Oh jee – Samen Grun hat (an dieser Stelle) dichtgemacht.
Aber das Bläserforum gegenüber hat noch geöffnet. Schließlich sind wir in Köln.
Schreck laß nach! – schon wieder einer? Vom Pech verfolgt, diese Familie …
Nein, das ist eine alte Ausgabe, als die Zeitung noch 10 Pfennig kostete. Dieses Ereignis zählt zu meinen frühesten Erinnerungen, wenn mein Gedächtnis mir keinen Streich spielt und mir Bilder vorgaukelt, die ich erst später imaginiert habe: Ich, viereinhalb Jahre alt, war gerade aufgestanden und betrat das Wohnzimmer, wo meine Mutter weinend neben dem Radio hockte, aber versuchte, sich zu fassen, als sie mich sah. Ich fragte, was los ist, und sie sagte: „Kennedy ist tot.“ Ich ahnte, daß das schlimm ist, aber in erster Linie war ich verwirrt: Wieso war meine Mutter traurig darüber, daß einem Mann, den wir nicht weiter kannten, etwas passierte, was ich auch nicht richtig verstand?
Auf den ersten Blick habe ich das so verstanden, daß bereits zu 80 Prozent der Frühling da ist – weit gefehlt, über die Hälfte der Witterung erscheint mir doch noch sehr winterlich. Aber wie heißt es in dem Gedicht „Hoffnung“ von Emanuel Geibel:
„Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muß d o c h Frühling werden.“
Samstag würde mir passen. Spätestens Sonntag.
PS: Von Blogfeundin maranaz3 geklaut, das ganze Gedicht kann man hier im 1. Kommentar lesen.
Ein 50-köpfiger Chor irgendeiner christlichen Sekte singt fromme Lieder – nicht sehr schön, aber der Wille zählt. „Jesus ist auferstanden“, steht auf dem Aktenkoffer. Aha. Und – wo ist er? Hier jedenfalls nicht, vielleicht gerade unterwegs, auf Geschäftsreise oder Tournee, man weiß es nicht. „Jesus Christus, deine einzige Chance“, steht auf einem Banner, aber der Herr links will sich lieber nicht darauf verlassen und bittet um eine milde Gabe. An den richtet sich der missionarische Eifer der zumeist jungen Sängerinnen ja auch gar nicht, es geht nicht ums Materielle, Essen und so’n Quatsch, sondern um die gottlosen Seelen der Satten, die es zu retten gilt. Die, die Hunger schieben und frieren – tja, da kann man nichts machen. Und noch ’n Lied, zwo, drei, vier …
Ostern, da gibt es Papst satt im Fernsehen. Die Medien sind ja sowieso schon ganz besoffen von diesem neuen Franziskus, weil er aussieht wie ein netter Opa, der der versammelten Gemeinde zum Mittag einen guten Appetit wünscht. Na bravo, sowas hatte man schon länger nicht mehr, da spende ich auch gern vier Heiligenscheine. Allerdings ist er nicht weniger erzkonservativ in Sachen Sex und Frauen als seine Vorgänger, aber was soll’s, hauptsache er lächelt gütig.
Die Hasen stehen derweil vor der Speisekarte und preisen ihre Keulen an, aber so richtig will das Geschäft mit der Außengastronomie nicht laufen. Ein paar unermüdliche Raucher lassen sich von den Temperaturen knapp über Null aber nicht abschrecken.
Ich versuche ja immer sehr zurückhaltend zu fotografieren, auf dem Trödel „Lifestyle-Markt“ hat mich nun doch jemand zurechtgewiesen: „Normalerweise fragt man, wenn man fotografiert!“ Was nicht stimmt, normalerweise frage ich nie. „Aber wir sind hier in der Öffentlichkeit“, antwortete ich. Sie: „Das ist aber MEIN Eigentum!“ „Wenn Sie IHR Eigentum in die Öffentlichkeit stellen, müssen Sie damit rechnen, daß man es sieht und fotografiert“, widersprach ich – nicht, sondern schwieg einfach, denn ich wollte auf keinen Fall eine Eskalation. Außerdem meinte sie ja eigentlich folgendes: „Ich bin heute mitten in der Nacht aufgestanden, habe in aller Früh den Stand aufgebaut und für teuer Geld gemietet, hocke hier schon seit Stunden bei ein paar Grad über Null und friere mir den Arsch ab, kaum Besucher, kein Schwein kauft was, und da kommst du kleiner Wichser und verwandelst meine sorgsam polierten Waren mit deinem Apparat in Fotomotive?! Und was habe ich davon?!“ Und vielleicht hätte ich geantwortet: „Der Warenwert entfremdet den Menschen sowieso von den Produkten seiner Arbeit und seiner Kreativität, er hat Fetischcharakter …“ – dann hätte sie das Bild (unten) nach mir geworfen und mir hinterhergeschrien, solche Sauereien bräuchte sie sich nicht auch noch unterstellen zu lassen usw. Gut, daß ich rechtzeitig meinen Mund gehalten habe.
Tatsächlich hatte ich es genau auf dieses Bild abgesehen, eine Dame vor einem Spiegel.
Retro-Stil ist total in. Ich blättere auch gern in Abbildungen alter Stiche von Kölner Vorkriegansichten, oder Postkarten aus den Anfangszeiten der Fotografie.
Da sieht man mich sitzen, wie ich ganz vertieft bin … okay, geschwindelt, daß ist ein Händler, der wahrscheinlich prüft, ob was von Wert dabei ist.
Und wertvoll kann alles sein: Wer geschickt ist, bastelt da wieder Körper dran, und schon hat man zwei echte neu-alte Puppen. Was man dann damit macht? Keine Ahnung. Sammeln?
Ich interessiere mich nicht für Mode, und wahrscheinlich verstehe ich auch nichts davon. Aber diese Farben passen einfach nicht gut zueinander, sie beißen sich. Wäre ich ein bildender Künstler, würde ich sie vielleicht doch zusammen verwenden, nämlich wenn ich den Bestrachter erschrecken wollte. Aber das kann doch kaum das Motiv von Modedesignern sein, die doch Kleider für die Stange entwerfen, also für den Massenverkauf.
Aber gut, die Geschmäcker sind verschieden, ich kann es kaum jemandem verbieten, in Farben herumzulaufen, die einem Kindergeburtstag alle Ehren machen würden – Kinder lieben es ja schreiend bunt und haben noch keine Ahnung davon, welchen ästhetischen Schrecken sie damit verbreiten können.
Was mich allerdings wundert, ist, daß alle Bekleidungsfirmen und -geschäfte diese Geschmacksverirrung gleichzeitig mitmachen, als hätten sie sich verabredet. Setzen die Manager der jeweiligen Frühlingskollektionen sich in Indien, China und Bangladesh – wo ja die meisten dieser Klamotten zu Billigstlöhnen hergestellt werden – zusammen und beschließen, in einer konzertierten Aktion pinkfarbene Jeans und grellgelbe Tops auf den Markt zu werfen?
Wenn ich mich in den Straßen umsehe, scheinen kaum Frauen sich dem Diktat der Geschmacklosigkeit zu beugen, was aber an der noch zu kalten Witterung liegen kann. Ich sehe den warmen Tagen mit Bangen entgegen.
Wenn es kalt ist und dunkel in der Kölner Altstadt, kann man sich ungefähr vorstellen, wie im Mittelalter die Stimmung in den Straßen war – vorausgesetzt, man denkt sich jede Menge Müll hinzu und die Neonlichter weg: Enge und schummrige Gassen, menschenleer und unheimlich. Im Sommer schlendern hier Tag und Nacht Touristen durch und machen Lärm.
Bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts gab es hier weder Straßenschilder noch Hausnummern. Straßenbezeichnungen gab es durchaus, allerdings hatten sie halboffiziellen Charakter, schließlich mußte, wenn ein Hausverkauf vertraglich geregelt wurde, der Ort des Hauses genau bezeichnet werden. Die Bezeichnungen richteten sich oft nach markanten Punkten, also Kirchen, Handwerksbetrieben oder wohlhabenden Familien: Seidmacherinnengäßchen, Unter Taschenmacher, Kaygasse (nach den Herren von Keye) usw. findet man heute immer noch.
Erst im Jahre 1785 kam der Stadtrat auf den Gedanken, daß eine Beschilderung vielleicht hilfreich sein könnte: „In mehreren Städten ist es hergebracht, daß die sämtlichen Häuser mit Nummern und Straßen mit einer anzeigenden Vorschrift [d.h. mit einem Straßenschild] bemerkt sind, die hieruntige Befolgung ist in hiesiger Stadt um so nöthiger, als dieselbe känntlich einestheils sehr weitläufig ist, und es anderntheils an Beispielen nicht gebricht, daß Fremde lings und zwerch herum irren und ihren Aufenthaltsort nicht ausfindig machen können; diesem wär inzwischen bald abgeholfen, wenn löblicher Mittwochsrentkammer die sämtliche Häuser mit Nummern, so wie die Straßen mit einer anzeigenden Vorschrift zu bemerken der Auftrag zuginge.“
Lings und zwerch (also kreuz und quer), das war der Mittwochsrentkammer (so nannte man damals die städtische Finanzverwaltung) ganz egal, sie dachte gar nicht daran, dafür Geld auszugeben, auch nicht, als der Auftrag vier Jahre später wiederholt wurde. Kann es sein, daß heute immer noch dieselben Leute in Rat und Amt sitzen?
Erst als die Franzosen unter Napoleon 1795 die Stadt besetzten, wurde für Ordnung gesorgt: Alle Häuser wurden durchgezählt und entsprechend beschriftet (das Haus 4711 kennt noch heute die ganze Welt), erst später kamen Straßennamen und die straßenweise Zählung hinzu. Das Motiv der Franzosen war allerdings nicht die Erleichterung touristischer Orientierung, sondern entsprang in erster Linie dem Bedürfnis nach Überwachung: „[…] die Polizey wird durch ihn in den Stand gesetzet in einer kurzen Uebersicht des Rechtschaffenen und des Ausschweiffers seinen Aufenthalt-Ort zu übersehen und die nöthige Obsorge mit größerer Bequemlichkeit zu halten; durch ihn wird auch der gröste Vortheil des Staats Intresse bei vielen Vorfällen befördert.“ (Zitate nach Signon/Schmidt, s. rechts)
Der Name „Auf dem Rothenberg“ entstand so: An einem Ende der Straße befand sich das Haus der Familie Rothenburg, das sich durch seine herausragende Höhe besonders gut als Wegmarke eignete.
Das Wetter ist schlecht, der Himmel grau, der Winter länger, als erwartet – da gehen mir so langsam aktuelle Fotos aus, demnächst zeige ich euch olle Kamellen aus dem letzten Sommer. Aber diese Kirche (wie heißt die nochmal …) hatte wir noch nicht, oder? Jedenfalls stehe ich hier auf dem Heinrich-Böll-Platz, unter dem sich die Philharmonie befindet, was wir hier schon mal gesehen haben. Und das Gebäude im Vordergrund ist das Museum Ludwig mit seinem Café. Wenn man darin sitzt und hinausguckt, sieht das so aus.
Die Hohe Straße (Betonung auf Hohe), die die meisten Besucher Kölns als erstes betreten, sobald sie den Dom passiert haben, ist eine der ältesten Straßen der Stadt. Sie war bereits Teil der römischen Heeresstraße entlang des Rheins von Bonn nach Norden Richtung Xanten vor 2000 Jahren. Gut, streng genommen liegt die ursprüngliche Straße 5,5 Meter tiefer unter der jetzigen Oberfläche, hat sich halt jede Menge Schutt angesammelt wärend der Jahrtausende, aber der Verlauf ist immer noch der selbe. Im Mittelalter war sie die einzige Steinstraße der Stadt, was darauf hinweist, daß hier die eher wohlhabenden Bürger wohnten.
In der frühen Neuzeit, also seit ca. 1500, stand wahrscheinlich auch hier der Müll knöcheltief in den Straßen, da die Bewohner alles, was sie nicht mehr brauchten, aus dem Fenster warfen. Ihren Namen bekam die Hohe Straße erst durch die Franzosen Anfang des 19. Jahrhunderts: Rue Haute nannten sie sie, wahrscheinlich, weil es von ihr zum parallel verlaufenden Rhein abwärts geht. Im 2. WK wurde die Bebauung fast komplett zerstört. Die Stadtplaner hatten danach keinen großen Sinn für einheitliche Neubebauung, was der Straße bis heute ihr häßliches Gesicht verleiht. 1967 war sie eine der ersten Fußgängerzonen Deutschlands, pro Stunde laufen (angeblich) ca. 10.000 Menschen hindurch (gemessen an einem Samstag 2011 zwischen 13 und 14 Uhr).
Dem Besucher, der mit der Bahn kommt und nicht nur touristische Highlights abklappern, sondern einen Eindruck von der Stadt bekommen möchte, empfehle ich genau das: Man geht am Dom los und dann für eine bis anderthalb Stunden immer geradeaus. Wenn man die hektische Hohe Straße hinter sich hat, geht es weiter über die Hohe Pforte und Waidmarkt zur Severinstr., an der auch das eingestürzte Stadtarchiv stand, die aber im weiteren Verlauf das lebendige, vielfältige Zentrum des Severinsviertel bildet. Wenn man die Severinstorburg am Chlodwigplatz durchschritten hat, geht es weiter auf der Bonner Str. in der Südstadt, Cafés, Kneipen, türkische Imbisse, Italiener etc. bestimmen hier das Bild. Je weiter man läuft, desto unwirtlicher wird es, schließlich landet man am Verteilerkreis, wo die Autobahn 555 Richtung Bonn beginnt, deswegen biegt man besser vorher, am Anfang der Bonner Str., in eine der kleinen abzweigenden Straßen ein, hier lernt man die Stadt von einer ihrer schöneren Seite kennen.
Das folgende Foto der Hohe Straße habe ich bereits 1895 geknipst. (Quelle: Mit der Maus über das Bild gehen)