Breslauer Platz

Von diesem heimeligen Platz hinterm Hauptbahnhof, den der Oberbürgermeister für einen ganz außerordentlich gelungenen hält, habe ich ja bereits erzählt. Nun geht es um den kleinen Kreisverkehr in der Mitte: Eine große überregionale Bank hat der Stadt ein Kunstwerk dafür gestiftet. Man lobte einen Wettbewerb aus und zusammen mit dem Kunstbeirat der Stadt wurde von sieben Einsendungen ein Siegerentwurf gekürt:


Foto Stadt Köln

Ein Obelisk, neun Meter hoch, aus karbonfasergestärktem Kunststoff mit glänzender Oberfläche, Kosten: 100.000 Euro plus ca. 30.000 Euro Aufstellungskosten, die zur Hälfte von der Stadt übernommen werden sollen. Nun ist die Bezirksvertretung Innenstadt strikt gegen das Kunstwerk, ebenso ein Teil der Ratsmitglieder im Rathaus, von doch auch ganz „schönen Blumenbeeten“ ist hier die Rede. Bei der Bank ist man irritiert und eingeschnappt: Wie kann man so kleinlich ein so großzügiges Geschenk bemängeln!?
Die letzte Entscheidung steht noch aus.

Der „Obelisk of Tutankhamun“, wie das Werk genau heißt, ist von der Künstlerin Rita McBride. Nach ihrer Aussage handelt es sich hier um ein ironisches Kunstwerk: „Er [der Obelisk] wird eine Achse implizieren, wo niemals eine solche existiert hat, und den Blick auf ein Chaos urbaner Elemente vorgeben.“ Aaah ja. Das muß man natürlich wissen. Mal im Ernst: Ein ironisches Kunstwerk, dem man die Ironie nicht ansieht, sollte die Künstlerin tatsächlich besser zu Hause im Garten aufstellen, da versteht es wenigstens eine.

Photo by Roman Mensing/EMSCHERKUNST

Außerdem: Wenn ein Obelisk „den Blick auf ein Chaos urbaner Elemente“ vorgibt, was macht dann dieser schwarze Obelisk von Frau McBride im Emscher Park bei Essen? Hier sind nur Bäume und Büsche. Tja, so ein Obelisk ist eben ein echter Tausendsassa. Wenn die Künstlerin einen auf den Mond stellt, versinnbildlicht er wahrscheinlich die kosmische Ordnung in einer Nichtachse des Unendlichen, quasi als ironischer (!) Phallus Gottes! Ist doch naheliegend, oder?

0 Gedanken zu “Breslauer Platz

  1. Unter der Stromtrasse ist so ein Phallus ja tatsächlich noch witzig. Möchte wissen, was bei einem Gewitter passiert. La-la-la-la-la-la. Ironisch finde ich das Aspirin neben unserem Reichstag (obwohl das wohl gar nicht so gemeint ist). Aber vielleicht hat ja so ein Obelisk seine eigene Magie und funktioniert im Kreisverkehr wie ein Blitzableiter (also unfallverhütend). Ich würd’s ausprobieren (ohne mir viel dabei zu denken).

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  2. Stimmt, die Verbindung von Großkonzern und Politik ist sinnig. Der Obelisk auf dem mißglückten Kölner Hinterhof des Bahnhofs wird eher lächerlich wirken als ironisch, aber meinetwegen, wenn ich zwischen Obelisk und Blumenbeet an dieser Stelle wählen müßte, ich würde auch ersteren wählen.

    Ein paar Politiker haben aber Sicherheitsbedenken geäußert: Wenn die langen Gelenkbusse ungelenk durch den Kreisverkehr bugsiert werden, könne der Obelisk Schaden nehmen, sogar umfallen und so Menschenleben gefährden. Dafür habe ich eine Lösung: Zum Schutz des Obelisken und der Passanten muß man den Kreisverkehr einfach für Kraftfahrzeuge sperren. Das wäre dann ein Gesamtkunstwerk „Stiller Kreisverkehr mit Obelisk“ und entbehrte wirklich nicht mehr der Ironie. Voilà – bitte 20.000 Euro auf mein Konto.

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  3. Ehrlich gesagt bin ich nicht begeistert, keine Bäume, keine Bänke, eine kahle Fläche (wenn Du oben auf den link klickst, erfährst Du genaueres). Aber im Vergleich zum vorherigen Chaos natürlich besser.

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  4. Also, ich schlage einen Hubschrauberlandeplatz vor. Kostet nur ein bisschen Farbe und könnte von Fall zu Fall nützlich sein, ohne dass die Ironie deswegen ganz auf der Strecke bleibt. Man könnte dieses Kunstwerk ja dann „Vor(aus)sicht“ nennen.

    Typisch ist wieder, dass Architekten (und eben auch Künstler, die sich im öffentlichen Raum verwirklichen) immer in solchen Traumszenarien arbeiten. Guck Dir Dein Foto, und guck dir dieses Entwurfsbild an! Hab ich das schon mal geschrieben (?): In einem Gespräch mit jungen Architekten gaben diese zu, dass die Modelle immer viel schöner sind und die fertiggestellten Bauten, und dass dies wohl an der wundervollen Menschenleere und Autofreiheit liegt. Daraufhin habe ich vorgeschlagen, sie sollten doch ihre Ideen mit Hilfe einer Art von Wimmelbildern ausprobieren. Den Vorschlag fanden die gut.

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  5. Fun Fact über Obelilsken: der größte der Welt steht in Washington DC, wurde 1884 fertiggestellt und war dann 5 Jahre das höchste Gebäude der Welt, bis der Eiffelturm fertig war. Vorher stand das höchste Gebäude der Welt in Köln – der Dom. Womit sich der Kreis schließt. Hammer, Kreis, Kreisverkehr.

    Zur neuesten Kölner Attraktion fällt mir ein: ist das Kunst, oder kann das weg? Und – was genau will man uns nu damit sagen…? |-|

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  6. Super Idee, der Hubschrauberlandeplatz. Vielleicht kann man den irgendwie mit dem Obelisken kombinieren? Denn der muß ja nun irgendwo hin … ah, ich weiß: Der Obelisk wird einfach in die Erde versenkt, oben kommt eine Platte drauf – fertig, alle sind zufrieden: Die Bank, weil sie mal wieder ganz ungestraft 100.000 Euro versenkt hat, die Künstlerin, weil sie mit einer uralten Idee alle Beteiligten über den Tisch gezogen hat, die Stadtratsmitglieder, weil sie sich nun nicht vorwerfen lassen müssen, sie hätten keinen Sinn für moderne Kunst, alles ist unglaublich toll ironisch – und einen neuen Hubschrauberlandeplatz haben wir auch noch!

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  7. Ah, danke. Dieser hier soll bloß popelige 9 Meter bekommen, also keine Gefahr für den Dom.

    Ja, Kunst, darf nicht weg. Obelisken, habe ich gerade gelesen, stellten im alten Ägypten die steingewordenen Strahlen des Sonnengottes Re dar – vielleicht erhofft man sich etwas mehr Glanz in dieser unwirtlichen Bahnhofshinterhofumgebung. Außerdem will die Künstlerin zeigen, wie leicht es ist, eine alte künstlerische Idee mit einer neuen Begründung („urbanes Chaos“) zu versehen und sie für 100.000 Ocken an ahnungslose Bankbeamte zu verhökern. Sehr gesellschaftskritisch – und ironisch.

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