Keine Ahnung, wieviele Zimmer dieses Hotel hat, aber wenn ein Doppelfenster zu einem Zimmer gehört, müssen es viele sein. Auf der Homepage steht, die Fenster seien schalldicht – das ist auch nötig, denn als ich das Foto machte, stand ich auf Gleis 11 des Hauptbahnhofs, wo täglich mindestens eine Millionen Züge abfahren, und rechts in Sichtweite liegt der Busbahnhof. Dafür kann man sicher sein, daß man von vielen, vielen Leuten gesehen wird, wenn man sich halbnackt ins Fenster stellt.
Schlagwort: Altstadt Nord
Brüsseler Str.
Auf den ersten Blick ein ganz normales Foto – gut, nicht besonders schön fotografiert, es ist ja auch von Google Streetview. Aber was ist das?
Ein Portal! Einer erscheint gerade, mit frisch gefüllter Tasche, der andere verschwindet, sehr geheimnisvoll. Menschen gehen scheinbar ins Nichts. Menschen? Wer weiß, wer da ein und aus geht und wohin …
„Dead men don’t wear plaid“ (Tote tragen keine Karos) heißt ein bekannter Film, der wahrscheinlich eine (bisher) esoterische Weisheit verballhornt, tatsächlich muß es heißen: Plaid men are not dead (Karomenschen sind nicht tot) – eine uralte Überlieferung eines Phänomens, daß zuerst in Schottland beobachtet wurde (plaid=Schottenmuster!), wo schon vor Jahrhunderten plötzlich Menschen auf unerklärliche Weise verschwanden. Inzwischen hat sich das Phänomen weltweit ausgebreitet. Wer kennt das nicht, daß jemand sagt: „Ich geh‘ mal eben Zigarretten holen“, und taucht dann nie wieder auf. Hat man eigentlich mal überprüft, ob diese Verschollenen am Tag ihres Verschwindens ein Karohemd trugen? Das soll natürlich nicht heißen, daß alle Karoträger und Schotten Außerirdische sind, es kann ja auch sein, daß sie aufgrund des Karomusters von dem Portal gleichsam verschluckt worden sind und sich plötzlich in einer Parallelwelt befinden. Oder auf einem anderen Stern. Daß wir von Außerirdischen unterwandert sind, ist ja schon lange klar, die geben sich nur nicht zu erkennen, weil es nicht unwahrscheinlich ist, daß wir sie schlachten würden, um sie zu verspeisen. Von Elvis wird ja z.B. gesagt, er sei gar nicht tot, sondern nur nach Hause gegangen („Men in Black I„), und von Michael Jackson wird das auch gern behauptet. Ich halte das für eine Übertreibung, reines Wunschdenken der Fans. Wenn man Kreaturen sehen will, denen Menschliches fremd ist, muß man sich die Nachrichten ansehen, Berichte aus dem Bundestag zum Beispiel, oder eine Doku über die „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“.
Es kann natürlich auch sein, daß ich mich in einer „Truman Show„-Situation befinde und zufällig den mit Spiegeln kaschierten Ein- und Ausgang der Statisten entdeckt habe. Das würde erklären, daß ich nicht besonders gern verreise – schon seit meiner frühesten Kindheit wurde mir das vielleicht verleidet. Und das würde auch erklären, wieso ich eigentlich nicht das verdiene, was ich verdiene, denn nur ungern schauen Zuschauer dauerhaft einem reichen Popel zu, wie er sein Geld ausgibt. Aber ganz ehrlich? Ich als (unbewußter) Hauptdarsteller einer Life-Doku? Unwahrscheinlich, das ist einfach zu langweilig, wie ich jeden Tag zur Arbeit gehe, esse, lese, schlafe – wer sollte sich das ansehen? Wenn ich Teil einer „Truman Show“ bin, dann als Statist, der nicht weiß, daß er einer ist – also kaum ein Unterschied zum richtigen Leben.
Hm – ich glaube, ich kaufe mir doch mal so ein Karohemd …
Minoritenstr. / Vogelsanger Str.
Diese geisterhafte Gestalt soll Johann Adam Schall von Bell sein – vielleicht hat der Künstler Werner Stötzer dem Umstand Rechnung getragen, daß er nur seine ersten 15 Lebensjahre in Köln verbracht hat. Dann, im Jahre 1607, schickte ihn seine einflußreiche Familie nach Rom, wo er Mathematik, Astronomie und Theologie studierte und dem Jesuitenorden beitrat. Im Alter von 26 Jahren reiste er mit ein paar Kollegen nach China, um die dortige Einwohnerschaft zu missionieren. In Peking war man gar nicht amüsiert, hatte man doch gerade erst die letzte Truppe von Missionaren des Landes verwiesen. Aber Berufs-Katholen sind hartnäckig, also ließen Schall von Bell und seine Mitreisenden sich in der winzigen protugiesischen Kolonie Macao direkt an der chinesischen Küste nieder und hofften auf bessere Zeiten. Die ließen auf sich warten, stattdessen kamen die Niederländer und wollten die Kolonie für sich haben. Dank der Missionare – sie reparierten vier alte Kanonen und waren auch sonst kämpferisch hilfreich – konnte der Angriff abgewehrt werden, was wiederum die Chinesen neugierig machte. Sie luden die Gruppe ein.
In den folgenden Jahren beeindruckte Schall von Bell seine Gastgeber nicht nur mit seinen mathematischen und astronomischen Kenntnissen, sondern er reformierte auch den chinesischen Kalender und leitete die Produktion von hundert Kanonen. Tja, diese Jesuiten, sehr vielseitig. Sein Ansehen stieg dermaßen, daß er als Lehrer und Berater des Kaisers Shunzhi zum Mandarin 1. Klasse ernannt wurde, d.h. zum einem höchsten Staatsbeamten. Kurze Zeit, nachdem der Kaiser gestorben war, erlitt Schall von Bell, inzwischen 72 Jahre alt, einen Schlaganfall, der ihn zwar nicht umbrachte, aber sein Sprachvermögen stark beeinträchtigte. Seine höfischen Gegner nutzten das aus, intrigierten gegen ihn, und am Ende eines Prozesses wegen Hochverrats fiel das ungerechte und denkbar ungünstigste Urteil: Zerstückelung des Körpers bei vollem Bewußtsein. Das wünscht man seinem ärgsten Feind nicht. Aber dann, wenige Tage vor der Vollstreckung – das Leben ist manchmal unwahrscheinlicher als ein Hollywood-Drehbuch – ereignete sich ein Erdbeben, was die Richter für ein Omen hielten, worauf sie Schall von Bell freisprachen. Anderthalb Jahre später starb er ganz normal an seinem Alter.
Und weil sich alles so schön anhört, diese kölnisch-chinesischen Geschichten von damals, führen Politiker und Funktionäre anläßlich des China-Jahres in Köln und NRW den Namen Schall von Bell gern im Mund.
Worüber sie aber nicht gern reden, sind die Ereignisse um den „Platz des Himmlischen Friedens“ im Jahr 1989, als studentische Demokratisierungsbemühungen ein paar Tausend Menschen das Leben kostete. Und auch im Westen, so findet man, schadet ein immer wieder erneutes Aufwärmen dieser unerfreulichen Dinge den Geschäften: Billigwaren aus China verschaffen auch hiesigen Firmen einen Gewinn, den man nur ungern durch ungemütliche Kritik gefährden will (außerdem sind in demokratischen Ländern die Löhne höher, was die Produkte verteuert, aber pssst!).
Das Graffito ist in diesem Jahr von „Amnesty International“ in Auftrag gegeben worden, ein zweites sieht man hier (letztes Bild).
Gefühle, eruptiv
„Köln ist ein Gefühl“ – diesen Wahlspruch hat man hier so gern, daß man ihn sogar auf Souvenirs druckt, und der wahre Kölner fängt sogleich (zumindest innerlich) an zu schunkeln.
Wenn man sich seinen Gefühlen überläßt, spielen andere Erwägungen oft keine Rolle mehr, die Vernunft, sofern überhaupt vorhanden, wird abgestellt – für einige unserer städtischen Beamten unbedingtes Qualitätsmerkmal ihrer Entscheidungen.
Ich hatte hier ja bereits erzählt, daß die Kölner seit diesem Jahr eine Erhöhung der Grundsteuer von 3% zu bezahlen haben. Mit dem Geld sollte der Winterdienst der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) verbessert werden, angesichts des Chaos, das im Vorjahr geherrscht hatte, eine dringend notwendige Maßnahme. Für die Mehrkosten wurde den Bürgern sogar versprochen, daß die AWB sich nun auch endlich um verschneite und vereiste Bushaltestellen kümmern würde, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen, hier aber nicht. Als der Winter dann weder Schnee noch Eis bescherte, erhielten die Einwohner ihr zuviel gezahltes Geld zurück … kleiner Scherz, natürlich hat man es für anderes ausgegeben.
Nun hat vor ein paar Wochen die Umweltdezernentin in sich hineingehorcht, was da so brodelt in ihr, und ohne lange nachzudenken eruptierte sie eine Idee, die sie sogleich der Öffentlichkeit ans Herz legte: Auch in Zukunft müßten die Bürger die verschneiten Bushaltestellen selbst räumen, da ja die Mitarbeiter der AWB im letzten milden Winter gar keine Möglichkeiten hatten, zu üben. Üben? Schneeschippen und Salzstreuen? Moment moment – jetzt nicht denken, einfach mal nachfühlen … das ist doch wirklich zu schade, fühlte es in der Umweltdezernentin, wenn wir das Geld, das wir jetzt woanders eingesetzt haben, in diesem und den nächsten Jahren eventuell seinem eigentlichen Zweck zuführen müssten – dann fehlt das doch an der anderen Stelle! Und das Schönste ist: Da die Kollegen von den AWB ja auch in diesem Jahr wieder nicht üben können, wenn die Anwohner verpflichtet werden, müssen im nächsten Jahr wieder die Bürger selbst … genial!
Breite Str.
Wer noch ein Schmuckaccessoir für seine 40-50-m²-Wohnung sucht, wird hier fündig: So ein Elefant erschreckt garantiert jeden nächtlichen Einbrecher, wenn er seine Taschenlampe darauf richtet. In diesem Möbelgeschäft gibt es überwiegend Waren aus Asien, aber auch der Liebhaber indianischer Figurenkunst kann hier fündig werden, wie man sieht. Vintage-Möbel gibt es hier massenhaft, die sind ja schwer in, also kleine Schränkchen und Kommoden, die aussehen, als hätte der Lehrling in der Restaurationswerkstatt mitten im Abschleifen der alten Farbe die Lust verloren. Der Ausdruck „Kevin-Möbel“ hat sich aber nicht durchgesetzt. Der Trick ist: Man setze den Preis etwas höher an als bei den normalgestrichenen, schon glauben die Leute, das sei etwas Besonderes. Geschickt!
Äh … ja. Spielende Pferde. Die kann man ruhig ins Kinderzimmer stellen, und wenn die Kinder irgendwann genauere Fragen dazu haben, weiß man, daß es Zeit ist für ein ernstes Gespräch.
Roncalliplatz
In Abenteurfilmen aus den 60ern, die in Afrika spielen, stehen die Eingeborenen gern in Baströckchen am Rand eines Flugplatzes, stampfen zur Trommelmusik rhythmisch mit den Füßen, geben unverständliche Laute von sich und stoßen ab und zu die Faust, die ein Speer umklammert, in die Luft – man hat den Eindruck, das sei tagtäglich ihre Hauptbeschäftigung. Ja, denkt der Zuschauer, so sind sie, die Afrikaner, wild, aber zur Zeit einigermaßen gebändigt, und gar nicht unmusikalisch. (Währenddessen landet ein zweimotoriges Flugzeug, aus dem in Khakianzügen gekleidete Europäer und Amerikaner steigen, Tropenhelm auf dem Kopf, das Gewehr schon mal schußbereit im Arm: Es geht auf Safari, halali! – aber das nur nebenbei).
Daran mußte ich neulich denken, als ich auf dem Roncalliplatz die chinesische Zeltstadt besuchte. In Köln ist nämlich zur Zeit China-Jahr, man feiert das 25-Jahr-Jubiläum der Städtepartnerschaft Köln-Peking. Und die Chinesen, das weiß ja jeder, leben in knallroten Zelten oder Papphäusern mit Wänden aus Papier, überall hängen Drachentiere und rote Ballons.
In der China-Oper, die alle Chinesen von morgens bis abends besuchen müssen, spielen und singen sie eine Musik, die dem westlichen Ohr arg fremd ist, dafür tanzen und turnen sie aber so artistisch, daß es eine Freude ist. Und zum Essen gibt es „Leis mit Hühnelfleisch und Sojasplossen“ – nee, diese Chinesen, was für ein putziges Volk!
Das können wir auch, haben sich die Kölner gedacht: Lustig sein, und schicken die „Höhner“, eine (hauptsächlich) Karnevals-Band, auf die Bühne, die auf chinesisch „Viva Colonia“ singt. Die „Höhner“ waren sogar schon zweimal in Peking, man erinnere sich gut an sie, so heißt es. Die Chinesen glauben nun, das, was die „Höhner“ da von sich geben, sei allgemeines deutsches Liedgut – ich kann nur hoffen, daß das nicht eines Tages zu internationalen Verwicklungen führt, die nicht wiedergutzumachen sind.
Die Politiker, voran Oberbürgermeister Roters und die Ministerpräsidentin von NRW Hannelore Kraft, sind natürlich froh: Allein in Köln gibt es 200 chinesische Firmen, knapp 800 in NRW, und vermutlich werden es immer mehr – China ist im Kommen, wirschaftlich gesehen, die viel beschworene „gelbe Gefahr“ wird gebannt, indem man sie umarmt. Aber was ist, wenn sie zurück umarmt?
Worüber man nicht gern allzu laut redet, ist die Tatsache, daß China eine Diktatur ist: Rede- und Pressefreiheit gibt es nicht, Behördenwillkür ist an der Tagesordnung, Folter, Unfreiheiten, Internetzensur, abhängige Klassenjustiz, Ungerechtigkeiten aufgrund ethnischer Zugehörigkeit usw. sind gesellschaftsbestimmende Phänomene, die – jawohl! – auch angesprochen werden. Nur nicht zu laut, und nicht zu oft. Das Geschäft könnte darunter leiden.
Das haushohe Graffito des geknebelten Dalai Lama ist von „Amnesty International“ in Auftrag gegeben worden, rechts oben steht: „Reden ist Silber, Schweigen ist China.“ – es ist zu befürchten, daß sich deutsche Politiker nur zu gern ein Beispiel daran nehmen.
Am Wochenende
Sommerzeit in der Großstadt ist Märktezeit, jedenfalls an den Wochenenden. Die vielen Viertel der Stadt (von denen gibt es übrigens, oh Wunder, viel mehr als vier) wechseln sich mit ihren Straßenfesten ab, die aber meist recht unerquicklich sind: Freß- und Saufbuden im Wechsel mit Kinderbespaßung und Verkaufsständen der ansäßigen Geschäfte, die die Gelegenheit nutzen, ihren Plunder auch mal am Sonntag feilbieten zu können. An sich könnte das trotzdem eine ganz nette Atmosphäre geben, wenn nicht unter Garantie irgendwo eine oder mehrere Musikanlagen lautstark Kölschmusik plärren würde. Das macht es wirklich unerträglich.
Im Schatten der Apostelnkirche dagegen ein beschaulicher Keramikmarkt.
Alles natürlich ziemlich teuer, echte Handarbeit hat ihren Preis.
Ein Aussteller hatte ein Schild an seinem Stand mit einem durchgestrichenen Fotoapparat. Die chinesische Produktpiraterie wird aber auch wirklich immer unverschämter.
Auch sehr teuer sind die Waren auf dem nahen Neumarkt, auf dem, seinem Namen zum Trotz, ein „Antikmarkt“ veranstaltet wird. Viel Porzellan und Besteck ist im Angebot, das nicht mit Schönheit, sondern mit Alter protzt – „antik“ ist vielleicht etwas übertrieben, aber wir wissen, was gemeint ist.
Tee wie im englischen Königshaus gefällig? Bitte schön, my dear – mit 260,00 Euro ist man dabei.
Ein gut sortierter Bücherstand, allerdings auch hier verhältnismäßig hohe Preise: Für ein gebrauchtes Buch den halben Originalpreis zu verlangen, das finde ich ziemlich happig. Allerdings, das gebe ich gern zu, muß man den Standpreis auch irgendwie wieder hereinholen: Ein fertiger, überdachter 4-m²-Stand kostet für zwei Tage 140,00 Euro, und mit dem Platz kommen viele nicht aus.
Ob nur zur Belustigung oder zum Verkauf: Ich weiß es nicht, aber der alte Mercedes stand da so herum. Als Kind habe ich dieses Auto bewundert, das reinste Schiff. Mein Vater konnte sich leider nur einen popeligen Käfer leisten. Hey – auf der Rückbank sitzt sogar einer …
„Antikmarkt“ – gut und schön. Aber die Beifahrermumien könnte man doch sicher würdevoller unterbringen!
Auf der Domplatte
Die Gegend um Dom und Hauptbahnhof ist im Sommer voller Touristen und Einheimischer, die Zeit haben. Das lockt Künstler an, die ein gutes Geschäft machen können, wenn sie gut sind, die Leute geben gern, wenn sie beeindruckt sind, wie von diesen gelenkigen Artisten.
Die Musik ist oft von ganz erstaunlicher Qualität. Laien sind das bestimmt nicht.
Auch dieser junge Mann: Schnell und perfekt spielt er irgendwas von Mozart. Die Dame in Rot im Hintergrund habe ich schon mal gesehen:
Eine „Living Doll“, die eine Flamenco-Tänzerin darstellt: Sobald jemand Geld in die Dose wirft, führt sie für 5 Sekunden einen furiosen Kastagnetten-Tanz auf, bevor sie wieder in dieser Haltung erstarrt. Allein so zu verharren ist eine Kunst.


