Wenn es kalt ist und dunkel in der Kölner Altstadt, kann man sich ungefähr vorstellen, wie im Mittelalter die Stimmung in den Straßen war – vorausgesetzt, man denkt sich jede Menge Müll hinzu und die Neonlichter weg: Enge und schummrige Gassen, menschenleer und unheimlich. Im Sommer schlendern hier Tag und Nacht Touristen durch und machen Lärm.
Bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts gab es hier weder Straßenschilder noch Hausnummern. Straßenbezeichnungen gab es durchaus, allerdings hatten sie halboffiziellen Charakter, schließlich mußte, wenn ein Hausverkauf vertraglich geregelt wurde, der Ort des Hauses genau bezeichnet werden. Die Bezeichnungen richteten sich oft nach markanten Punkten, also Kirchen, Handwerksbetrieben oder wohlhabenden Familien: Seidmacherinnengäßchen, Unter Taschenmacher, Kaygasse (nach den Herren von Keye) usw. findet man heute immer noch.
Erst im Jahre 1785 kam der Stadtrat auf den Gedanken, daß eine Beschilderung vielleicht hilfreich sein könnte: „In mehreren Städten ist es hergebracht, daß die sämtlichen Häuser mit Nummern und Straßen mit einer anzeigenden Vorschrift [d.h. mit einem Straßenschild] bemerkt sind, die hieruntige Befolgung ist in hiesiger Stadt um so nöthiger, als dieselbe känntlich einestheils sehr weitläufig ist, und es anderntheils an Beispielen nicht gebricht, daß Fremde lings und zwerch herum irren und ihren Aufenthaltsort nicht ausfindig machen können; diesem wär inzwischen bald abgeholfen, wenn löblicher Mittwochsrentkammer die sämtliche Häuser mit Nummern, so wie die Straßen mit einer anzeigenden Vorschrift zu bemerken der Auftrag zuginge.“
Lings und zwerch (also kreuz und quer), das war der Mittwochsrentkammer (so nannte man damals die städtische Finanzverwaltung) ganz egal, sie dachte gar nicht daran, dafür Geld auszugeben, auch nicht, als der Auftrag vier Jahre später wiederholt wurde. Kann es sein, daß heute immer noch dieselben Leute in Rat und Amt sitzen?
Erst als die Franzosen unter Napoleon 1795 die Stadt besetzten, wurde für Ordnung gesorgt: Alle Häuser wurden durchgezählt und entsprechend beschriftet (das Haus 4711 kennt noch heute die ganze Welt), erst später kamen Straßennamen und die straßenweise Zählung hinzu. Das Motiv der Franzosen war allerdings nicht die Erleichterung touristischer Orientierung, sondern entsprang in erster Linie dem Bedürfnis nach Überwachung: „[…] die Polizey wird durch ihn in den Stand gesetzet in einer kurzen Uebersicht des Rechtschaffenen und des Ausschweiffers seinen Aufenthalt-Ort zu übersehen und die nöthige Obsorge mit größerer Bequemlichkeit zu halten; durch ihn wird auch der gröste Vortheil des Staats Intresse bei vielen Vorfällen befördert.“ (Zitate nach Signon/Schmidt, s. rechts)
Der Name „Auf dem Rothenberg“ entstand so: An einem Ende der Straße befand sich das Haus der Familie Rothenburg, das sich durch seine herausragende Höhe besonders gut als Wegmarke eignete.
aber hallo, ähnliches habe ich in einer dokumentation auf phönix gesehen und erklärt bekommen.
wie straßennamen und nummern entstanden sind.
allerdings möchte ich nicht im mittelalter leben, so als hexe würde ich schon morgen brennen.
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Nee, Mittelalter wäre auch nichts für mich, wer kann da die Dusche reparieren, wenn die mal kaputt ist, der Kaffee wird nicht fair gehandelt, Emails dauern zwei Wochen mindestens, und auch auf die Straßenbahn ist kein Verlaß. Gut, das ist heute immer noch so, aber ein bißchen besser wenigstens wird es sein. 😉
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Zu diesem schönen Beitrag kann ich eine Darstellung beisteuern, abgedruckt in einer Ausagbe Die Zeit von 1990:
Von Napoleon stammt ja auch die Nummerierung nach geraden und ungeraden Nummer je Starßenseite sowie die Zählung von der Stadtmitte aus, was die Orientierung enorm erleichter. In Berlin scheint es dagegen kein System zu geben, weshalb ich da schon mehrmals eine Straße lang geirrt bin und niemand konnte mir sagen, ob die Nummern aufsteigen oder absteigen.
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Oha, ich dacht schon „Durch was für sinistre Gassen streift V. denn da?“ xD
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Danke, für Lob und Bild!
Ja, stimmt, vom Chlodwigplatz aus gehen alle Hausnummern nach außen, das ist wirklich gut. In Berlin laufen die Nummern auf der einen Seite hoch, am Ende der Straße wechseln sie die Seite und steigen dann in der entgegengesetzten Richtung weiter an, Nummer 1 und die letzte Hausnummer liegen also gegenüber, sehr verwirrend. Um die Laufrichtung anzuzeigen, ist auf dem Nummernschild oft ein Pfeil angebracht. Als ich das das erste Mal sah, dachte ich: Nummer 98, Pfeil nach links, muß also ein Haus weiter sein. Als ich dann dort irgendwo klingelte, um nach meinem Freund zu fragen, kannte man den Namen natürlich nicht, ich fragte ja auch in Haus Nummer 99.
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Da braucht man keine Angst vor Räubern zu haben: Das ist denen viel zu kalt, hier auf jemanden zu warten.
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interessante abhandlung. mir erzählte ein japanreisender vor ein paar jahren, dass es in tokyo bis heute keine richtigen stadtpläne gibt etc.
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Und wie findet man sich da zurecht? „Bei den Reisköchinnen rechts, dann bis zum Pagodenplatz.“ Und in ein paar Jahren heißen die Straßen dann so.
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gute frage — ich habe grad mal ein wenig rumgelesen, inzwischen scheint es aber sogar englische straßenschilder zu geben 🙂
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