Altstadt

Ein Schnaps, der so heißt, ist ein ganzjähriger Karnevalsscherz: Wie bestellt man den? „Hallo, Fräulein, einmal Ficken, bitte!“ (tätäää!) Zu blöd, daß man es sich ausdenken würde, aber trotzdem Wirklichkeit. Und tatsächlich gibt es ein Milieu, in das der Schnaps hineinpaßt:

Das Altstadtfest auf dem Heumarkt. Diese Willy-Millowitsch-Parodie läßt einen sexistischen Witz nach dem anderen vom Stapel. Die Leute amüsieren sich nicht anders wie schon vor 50 Jahren über die Schlüpfrigkeiten. Als er fertig ist, gibt es Schunkellieder im 4/4-Takt, deren Banalität und Stumpfsinn hoffentlich nicht auf den Geisteszustand der Zuhörer schließen lassen.

Immerhin: Ein Kinderkettenkarrussell „wie vor hundert Jahren“, wenigstens etwas Gestriges, das nicht so abstoßend ist – die Kinder freut’s.

Zweimal um die Ecke, und man findet auch in der von Touristen überfluteten Altstadt schöne Plätze …

… wo man gemütlich im Schatten alter Bäume ein kühles Bier trinken kann.

Wieder mal im Dom

Wie jetzt – die Leute campieren jetzt im Dom? Rucksack, Campingstühle, alles dabei? „Wenn jetzt jemand mit Kölschstangen vorbeikäme …“, sagte meine durstige Begleiterin. Hätte ich auch begrüßt, vielleicht noch ein paar Brezel. Gestern gab’s Musik im Dom. Jedes Jahr im Sommer werden an 12 Dienstagen Orgelkonzerte gegeben. Organisten aus der ganzen Welt werden eingeladen, für jeweils eine Stunde mit eigenen und alten Werken die Domorgel zu bespielen. Der Eintritt ist frei, deshalb ist es ratsam, mindestens eine halbe Stunde vorher da zu sein.

Die Orgelempore. Der Organist spielte diesmal drei Eigenkompositionen, außerdem je ein Stück von Bach und Franck. Die modernen Stücke erinnerten teilweise an Begleitmusik für einen Film, in dem ganz ganz schreckliche Sachen passieren. Das Gute daran: Die Orgel wurde richtig ausgelastet und konnte in diesem monströsen und zugleich großartigen Gebäude zeigen, was in ihr steckt. Am Ende waren wir allerdings etwas erschöpft. Zwischendurch das Stück von Bach: Der entschädigt für alles.

Dom-Shop

Kein Scherz, das gibt es wirklich: Ein Bischofs-Quartett!

Hm – wie man das wohl spielt? Beim Autoquartett ist das ja klar, man verteilt die Karten, und wer auf seiner oben liegenden ein Auto mit 12 Zylindern oder einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h hat, gewinnt meistens. Und die Bischöfe? Anzahl der Soutanen oder Predigten? Wer hat die schärfsten Strafen nach Beichten vergeben?

„Heiliger Sankt Florian / Verschon‘ mein Haus / Zünd‘ andre an!“ – das nennt man das St.-Florians-Prinzip. Und damit das auch passiert, verschenkt man unter Katholen Kerzen an ‚liebe‘ Mitmenschen, auf denen St. Florian abgebildet ist? Selbst wenn der Beschenkte vorsichtig ist, weiß er, was der andere ihm an den Hals wünscht. Subtil.

Geistiger Beistand, das ist es natürlich, was viele Leute von der Kirche erwarten. Falls das nicht klappt, hält der „Dom-Shop“ eine Alternative bereit: Geistiges aus Obst. Zuviel davon führt zu Kopfschmerzen und Überdruß, aber das ist bei der Kirche ja auch nicht anders. Allerdings schmeckt der Obstler besser.

Parken, Haushalt etc.

Die Stadt Köln hat inzwischen 4,3 Milliarden Euro Schulden angehäuft, und jedes Jahr kommen neue dazu. In diesem Jahr ist das Haushaltsloch 242,5 Millionen Euro groß, und damit man nicht in ein Haushaltssicherungskonzept, dem sogenannten Nothaushalt, rutscht, muß zumindest ein Teil davon eingespart werden. Nothaushalt, das bedeutet, daß nicht mehr die Stadt selbst, sondern eine übergeordnete Behörde über die Ausgaben bestimmt.

Sparen, sparen, sparen, koste es, was es wolle – Ende Mai legte die Verwaltung das Resultat ihrer Überlegungen vor: Die Parkgebühren in der Innenstadt werden um 50% erhöht. Eine Stunde Parken kostet dann nicht mehr 2 Euro, sondern 3. Man reibt sich die Hände: 1 Millionen bringt das, und heißt es nicht, die erste ist immer die schwerste?

Weiter geht’s: Kitas ausbauen, Brücken und Tunnel reparieren, Museen renovieren? Wird alles aufs nächste Jahr verschoben, wenn wir wieder reich sind. Jugendhilfe, Anlaufstelle für Drogenabhängige: Alles Quatsch, brauchen wir nicht, junge Leute und Drogenabhängige sind selbst Schuld, woran auch immer. Und die Unterstützung von Kulturfestivals ist auch überflüssig, Kultur ist Privatangelegenheit.

Ein sehr großer Brocken sind die Leistungen für Unterkunft und Heizung von Hartz-IV-Beziehern, aber auch hier hat man eine umwerfend einfache Lösung gefunden, mit der man allein in diesem Bereich 4,5 Millionen Euro einsparen kann: Die Betroffenen sollen besser in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden! Das war’s auch schon! Und damit das funktioniert, hat man bereits mit dem Job-Center (früher Arbeitsamt) eine entsprechende „Zielvereinbarung“ getroffen. Mehr muß man in diesem Bereich nicht tun. Genial! Ein Modell, das Schule machen sollte.

Aber weil nun immer noch Geld fehlt, hat die Verwaltung einen wahren Coup gelandet: Ab sofort sollen alle Lehrer ihre Autos, mit denen sie zur Arbeit fahren, nicht mehr umsonst direkt an ihrem Arbeitsplatz abstellen können. Peng! Das bringt auch nochmal mindesten 12,49 Euro.

All diese Sparmaßnahmen reduzieren die Neuverschuldung um 32,5 Millionen Euro. Zur Erinnerung: Zur Zeit läßt die Stadt mit Steuergeldern das Flora-Gebäude in altem Gewand neu auferstehen, damit die „KölnKongreß GmbH“ eine weitere schöne „Location“ erhält, bis jetzt veranschlagte Kosten: 36 Millionen Euro.

Wenn das alles nicht so klappt mit dem Sparen, sollte man meiner Meinung nach nicht verzweifeln: Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn jemand anders unseren Haushalt regelt als unsere Stadtverwaltung.

Quelle: Kölner Stadtanzeiger, 19./20.5.12

Neumarkt

Es ist in der Großstadt immer ratsam, den Blick dahin zu wenden, wo man seine Füße als nächstes hinsetzt, denn es gibt immer noch genug Leute, die die Hinterlassenschaften ihrer Hunde nicht beseitigen – absolut widerlich, wenn man da hineintritt. Die Aufforderung, den Blick auch mal zu heben, ist nicht dumm …

… denn was hat man davon, wenn man an der nächsten Rechts-vor-links-Kreuzung überfahren wird? Die Grabsteininschrift: „Seine Schuhsohlen waren stets frei von Hundekacke“? Aber mal abgesehen von der Unsicherheit im Straßenverkehr durch ständig gesenkten Blick …

… entgehen einem natürlich auch die Sehenswürdigkeiten der Stadt. St. Aposteln ist eine der 12 großen mittelalterlichen romanischen Kirchen in Köln und für Leute mit architektonischem Interesse einen Besuch wert. Sie wurde um 1200 errichtet. Die zugemauerte Tür rechts neben der Marienfigur führte übrigens direkt auf die römische Stadtmauer, die damals noch hier verlief. Bald darauf wurde sie aber abgerissen und im Zuge der mittelalterlichen Stadterweiterung eine neue Mauer gebaut, von der man heute noch hier und da Reste besichtigen kann.

Stollwerck-Passage

Wenn man von der Hohe Str. durch die Stollwerck-Passage Richtung Rhein geht, kommt man nicht nur an der Früh-Brauerei mit seinen 1500 Sitzplätzen für Touristen aller Nationen vorbei, sondern vorher schon an einer meist weniger beachteten Figur:

„Gaea II“ von Gerhard Marcks. Die Skulptur wurde in den 80ern dort aufgestellt, vielmehr ihre erste Version. Die wurde einfach im Jahr 2005 von der Stollwerck AG abgeflext mit dem Ziel, sie versteigern zu lassen, obwohl die Eigentumsrechte umstritten waren, denn in der Verwaltung war man der Meinung, die Skulptur gehöre der Stadt. Die Raffgier der Stollwerck AG erregte große Empörung und sorgte über die Stadtgrenzen hinaus für schlechte Presse, so daß man die Figur ein paar Monate später zerknirscht der Stadt zurückschenken wollte. Zu spät: Inzwischen hatte die Imhoff-Stiftung (Imhoff war der vorherige Besitzer der Stollwerck-Fabrik) einen neuen Abguß der Figur gespendet, die Dombauhütte baute einen neuen Sockel, und die Stollwerck AG hatte die Blamage. Die alte Figur steht inzwischen im Rosengarten des Rheinparks. Auch ein schöner Platz. Übrigens: Gaea oder Gaia ist in der griechischen Mythologie die Personifizierung der Erde. Von ihr stammen fast alle griechischen Götter ab.

Fronleichnam

Gestern war in NRW ein Feiertag, Fronleichnam. Die katholische Kirche feiert die Transsubstantiation, also die Verwandlung von pappigem Brot und billigem Prädikats- Wein in den Leib und das Blut der Gründungfigur ihrer Religion, was dann beides mit Ehrerbietung verzehrt wird. Die Katholen bestehen darauf, daß das nicht etwa nur symbolisch gemeint sei, nein, die Verwandlung ist eine echte, und wer das nicht glaubt, tja, der … äh, weiß auch nicht, fliegt raus oder so. Himmel, wer denkt sich ein solches Zeug aus? Jedenfalls wird das alles mit unglaublichem Aufwand gefeiert, ein Stück des verwandelten Brotes wird in einem kostbaren Gefäß, der sogenannten Monstranz, unter einem Baldachin, der von vier Leuten gehalten wird, durch die Gegend getragen, und alle laufen hinterher. Da hat man natürlich keine Zeit, sich um die notleidenden Schäfchen zu kümmern, die direkt vor der Türe liegen.

Am Hof

Ich weiß nicht mehr genau, wofür dieses Schaufenster wirbt: Türen? Sessel? Koffer? Ach nein, ich glaube, es sind niedliche Hunde – aus Plastik. Die schmutzen nicht und sind in der Ernährung äußerst günstig. Das Gebell läßt sich durch einen Bewegungsmelder regeln, Einbrecher werden also auch weiterhin abgeschreckt. Beim Gassigehen entstehen keine großen braunen Haufen, dafür klappert es leicht, wenn man den Hund auf dem Bürgersteig hinter sich herzieht, aber ich bin sicher, daß man da mit kleinen Rädern noch nachbessern kann. Und damit das Tier sich nicht einsam fühlt, kann man seine kleine Familie problemlos erweitern – mit einem Blechpapagei zum Beispiel, der die verschiedensten Geräusche wiedergeben kann, unter anderem eine Rede der Bundeskanzlerin, egal welche, das macht sowieso keinen großen Unterschied (besonders hübsch: Die Röttgenentlassung, die sorgt immer für allgemeine Heiterkeit).

Engel vorm Dom

Der eine Engel signalisiert, man solle ihn anrufen – würde ich ja gern machen, wenn ich mal in Not bin, aber wie ist die Nummer? Wenn man „Engel“ bei der Telefonauskunft eingibt im Ort Himmelreich, bekommt man ein paar Treffer: Das Himmelreich ist offenbar ein Stadtteil von Wilhelmshaven. Das ist kaum zu glauben, wenn man diese Stadt schon mal besucht hat – die Wilhelmshavener mögen mir verzeihen, aber ich habe bisher kaum eine häßlichere Stadt gesehen, rein äußerlich jetzt, und das will was heißen, wenn man in Köln wohnt. Aber auf die inneren Werte kommt es schließlich an, ich bin sicher, auch in Wilhelmshaven gibt es ein paar versteckte gemütliche Orte. Diesen schönen Cafégarten in Köln z.B. findet auch kein Tourist, es sei denn, er besucht zufällig das Filmhaus in der Maybachstr. – im Himmelreich kann es auch nicht viel anders aussehen.