Rathausturm

Im Figurenprogramm verdienstvoller Kölner am Rathausturm findet man auch diesen bärtigen Herren (s. unten): Karl Marx, der zwar 1818 in Trier geboren wurde, aber einige Zeit in Köln gelebt hat. Für ein halbes Jahr (1842/43) war er Chefredakteur der „Rheinischen Zeitung“, die dann von der preußischen Regierung verboten, zur Revolution 1848 aber als „Neue Rheinische Zeitung“ wiederbelebt wurde. Wie die Revolution selbst hatte auch diese Zeitung kein langes Wirken und wurde ein Jahr später ebenfalls verboten, Marx ging abermals ins Exil.

Angesichts der Entwicklungen auf dem Finanzmarkt wird ja heute gern in den Feuilletons die Frage aufgeworfen, ob Marx nicht doch Recht hatte mit seiner Betrachtung des Kapitalismus. Das geht natürlich völlig am Kern vorbei: Es geht ja nicht um Meinungen für oder gegen Marx, sondern um die Analyse dessen, was der Kapitalismus ist und wie er auf die Gesellschaft wirkt. Und um das zu beurteilen, braucht man sich doch nur anzusehen, was im Namen der Profitmaximierung mit der Umwelt und den Menschen gemacht wird.

Dazu die Philosophieprofessorin Rahel Jaeggi in einem Interview: „Eigentlich will er sagen: Der Kapitalismus führt doch zu Lebensformen, die ihr bei klarem Kopf nicht akzeptieren könnt. Er macht euch zu zweckrational, er formt Charaktere, die am Nutzen orientiert sind, die auch ihre eigenen sozialen Verhältnisse gar nicht mehr angemessen verstehen können, weil sie sie nur als abhängig von einem Gegenstand verstehen können, geprägt, gemacht durch einen Gegenstand, nämlich durch das Kapital […].“

So sieht der Rathausturm übrigens von mittlerer Nähe aus (hier habe ich schon mal die lustige Geschichte der Figuren erzählt):

EDIT: Der Herr oben ist gar nicht Karl Marx, sondern der Komponist Max Bruch. Verd… die sehen sich aber auch ähnlich …

EDIT 2: Da ist er, der mit der Zeitung in der Hand. Näher kommt man leider nicht heran.

Hohenzollernbrücke

Über die inzwischen Tausende Liebesschlösser im Zaun der Hohenzollernbrücke habe ich ja schon öfter berichtet – selten zeigen sich romantische Rituale so deutlich als Massenphänomen wie hier. Völlig unromantich dagegen ist oft die Wirklichkeit hinter Ritualen: Jedes Jahr werden weltweit mehr als 10 Millionen Mädchen und Frauen unter 18 Jahren zwangsverheiratet.

Darauf hinzuweisen ist Zweck der „Initiative gegen Zwangsheirat“ der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. Die blauen Schlösser bildeten ursprünglich den Schriftzug „Free the Forced“ nach dem Titel der Aktion. Wer sie unterstützen möchte, bekommt ein kleines Geschenk dafür: Man kann mit einem Smartphone den QR-Code auf einem Schloß einscannen und spendet damit automatisch 5 Euro, die einem per Telefonrechnung abgebucht werden. Im Gegenzug erhält man die Nummern für das Zahlenschloß gesimst, das man dann öffnen und mitnehmen kann.

Ehrenstr.

Das Buchhandelsterben geht weiter: Nach dem angekündigten Ende der Kochbuchhandlung (von der ich erst neulich hier berichtete), schließt nun der Zweitausendeinsverlag und -buchhandlung seine Läden. Eine Ära geht zu Ende – allerdings, wie ich gerade gelesen habe, bereits seit 2006. Angefangen hat Zweitausendeins als reiner Versandhandel, günstige Remittendenexemplare wurden in einer flippig aufgemachten und aus Dünndruckpapier hergestellten Broschüre angeboten, bald kamen eigene Erzeugnisse und Schallplatten zu unschlagbaren Preisen dazu. Für mich und meine Freunde – und überhaupt Menschen in unserem Alter, die in der miefigen Provinz lebten – war das eine Offenbarung, in dem kleinen Städtchen wurde das „Merkheft“ genannte Werbeheft wie ein kleiner Schatz weitergereicht, und dann tat man sich zusammen und gab eine Sammelbestellung auf. Nicht wenige Leute hatten die gesammelten Werke von Brecht, Marx & Engels oder die Gesamtausgabe der Zeitschrift „Akzente“ in ihrem Bücherregal stehen. Charles Bukowski, Robert Crumb, Boris Vian, FW Bernstein, Eckhard Henscheid und etliche Schriftsteller mehr fanden erst durch Zweitausendeins einen größeren Bekanntheitsgrad.

Später, als die Politbücher nicht mehr so gut liefen, beherrschten eine zeitlang Esoterikbücher das Angebot, Kornkreise und solche Sachen, aber irgendwann normalisierte sich das wieder, und die wenigen Läden, die es in einigen Großstädten gab, waren immer einen Besuch wert. Nun also wieder nur als Versandhandel, ich scheue mich nicht, dafür Werbung zu machen: Ein sehr gutes Angebot von Filmen auf DVD, günstige CDs und eine ausgesuchte Auswahl guter Bücher findet man hier immer noch wie sonst nirgendwo:
http://www.zweitausendeins.de/

Heumarkt

„Aber das Barocktor muß erhalten bleiben – und zwar so, daß man durchgehen kann!“, hatte man beim Bauamt dem Bauherren vermutlich ins Gewissen diktiert. Vielleicht hätte man sich doch besser den Bauplan zeigen lassen. Und hinterher hatte natürlich niemand Schuld.

Seidenmacherinnengäßchen, Ecke Heumarkt

Schon 1163 stand hier ein anderes Haus. Ah ja! Das scheint wichtig zu sein, denn das steht da an der Wand. 1568 wurde an dieser Stelle ein neues gebaut, im Renaissancestil, in dem dann im Jahr 1920 ein Johann Zims die Kneipe „Zum Sankt Peter“ eröffnete. Wir erinnern uns: Das war der erste Papst, der nach seinem Tod als Pförtner weiterarbeiten mußte, weshalb er immer (wie auch hier) mit einem Schlüssel dargestellt wird. Ob er auch gern einen getrunken hat, weiß man nicht. Während der Bombenangriffe 1943 blieb außer der Fassade nicht viel übrig von dem Gebäude, aber gleich nach dem Krieg wurde es wieder aufgebaut.

Heute ist „Gilden im Zims“, wie der Name nun lautet, ein Kneipenrestaurant im Brauhausstil am Rande der Altstadt, also in der Touristeneinzugszone, bis zu 1000 Gäste sollen hier gleichzeitig hineinpassen. Ob hier jemals Bier gebraut wurde, war nicht zu erfahren, jedenfalls tut man so, und die Speisen sind entsprechend deftig kölsch: Himmel und Aäd (Blutwurst mit Apfelkompott und Kartoffelpüree), Bratwurst, Schnitzel, Steak, aber auch ganz zeitgemäß Salate und ein vegetarisches Gericht. Man höre und staune: Ich habe hier neulich den besten Sauerbraten meines Lebens gegessen! Gut, an die anderen beiden Male kann ich mich kaum erinnern, aber egal, er war auf jeden Fall sehr gut.

Der Gewölbekeller wurde erst Mitte des letzten Jahrzehnts entdeckt und ausgebaut, er soll sogar auf römischen Fundamenten stehen. Es ist nicht immer so leer wie auf diesem Foto, der Bereich ist für irgendein Fest gebucht. Mein Fall ist es ja nicht, im Keller zu essen, aber jeder wie er mag.
Doch, hier kann man hingehen, jedenfalls besser, als in eine der vielen Touristenfallen direkt in der Altstadt.

Seidmacherinnengäßchen

Die Straße in der Altstadt ist nur ca. 65 Meter lang, hatte aber dennoch bis 1986 gleichzeitig zwei Namen: Unter Seidmacher und Seidmachergäßchen. Kurz vorher war dem frisch gegründeten Kölner Frauengeschichtsverein aufgefallen, daß es gar keine Seidmacher gab, sondern nur Seidmacherinnen, die im Mittelalter die Tätigkeit des Seidestickens ausübten.

Das war so: Kurz nach Adam und Eva Nachdem die Bürgerschaft im Jahr 1288 die Herrschaft der Erzbischöfe in Köln endgültig gebrochen hatte (hier habe ich davon erzählt), lag die Macht in den Händen der Ratsherren, die sich aus den Kreisen der Patrizier rekrutierten, also den wohlhabenden Familien, die sich für was Besseres hielten. Man kennt sich, man hilft sich, das war in Köln schon immer so, so blieb man bei den Geschäften unter sich und wurde dabei immer reicher und fetter, zu Lasten aller anderen.

Das paßte den anderen Bürgern natürlich nicht besonders, und so nutzten sie 1396 die Gunst der Stunde, als sich Patrizierfamilien in den Haaren lagen, die alten Machtverhältnisse ganz abzuschaffen. Es wurden sogenannte „Gaffeln“ gebildet (benannt nach einer zweizinkigen Gabel, die bei Festlichkeiten benutzt wurde), insgesamt 22 Verbünde von Handwerkerzünften und Kaufleuten, aus deren Reihen nun die Ratsherren gewählt wurden. Bettler, Henker, Frauen u.a. waren natürlich nicht zugelassen, aber es gab einträchtige Handwerke, die nur von Frauen gemacht wurden – tja, ein Problem. Man löste es einfach, indem man ihnen die Bildung einer eigenen Zunft zugestand, aber nicht die Zugehörigkeit zu einer Gaffel. Und so kam es, daß die Hut- und Seidenstickerinnen eine Zunft mit ausschließlich weiblichen Mitgliedern bildeten, das gab es außer in Paris sonst nirgends. Die Seidmacherinnenzunft war sehr erfolgreich, um 1500 gab es kein erfolgreicheres kölnisches Exportgut als ihre Erzeugnisse.

Wen es interessiert, kann hier beispielhaft die Geschichte der Meisterin Fygen Lutzenkirchen nachlesen.

Perlenpfuhl

Ein Pfuhl ist eine Art Tümpel, in den oft Jauche eingeleitet wird. Kein angenehmer Ort also, „feuriger Pfuhl“ wird bei Luther sogar synonym für Hölle benutzt (Dank an Wikipedia). Das namensgebende Haus Perlenberg am Anfang der Straße gibt es schon lange nicht mehr.