visualisieren. Er wollte bewusst keine Präsenz erzeugen, „bei der sich das Hirn erstmal ausruhen kann“. Die sofort erkennbare Zerbrechlichkeit einerseits und das Unbegreifbare andererseits habe er darstellen wollen. Da sich die Installation an dieser zentralen Stelle über dem Altar ständig leicht bewegt, hofft er, dass seine Arbeit die Leute fesselt, aber dabei „nicht ablenkt“. Außerdem werden in den Seitenschiffen der Kirche riesige Fotos von sehr unscharf fotografierten Menschen zu sehen sein, die augenscheinlich sehr schnell unterwegs sind. „Das ist genau der Kontrapunkt.““

Aha. Ich bin zusätzlich der Meinung, daß Gebetbücher, zerrissen an einer Decke hängend, besser dort aufgehoben sind als in den Händen der Kirchenbesucher.

Sommerzeit

18.000 Fans vom türkischen Ministerpräsidenten Erdogan feierten ihn in der rechtsrheinischen Lanxess-Arena, während ca. 45.000 Gegner seiner Politik linksrheinisch über die Ringstraßen demonstrierten und zu einer Kundgebung im inneren Grüngürtel liefen. Die Touristen in der Altstadt störte das nicht, schönes Wetter, keine besonderen Vorkommnisse.

Studenten grillten auf „ihrer“ Wiese (passiv und aktiv), das Bier vom Kiosk ist billiger, außerdem kann man zwischendurch mal Frisbee spielen.

Und wem das alles zu hektisch ist, der trifft sich am Büdchen. „Schwaade“ nennt der Kölner das Quasseln, also das Erzählen von relativ bedeutungslosen Inhalten um des Erzählens willen – kann manchmal ganz gemütlich sein.

Frankenwerft

Gut, an der Signalfarbe konnte man nichts ändern, aber trotzdem atmen die Kollegen und Kolleginnen bei den Abfallwirtschaftsbetrieben auf: Endlich gibt es luftigere Kleidung für den Einsatz bei heißem Wetter. Nur über das Schuhwerk streitet man noch.

Breslauer Platz

Von diesem heimeligen Platz hinterm Hauptbahnhof, den der Oberbürgermeister für einen ganz außerordentlich gelungenen hält, habe ich ja bereits erzählt. Nun geht es um den kleinen Kreisverkehr in der Mitte: Eine große überregionale Bank hat der Stadt ein Kunstwerk dafür gestiftet. Man lobte einen Wettbewerb aus und zusammen mit dem Kunstbeirat der Stadt wurde von sieben Einsendungen ein Siegerentwurf gekürt:


Foto Stadt Köln

Ein Obelisk, neun Meter hoch, aus karbonfasergestärktem Kunststoff mit glänzender Oberfläche, Kosten: 100.000 Euro plus ca. 30.000 Euro Aufstellungskosten, die zur Hälfte von der Stadt übernommen werden sollen. Nun ist die Bezirksvertretung Innenstadt strikt gegen das Kunstwerk, ebenso ein Teil der Ratsmitglieder im Rathaus, von doch auch ganz „schönen Blumenbeeten“ ist hier die Rede. Bei der Bank ist man irritiert und eingeschnappt: Wie kann man so kleinlich ein so großzügiges Geschenk bemängeln!?
Die letzte Entscheidung steht noch aus.

Der „Obelisk of Tutankhamun“, wie das Werk genau heißt, ist von der Künstlerin Rita McBride. Nach ihrer Aussage handelt es sich hier um ein ironisches Kunstwerk: „Er [der Obelisk] wird eine Achse implizieren, wo niemals eine solche existiert hat, und den Blick auf ein Chaos urbaner Elemente vorgeben.“ Aaah ja. Das muß man natürlich wissen. Mal im Ernst: Ein ironisches Kunstwerk, dem man die Ironie nicht ansieht, sollte die Künstlerin tatsächlich besser zu Hause im Garten aufstellen, da versteht es wenigstens eine.

Photo by Roman Mensing/EMSCHERKUNST

Außerdem: Wenn ein Obelisk „den Blick auf ein Chaos urbaner Elemente“ vorgibt, was macht dann dieser schwarze Obelisk von Frau McBride im Emscher Park bei Essen? Hier sind nur Bäume und Büsche. Tja, so ein Obelisk ist eben ein echter Tausendsassa. Wenn die Künstlerin einen auf den Mond stellt, versinnbildlicht er wahrscheinlich die kosmische Ordnung in einer Nichtachse des Unendlichen, quasi als ironischer (!) Phallus Gottes! Ist doch naheliegend, oder?

Am alten Posthof

Hier feiert die „Geiz ist geil“-Mentalität Triumphe: Anfang des Monats eröffnete die irische Textilkette Primark in Stadtzentrum eine ihrer Filialen, eine der größten in Deutschland: Auf vier Etagen können ca. 5.000 Artikel gekauft werden, zu Preisen, die die Konkurrenten „Hager & Mager“, „Piep & Beclopptenburg“ und die anderen nicht bieten können. „Und das, obwohl wir die selben Näherinnen in Indien und Bangladesh mit Niedrigstlöhnen ausbeuten wie die anderen“, verkündet man stolz (nicht wörtlich, aber dem Sinne nach). Man verzichte auf einen Teil der Gewinnmarge und mache Geld durch höheren Umsatz, außerdem verzichte man auch auf den Dienst am Kunden: Auf eine Beratung werde der Kunde in dem Geschäft vergeblich warten, berichtet freudestrahlend einer der hauptamtlichen Mitarbeiter. Außerdem sind die Klamotten durch den niedrigen Preis natürlich so wenig wert, daß sie schneller entsorgt werden als die teuereren von der Konkurrenz, damit man wieder schnell neue kaufen kann, hier beim Aldi der Modebranche. Welche Auswirkungen das auf die Umwelt und die Arbeitssituation der Herstellerinnen in Fernost hat? „Mein komplettes Outfit heute kostet 42 Euro plus 10 Euro, für das, was man nicht sieht!“, sagt die Primark-Chefin von Köln – mit anderen Worten: „Ist mir doch scheißegal, Hauptsache, wir machen Kohle ohne Ende!“

Willy-Millowitsch-Platz, der neue

Na – das ging ja schneller als erwartet: Dieser kleine Platz zwischen Gertruden-, Aposteln-, Ehren- und Breite Straße ist nun tatsächlich, wie im Dezember 2012 vom Rat beschlossen, der neue Willy-Millowitsch-Platz. Den alten Platz konnte man kaum als solchen bezeichnen, ein Stück Rasen vor einem Hotel, ich weiß nicht, welchen Namen der jetzt bekommt. Am besten gar keinen, denn ehren kann man damit niemanden.

In Köln klappen die Dinge ja meist nie so ganz: Während der Eröffnungsfeierlichkeiten (was man so nennt – ein paar Politker hielten Reden, keine Ahnung, ob es wenigstens Sekt gab) fehlten durch irgendeine Schusseligkeit die Straßenschilder, daß der Platz nun den Namen des Volksschauspielers tragen sollte, war eine reine Behauptung, lesen konnte man das nirgends.

Als die Beschilderung dann endlich da war, fehlte einige Zeit noch die Umsetzung eines anderen Beschlusses: Die Umquartierung der Skulptur vom Eisenmarkt. Nun ist sie also da (habe ich schon gesagt, daß sie künstlerisch mißlungen ist?), der Stadtrat kann sich beruhigt zurücklehen und sich zufrieden die Hände reiben: Wieder ordentlich was abgearbeitet, sehr schön.

Willy Millowitsch verkörperte für mich als norddeutsches Kind übrigens die erste Vorstellung von Köln: Sie war abschreckend, niemals wollte ich in eine Stadt, die solche Menschen hervorbringt: Laut, mit sich überschlagender Stimme, dumm-clever mit grimmassierendem Humor, die unglaubwürdige Übertreibung pur, selbst dann, wenn er nett sein wollte. Grauenhaft.

Schildergasse

Neulich stand in der Zeitung, daß in Köln der weltweit erste Matratzenautomat zu besichtigen sei: Man sucht sich eine Schaumstoffmatratze in einer von drei Größen aus und bezahlt dann miftels einer EC-Karte 30 bis 50 Euro. Ich frage mich, welche Klientel da angesprochen wird, wer hat es nötig, nach Geschäftsschluß eine billige und ungesunde Schlafunterlage aus dem Automaten zu ziehen? Obdachlose nicht, die hätten genug Zeit, auch tagsüber in ein Bettengeschäft zu gehen, aber darüber hinaus sowieso kein Geld dafür. Vielleicht, wenn jemand überraschend abends noch vorbei kommt, die Schwiegermutter aus dem fernen Schwiegermutterhausen, und zwar so spät, daß man sie nicht wieder wegschicken kann, und in Ermangelung einer Schlafstätte fährt man schnell zum Matratzenautomaten, mit dem Resultat, daß man selbst auf dem Billigschaumstoff schlafen muß, weil man sowas der Mutter seiner Angebeteten wohl kaum zumuten kann, will man nicht mit ernsthaften Konsequenzen für sich selbst rechnen? Ehrlich gesagt: Ich bin ratlos. Aber ich wollte die Maschine unbedingt für euch fotografieren, als ich an der Antoniterkirche eintraf, war sie allerdings schon wieder weg, stattdessen saß diese Frau da. Gut, das ist vielleicht das schönere Foto. Unten seht ihr nun einen Zeitungsausriß (Kölner Stadtanzeiger, 03./04.05.14):

An der Rechtschule

Das ist doch mal eine gute Idee, die die Abfallwirtschaftsbetriebe Köln da hatten: Neid, Bürokratie, Pingeligkeit, Spießigkeit, Schadenfreude, Sturheit und Intoleranz, für jede dieser Eigenschaften von hohem Brennwert eine eigene Wertstofftonne. Ich kenne einige, die ihren Ballast hier wunderbar entsorgen können und ihre Umwelt damit also nicht mehr kontaminieren müssen: Der Dom und einige andere Kirchen sind ganz in der Nähe, und auch das Rathaus ist nicht weit. Außerdem bin ich sicher, daß viele Leute, die hier vorbeikommen, auch etwas einwerfen können. Doch halt: Wenn man genau hinsieht, bemerkt man, daß die Mülltonnen versiegelt sind. Zu schade – für alle Beteiligten. Kann die Polizei da nicht helfen?

Nee, kann sie nicht, mal wieder kopflos, typisch, immer, wenn man sie braucht …

Ei, der Dom

Gestern (Karfreitag) war ich mal wieder richtig schön tanzen, das tat gut, heiße Rhythmen, kühlende Drinks … was? Wer nennt mich da Schwindler!? Wer behauptet, ich lüge, der werfe den ersten Stein … aua! Okay, ich geb’s zu, aber heute abend … habe ich keine Lust.

Schöne Feiertage, viele Grüße aus der beeierten Domstadt.

Trankgasse

Wenn man den Hauptbahnhof verläßt, gleich links geht, dann wieder links, und den Dom rechts liegen läßt, kommt man zu einer der schmuddeligsten Ecken Kölns: Die beiden kurzen Tunnel, von denen der eine zur Bahnhofsrückseite, der andere zur Rheinuferstr. führt. Es riecht nach Abgasen und durchdringend nach Urin, überall liegt Abfall. Zur Aufwertung hat man nun den ersten Tunnel geschickt beleuchtet, türkisfarbene LED-Lampen sollen für eine angenehmere Atmosphäre sorgen. Das ganze Projekt trägt das Motto „Licht gegen Angsträume“ und soll noch ausgeweitet werden. Ich finde es ganz schick, wie die Stahlträgerarchitektur da in Szene gesetzt wird, aber ob es die Wildpinkler und Umweltverschmutzer davon abhält, da ihren Unrat abzuladen? 10 Cent von jedem Würstchen, jedem Stück Pizza, das im Erlebnisbahnhof verzehrt wird, und man könnte das kommerziell geführte Bahnhofsklo wieder zu einer freien öffentlichen Bedürfnisanstalt machen. Solange man 1 Euro fürs Pinkeln bezahlen muß, sehe ich schwarz für die beiden Tunnelstraßen – Licht hin oder her.