Abendbummel am Rhein

Samstag war an einem kleinen Stück des Rheinufers wieder mal Rummel – klein nur, jede Menge Freß- und Trinkbuden, Verkaufsstände mit Lederwaren, Plüschtieren und was in China sonst noch so hergestellt wird – und eine Fotobude.

Das ist mal was Neues: Interessenten können historische Gewänder überstreifen und sich fotografieren und ein Sepia-Bild ausdrucken lassen. Das scheint beim Publikum sehr gut anzukommen, das Gelächter am Stand ist groß (wer will: Das Bild in Farbe).

Wenn man nach ein paar Bieren die Bühne mit furchtbarer Musik und dichtgedrängtem Volk hinter sich gelassen hat, läuft man am Rande der Altstadt mit ihren (gefühlten) tausend beleuchteten Restaurants mit gut besuchten Außenterassen entlang, bis es hochgeht zum Heinrich-Böll-Platz …

… am Museum Ludwig, das um diese Uhrzeit schon geschlossen hat. Im Café poliert noch jemand das Besteck und wartet darauf, das die letzten Gäste endlich ihre Gläser leeren. Unter dem Platz ist übrigens die Philharmonie, aber zu Zeit läuft keine Aufführung, sonst wäre der Platz nämlich gesperrt.

Ein paar Schritte weiter steht an der Südseite des Doms der neue Petrusbrunnen – was heißt hier neu, eigentlich ist er von 1870, hat aber die letzten 11 Jahre im Depot verbracht. Damals wurde er nach einer Spende von Königin Augusta aufgestellt, allerdings zuerst ohne Wasserleitung, später mit nur geringem Wasserdruck. Der Volksmund erfand schnell einen passenden Namen: „Drüjje Pitter“ (trockener Peter), dem er offensichtlich auch heute noch entspricht … vielleicht ist die Wasserleitung aber auch nur in den Abenstunden abgestellt, ich habe gelesen, daß Netcologne sponsort.

Gay Games

In Köln finden zur Zeit die „Gay Games“ statt. Ursprünglich sollten sie „Gay Olympics“ heißen, aber das IOC war dagegen, man könnte da ja was verwechseln – also … äh … nichts gegen Homosexuelle, aber das …

Seit 1982 finden die Spiele alle vier Jahre statt, nach Amsterdam (1998) zum zweiten Mal auf europäischem Boden. Es gibt keine Teilnehmerbeschränkungen, aber auch keine nationalen Qualifikationen – in mindestens sieben Ländern wird Homosexualität mit dem Tode bestraft, in weiteren 75 steht sie unter Strafe. In diesem Jahr nehmen rund 10.000 Sportler aus 65 Nationen teil.

Die Stadt gibt sich tolerant, Köln ist angeblich die heimliche schwul-lesbische Hauptstadt Europas mit großer Szenekneipendichte und anderen Treffpunkten (die Straße oben sieht normalerweise so aus). Tolerant – und sehr erfreut über die Kaufkraft der erwarteten 1 Millionen Besucher, der „Kaufhof“ hat extra sexy Unterwäsche geordert (kein Scherz). Eine Parfüm-Kette hat einen neuen Duft kreiert: ‚Eau Mo pour gay‘, der riechen soll (Zitat) „wie ein ungemachtes Bett“. Ein Supermarkt bietet eine größere Auswahl an Sektmarken an und – hört, hört – sogar einen Wein eines schwulen Winzerpaars … weiß doch jeder, Schwule achten auf Qualität (und alle Deutschen essen ständig Sauerkraut mit Eisbein).

Bahnhofsvorplatz

Erstaunlich, wie lange diese fantasievollen Figuren in der Sonne stehen können, ohne sich zu regen. Erst, wenn jemand eine Münze in das Kästchen wirft, verbeugen sie sich kunstvoll. Aber wenn ein Kind etwas möchte, machen sie auch mal eine Ausnahme.

Richmodstr.

Karl hatte es gereicht! Gut, er hatte selbst geschrieben, daß jede Theorie immer wieder kritisch hinterfragt werden muß, da auch Ökonomen und Philosophen immer nur die Kinder ihrer Zeit sind, aber das, was diese größenwahnsinnigen Despoten dann daraus gemacht hatten – das war einfach völlig widersinnig! Also lieh er sich von seinem Freund Friedrich etwas Geld und eröffnete in seiner Heimatstadt, in der er auch schon mal eine Tageszeitung herausgegeben hatte, eine Weinstube. Alte Weggefährten warfen ihm Verrat vor, Flucht in die Bürgerlichkeit („Phhh – als wenn ich jemals schon woanders gewesen wäre“, dachte er), aber genug ist genug, jetzt sollten die anderen mal ‚ran – er würde nur noch gemütlich in seinem Lokal sitzen, Weine verkosten und in seinem Lichtenberg lesen.

Tatsächlich gibt es den Namen „Marx“ überdurchschnittlich oft – er belegt den 140. Platz der häufigsten Namen, ca. 34.550 Einwohner Deutschlands tragen ihn. Der Erzbischof von München heißt auch Marx, Reinhard Marx, und sein Namensvetter Karl würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er wüßte, daß der sich nicht entblödet hat, auch ein Buch mit dem Titel „Das Kapital“ zu schreiben.

Wer wissen möchte, wie häufig sein Nachname in Deutschland vorkommt und in welcher Gegend besonders oft, kann hier nachschlagen.

Werbetafel in der U-Bahnstation Neumarkt

Über 260 Millionen Fahrgäste befördern die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) jedes Jahr, haben aber bloß 100 festangestellte Kontrolleure, das heißt, daß jeder Kontrolleur (Urlaubszeit und Wochenenden abgerechnet) ca. 13.684 Personen am Tag kontrollieren müßte, um eine Erfolgsquote von 100% beim Einfangen der Schwarzfahrer zu erreichen. Das schaffen die natürlich nicht – allein schon das Aufschreiben der Personalien, die überflüssigen Diskussionen („Meine Fahrkarte hat sich in Luft aufgelöst, echt jetzt!“) usw. verhindern einen effizienteren Einsatz des Personals.

Ein enttarnter Schwarzfahrer bringt 40 Euro ein, aber ob das eingenommene Geld den Einsatz von 100 Festangestellten abdeckt, ist fraglich, besonders, seitdem die Hauptbevölkerungsgruppe, aus der sich die Schwarzfahrer vermutlich vornehmlich rekrutierten, seit einigen Jahren weggebrochen ist: Die über 66.000 Studierenden in Köln haben ein Semesterticket, können also gar nicht mehr schwarzfahren, selbst wenn sie wollten. Um die Arbeitsplätze der Kontrolleure zu garantieren wäre also ein Aufruf notwendig: „Bürger! Fahrt öfter schwarz!“, aber die Gewerkschaften zieren sich, und die solidarische Bereitschaft der Bevölkerung, sich nun auch öfter mal erwischen zu lassen, hält sich in Grenzen.

Was tun? Der Königsweg ist die Erhöhung der Einträge bei gleichzeitiger Verringerung der Ausgaben: Man stellt studentische Aushilfskräfte ein! Für gut 10 Euro/Stunde dürfen die nun in den Abendstunden auf Jagd gehen und dabei noch ihre sogenannten „soft skills“ trainieren, also ihre sozialen Kompetenzen, die in der freien Wirtschaft ja angeblich eine immer größere Rolle spielen sollen: Wer verhält sich auffällig und ist ein möglicher Kunde, unabhängig von seiner Zahlungsfähigkeit? Wenn man später in seinem Beruf seinen Vorgesetzten bei passender Gelegenheit Dinge erzählen will, die man über KollegInnen herausgefunden hat, ohne dabei unfreundlich zu werden, kann man bereits hier die Voraussetzungen dafür erlernen, denn beiden Tätigkeiten haftet ja etwas DenunziatorischesDiplomatisches an. Und man kann auch schon mal eine gewisse höfliche Rücksichtslosigkeit trainieren, um einen Kunden von der Richtigkeit der eigenen Argumente zu überzeugen.

Taktisches Geschick wird erworben, wenn mal wieder ein U-Bahnzug in einem Tunnel anhält, um den Kontrolleuren Gelegenheit zu geben, wirklich alle Gäste zu kontrollieren, oder strategische Fähigkeiten bei folgender Übung: Alle Fahrgäste werden in Geiselhaft genommen und dürfen die Bahn erst dann verlassen, wenn sie einen gültigen Fahrausweis vorgezeigt haben – wieviele Kollegen sind notwendig, um das durchzuführen?

„Studieren und Kontrollieren!“ ist also praktisch eine Win-Win-Situation, jeder profitiert. Jetzt müssen sich bloß noch einsichtige Fahrgäste finden lassen, die ihr Portemonnaie mal zu Hause lassen – vielleicht könnten Hartz-IV-Empfänger sich hier endlich mal nützlich zeigen.

Brunnen auf der Domplatte

Falls jemand wissen will, was der Weihnachtsmann im Sommer macht: Urlaub, und zwar in Köln. Er bläst mit Vorliebe in so eine blöde Fußballtröte, schwenkt ein Fähnchen beim public viewing, und zwischen den Spielen baggert er junge Mädchen an, die sich im Brunnen abkühlen, der alte SackSchwerenöter. Oder junge Männer – das Foto entstand zur CSD-Zeit.

Innenstadt

Ein Auflauf – was machen diese Leute da? Ist was passiert, soll ich den Krankenwagen rufen? Nur, wenn er ein paar Psychologen an Bord hat: Die Leute tauschen Panini-Bildchen mit den Porträts von Fußballspielern … nein nein, das sind keine Kinder.

Kindlich bunt war es auch auf dem diesjährigen CSD, der in Köln drei Tage dauert und der größte Europas ist …

… und spielen konnte man hier auch.

Burghöfchen

Das Burghöfchen – riesige alte Kastanien spenden Schatten in einem kleinen Hof, in dessen Mitte leise ein kleiner Brunnen plätschert, während man am Rand unter der Markise eines kleinen Cafés sitz und ein Gläschen gekühlten Weißwein trinkt und die Flaneure beobachtet, die neugierig aus der Toreinfahrt kommen und überrascht die ruhige Atmosphäre des kleinen Platzes wahrnehmen … das sind jedenfalls die Bilder, die ich vor Augen habe, wenn ich diesen Namen höre.

Tatsächlich sieht das Burghöfchen in Köln so aus:

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Appellhofplatz

Nanu – Kopf in den Nacken – was steht denn da? Ein Kettentext:

„Hommage den Soldaten die sich weigerten zu schießen auf die Soldaten die sich weigerten zu schießen auf die Soldaten die sich weigerten zu schießen auf die Menschen die sich weigerten zu töten die Menschen die sich weigerten zu töten die Menschen die sich weigerten zu foltern die Menschen die sich weigerten zu foltern die Menschen die sich weigerten zu denunzieren die Menschen die sich weigerten zu denunzieren die Menschen die sich weigerten zu brutalisieren die Menschen die sich weigerten zu brutalisieren die Menschen die sich weigerten zu diskriminieren die Menschen die sich weigerten zu diskriminieren die Menschen die sich weigerten auszulachen die Menschen die sich weigerten zu diskriminieren den Menschen der Solidarität und Zivilcourage zeigte als die Mehrheit schwieg und folgte …“

Seit letztem Jahr steht das Denkmal für die Kölner Deserteure im 2. Weltkrieg direkt neben dem Justizgebäude, in dem sie von den Nazi-Richtern zum Tode verurteilt wurden.
Ludwig Baumann, überlebender Deserteur und Mitglied der Jury zur Auswahl des Denkmals: „Wir haben nach dem Krieg ja gedacht, unsere Handlung würde anerkannt werden, aber wir sind nur als Feiglinge, als Kriminelle, als Verräter beschimpft und bedroht worden, bis wir an diesem Staat verzweifelt sind … Die Richter haben nach dem Krieg Karriere gemacht. Sie sind aufgestiegen bis zu Bundesrichtern. Sie haben die Nachkriegsrechtsprechung entscheidend mitgeprägt … Hätten sie uns rehabilitiert, hätten sie wohl befürchten müssen, selber angeklagt zu werden. Nicht einer ist bestraft worden. Wir aber waren bis 2002 vorbestraft.“
(Quelle)

Gestaltet wurde das Denkmal von Ruedi Baur, Denis Coueignoux, Vera Kockot und Karim Sabano.

Domplatte (am Rand)

Ich glaube ja nicht, daß ein Kölner darauf hereinfällt, deswegen steht diese Maschine extra in einer Gegend, wo viele Touristen durchkommen: Ein Geldvernichtungsautomat! Man steckt ein 1-Euro- und ein 5-Cent-Stück in den kleinen Schieber, drückt ihn hinein in das Gerät, kurbelt einmal kräftig, und voilà – der Euro ist fort, und das 5-Cent-Stück soweit zerstört, daß es als Zahlungsmittel nicht mehr zu gebrauchen ist. Wunderbar! – die Touristen stehen davor und klatschen vor lauter Freude in die Hände, Geld vernichten macht Spaß. Solche Vorrichtungen gibt es übrigens auch für Geldscheine, man nennt sie „Börse“ oder auch „Bank“.