Berliner Luft (6): Berlinische Galerie

Zwei Selbstbildnisse, beide vom selben Maler: Kein Mensch hat Max Beckmann wohl so oft als Modell gedient, wie er selbst. Zwischen den beiden Bildern liegt nicht nur der 1. Weltkrieg, sondern auch eine gewandelte Auffassung der Bildgestaltung – beides, so die allgemeine Ansicht, stehe durchaus in einem gewissen Zusammenhang.

Beckmann, 1884 geboren, war zu Beginn seiner Laufbahn ein konservativer Snob. 1904 bis 1914, also in seinen 20ern, machte er sich in Berlin, dem kulturellen Zentrum Deutschlands, schnell einen Namen. Seine Vorbilder waren Max Liebermann und Lovis Corinth, die in impressionistischer Weise malten, neuere Entwicklungen jedoch lehnte er als zu plakativ ab.

Franz Marc, wie hier zu sehen, die anderen deutschen Expressionisten, Kubisten wie Picasso, Fauvisten wie Matisse, Abstraktionisten wie Kandinsky, also alle, die heute als die herausragenden Künstler der klassischen Moderne gelten, riet er, in die Werbung zu gehen: „Warum machen die Leute nicht überhaupt einfach Zigarettenplakate?“

Ein Künstler jedoch wurde auch von ihm bewundert: Der Norweger Edvard Munch (1863-1944), der unter den Malern seiner Zeit schon zu Lebzeiten legendär war und als einer der Begründer moderner Malerei überhaupt angesehen werden kann. Oben rechts ist eine Trauergesellschaft dargestellt, eine Szene, die Beckmann von Munch übernommen hat. Links hängt zum Vergleich eine Tuschezeichnung von Munch zu folgendem, eigentlichen Referenzbild (das die Ausstellungsmacher sich wohl nicht ausleihen konnten), wie ich vermute :

Zu Edvard Munch gibt es folgende Anekdote:
1904, Beckmann war also 20 Jahre alt, wohnte er für kurze Zeit in Paris und besuchte ein Künstlercafé, in dem auch Munch verkehrte. Es schrieb in sein Tagebuch: „Hier in Cigarrenqualm, norwegisch sprechen, sich selbst und anderen teils interessant teils lächerlich vorkommend […] Der edle Munch, welcher mir gegenüber sitzt. Ja, ich möchte ihn gerne kennenlernen. Mein Herz sehnt sich nach Menschen, Menschen die auch leiden wie ich. Denn ich leide auch.“
Ein halbes Jahr später, in einem Brief an einen Freund, liest sich das dann so:
„Feiner Kerl was. So ziemlich mein Gegenfüßler, denn der arme Kerl plagt sich noch zu viel mit Menschenschmerzen und Menschenleid, na ja ich weiß er muß, aber trotzdem. Fertig, logisch, riecht ein bißchen zu sehr nach Medizin, beinahe Chloroform. Aber er ist anerkennungswert und ein ganz feiner Psychologe.“

Bis zum 1. WK hatte Beckmann einige schöne Erfolge, aber es blieb ihm natürlich nicht verborgen, daß sein Stern sank – die impressionistische Malerei war an ihr Ende gekommen zugunsten der neuen, abstrahierenderen Kunst.

Zum 1. WK eingezogen, arbeitete Beckmann als Sanitäter und erlitt angesichts der Gräuel bereits 1915 einen Nervenzusammenbruch – ungefähr zu der Zeit malte er eins der ersten Bilder in dem neuen Stil (Bild in der Mitte, ich hoffe, man kann es noch erkennen). Hier kommen also zwei Ereignisse zusammen: Die Schrecken des Krieges und die Erkenntnis, um des Erfolgs Willen künstlerisch neue Wege beschreiten zu müssen.

Erst ab jetzt entwickelte er seine ihm eigene unverwechselbare „Handschrift“, die ihn weltberühmt machen sollte. Bereits in den 20er Jahren war ein erfolgreicher und allseits anerkannter Künstler …

… dessen expressive Malweise und geheimnisvollen Bildthemen allerdings nicht in das Kunstbild der Nazis paßten. Viele seiner Werke hingen in der von den Nazis veranstalteten Schau „Entartete Kunst“. Der Künstler hatte vermutlich hochrangige Fürsprecher, daher ließ man ihn selbst unangetastet, er durfte allerdings keine öffentlichen Ämter mehr ausüben (bis 1933 war er Professor an der Frankfurter Städelschule) und seine Bilder durften nicht mehr öffentlich gezeigt werden. 1937 emigrierte er nach Amsterdam und bemühte sich dort um ein Visum in die USA, das er aber erst 1947 erhielt. Dort lebte er noch ein paar Jahre hochgeachtet, bevor er im Dezember 1950 starb.

Die Ausstellung „Max Beckmann und Berlin“ fand in der „Berlinischen Galerie“ statt, dem „Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur“. Das Gebäude gibt es (als Museum) erst seit 2004.

Sammlungsschwerpunkt ist alles Künstlerische, was irgendwie seit 1870 bis heute mit Berlin zu tun hat, sei es, daß der Künstler in der Stadt geboren wurde, hier gewirkt hat oder sonstwie mit ihr in Berührung gekommen ist.

Auch die ständige Ausstellung glänzt durch hervorragende Ausstellungsstücke …

… hier waren wir bestimmt nicht zum letzten Mal.

Ende.

Berliner Luft (4): Mahnmal Levetzowstr.

Hier stand einst eine der größten Synagogen Berlins, sie hatte über 2100 Sitzplätze. Die Nazis zündeten sie 1938 an, aber die Synagoge brannte nur teilweise nieder. Ab 1942 mißbrauchten die Nazis das Gebäude als Sammellager für jüdische Mitbürger, hier wurden sie ausgeraubt und für die Verschleppung in eins der Konzentrationslager – oft direkt ins Vernichtungslager Ausschwitz – registriert.

1955 wurde die im 2. WK stark beschädigte Synagoge abgerissen. 1988 errichteten die beiden Architekten Jürgen Wenzel und Theseus Bappert und der Bildhauer Peter Herbrich dieses Mahnmal, das die Deportation in Sonderzügen der Reichsbahn thematisiert.

Ein sehr eindrucksvolles Mahnmal!

Fortsetzung folgt.

Berliner Luft (3): Hansaviertel

Wenn man am Hansaplatz aus der Bahn aussteigt, befindet man sich unversehens vorm Grips-Theater, das Stücke für Kinder und Jugendliche aufführt. Ich habe mal die Aufführung des Stücks „Was heißt hier Liebe“ gesehen, das in den 70ern wegen seines unbefangenen Umgangs mit dem Thema Sexualität einen Skandal verursachte. Ich fand es großartig.

Am selben Gebäude hängt diese Erinnerungstafel: Hier hat Kurt Weill mal gewohnt – und ich war jetzt auch hier, toll, Kurt Weill und ich, an der selben Stelle! Das Haus ist allerdings erst von 1957 … Ich sah mal ein Schild, auf dem stand: Hier kotzte Goethe. Das ist doch gut zu wissen, und wenn einem zufällig auch gerade schlecht ist, kann man ein bißchen würgen und schon hat man was gemeinsam.

Das Hansaviertel war nach dem 2. WK größtenteils zerstört, also organisierte die Stadt 1956/57 eine Internationale Bauaustellung, kurz Interbau genannt. 53 Architekten aus 13 Ländern setzten ihre Ideen um, zu denen solche interessanten Experimente gehörten wie oben …

… und zusammenhängende Bungalows, die nach außen relativ abgeschottet sind, aber einen gemeinsamen Innenhof haben (sollen, den haben wir natürlich nicht gesehen) …

… aber auch solche Prachtstücke.

Tja – irgendwie mußte man die Leute unterbringen. Außerdem dachte man sich nichts Böses dabei. Die Idee des Architekten Le Corbusier, massenhafte Behausung als „Wohnmaschinen“ zu planen, galt als architektonisch und sozial fortschrittlich. Tatsächlich weiß ich nicht, wie da die Wohnqualität ist – sind sie Häuser gut gepflegt, die Wohnungen groß genug und gut schallisoliert, ist sie vielleicht gar nicht schlecht.

Es ist nicht weit zur Haltestelle Bellevue, ein paar Meter weiter, direkt an der Spree ist das Café Buchwald, von dem wir im TV gehört hatten, und das berühmt ist für seinen Baumkuchen, dem „König der Kuchen“, wie es in einem Prospekt heißt.

Ein Oma-Café, wie man es sich schöner kaum wünschen kann – das tut mal ganz gut als Kontrast zu diesen ganzen trendigen Cafés in Kreuzberg, in denen man von Glück sagen kann, wenn man das bekommt, was man bestellt hat. Keine Musik, eine Bedienung, die einen zur Kuchentheke begleitet und fachmännisch berät – ich glaube, ich werde immer konservativer.

Der Baumkuchen schmeckt anders als der, den ich sonst schon gegessen habe: Unter anderem nach Marzipan und Aprikosenmarmelade, alles fein aufeinander abgestimmt, sehr lecker – und sehr teuer. Gut, man war Hoflieferant seit 1900, das wird nicht jeder, und heute verschickt man sogar nach Japan. Also: Nicht unbedingt jeden Tag, aber immer mal wieder kann man da gut hingehen.

Fortsetzung folgt.

Berliner Luft (1)

… gibt es hochprozentig, sogar mit Schokoladen- oder Pfefferminzgeschmack, was wir aber nicht probiert haben. Gleichwohl – die Berliner Luft war in diesem Jahr zur Zeit unserer üblichen Karnvalsflucht sehr feucht, es regnete so häufig wie noch in keinem Jahr zuvor. Ob es daran lag, daß ich, zurück in Köln, erstmal eine Woche lang mit einer hartnäckigen Erkältung zu kämpfen hatte, kann ich kaum sagen, die Sprechstundenhilfe erzählte, halb Köln sei krank … gut, nach anstrengenden Karnvalstagen muß das nicht nur mit Viren zu tun haben.

In den nächsten Tagen erzähle ich euch mehr von unserem Berlinbesuch.

Ausflug nach Münster (3)

Der Grund, weshalb wir überhaupt für ein Wochenende nach Münster gefahren sind, ist diese Ausstellung: Ca. 100 Werke des Schweizer Künstlers Alberto Giacometti aus der Fondation Maeght wurden im Picasso-Museum ausgestellt. Die Fondation Maeght ist ein privates Museum in der Nähe von Nizza, in der alles versammelt ist, was in der Kunstszene des 20. Jahrhunderts Rang und Namen hatte. Leider war es strengstens verboten, in der Ausstellung zu fotografieren, deshalb empfehle ich einfach, sich folgende Dokumentation anzuschauen:

Der Film ist nicht nur eine Dokumentation über Giacometti, sondern auch darüber, wie man in den 60ern Kunstdokus drehte: Schräge, zur Modernität des Künstlers passende E-Musik und bedeutungsschwere Kommentare sollen verdeutlichen: Leute, das hier ist kein Witz, wir haben es mit einem ernstzunehmenden Künstler zu tun.

Tatsächlich war natürlich auch ein bißchen Spaß dabei. In den 20ern zog Giacometti nach Paris. Bald wurde die Gruppe der Surrealisten um André Breton auf ihn aufmerksam und sie nahmen ihn in ihre Kreise auf. Er führte das Leben eines Bohemièns: Aufstehen um die Mittagszeit, arbeiten an seinen Werken bis in den späten Abend, dann Treffen mit den Kumpels aus der Szene, saufen, essen, intellektuelle Gespräche führen, tief in der Nacht zurück ins 20-qm-große Atelier, noch ein bißchen arbeiten, schlafen. Erste Erfolge stellten sich ein, da er sich an den vielbeachteten Surrealistenausstellungen beteiligen durfte und sich Galeristen seiner annahmen.
Mitte der 30er Jahre hatte er genug davon: Besessen – man kann es wohl nicht anders sagen – von der Idee, das Wesen des Menschen in seiner Kunst einzufangen und auszudrücken, begann er, sich der figürlichen, also nicht rein abstrakten Darstellung von Porträts zu widmen, was ihm den Zorn des Surrealisten-Obergurus Breton eintrug, der das für rückschrittlich hielt und Giacometti kurzerhand aus der Gruppe ausschloß.
Meiner Ansicht nach entwickelte Giacometti erst jetzt seinen eigenen und – wie ich finde – großartigen Stil. Glücklicherweise hatte er noch zu Lebzeiten Erfolg mit seiner Kunst, in den 60ern konnte er gut davon leben und erhielt viele Preise. Heute erzielen seine Skulpturen auf einem völlig entfesselten Kunstmarkt absurde Rekordpreise: Im letzten Jahr wurde für „Der zeigende Mann“ 141,3 Millionen Dollar bezahlt, soviel wie nie zuvor für überhaupt eine Skulptur. Völlig verückt, aber dafür kann der Künstler ja nichts.

Ende.

Ausflug nach Münster (2)

Münster ist ein Stadt voller Skulpturen, auch sehr moderner, so daß man bewundernd feststellen kann: Was für ein aufgeschlossenes Bürgertum! Das war allerdings nicht immer so. Mit dieser Skulptur fing es an: Drei rotierende Quadrate, eine kinetische Aluminiumplastik von George Rickey. Wer schon mal irgendwo eine Plastik von Rickey gesehen hat, weiß, wie schön die sind: Metallische Flächen und Stangen bewegen sich so sanft und zart im Wind, als würden sie schweben und hätten kein Gewicht. Als die Stadtverwaltung dieses Exemplar 1973 kaufen wollte, brandete unter den Bürgern ein Sturm der Entrüstung los: Das sollte Kunst sein? Für diesen Mist sollte 130.000 DM Steuergeld ausgegeben werden? Die Verwaltung ließ sich einschüchtern, sodaß die Westdeutsche Landesbank das Werk schließlich kaufte und es der Stadt schenkte.

Über soviel Borniertheit der Bevölkerung war man allerdings gar nicht glücklich, also wurde eine Ausstellung geplant, die anhand von Beispielen Auskunft geben sollte über moderne Bildhauerei. Im Zuge der Überlegungen entstand das Konzept Skulptur.Projekte: Alle zehn Jahre werden Künstler eingeladen, direkt vor Ort eine Skulptur zu erschaffen, den Platz in der Stadt kann sich jeder selbst aussuchen. Mindestens 100 Tage (immer parallel zur Dokumenta in Kassel) soll jedes Werk stehenbleiben. 1977 fand das erste Skulpturen-Festival statt und stieß in der Bevölkerung auf ein geteiltes Echo: Die Künstler konnten teilweise nur unter Polizeischutz arbeiten, und Vandalismus an den fertigen Objekten war zwar nicht an der Tagesordnung, aber wohl auch nicht selten. So versuchte man z.B. die dreiteilige Skulptur Giant Pool Balls des Pop-Artisten Claes Oldenburg in den Aasee zu rollen …

… was freilich nicht gelang, die Betonkugeln sind viel zu schwer (das ist übrigens der selbe Künstler, von dem die Kölner Eistüte ist).

Beim zweiten Skulpturenfestival 1987 waren die Ressentiments immer noch groß, doch in seinem Verlauf änderte sich die Stimmung: Man kann viel über die Westfalen sagen, aber nicht, daß sie keine cleveren Geschäftsleute sind: Die Veranstaltung zog Touristen in die Stadt und damit Geld – viel Geld. Außerdem gewann das kleine beschauliche Städtchen, für das sich bisher außer in Münster selbst niemand interessierte, international an Renommee, zumindest in der Kunstwelt, denn überall berichteten die Medien darüber, was hier Außerordentliches passierte.

Zu den beiden Festivals 1997 und 2007 kamen jeweils über eine halbe Million Besucher, und ich würde mich nicht wundern, wenn man es inzwischen bereut, es nur alle zehn Jahre stattfinden zu lassen. Von dem öffentlichkeitswirksamen Wert von Skulpturen braucht man hier jedenfalls niemanden mehr zu überzeugen.
Die comichaften Figürchen gehören zu einer großen Skulptur neben der „neuen“ Stadtbibliothek von 1993 …

… der acht Meter hohen Überfrau von Tom Otternsen. „Als Personifikation der Weisheit und Freiheit greift sie Ansätze der traditionellen Ikonographie auf“, steht in dem kleinen Führer – was man halt so schreibt, wenn man ein wenig ratlos ist. Aber imposant.

Wie bereits gesagt, sollen die Kunstwerke jeweils nur für 100 Tage an ihrem Platz stehen. Einige kauft die Stadt (oder Sponsoren) nach Ende des Festivals und läßt sie stehen. In dem kleinen Skulpturenführer, den ich mir gekauft habe, werden 64 Orte in der Altstadt – oder direkt angrenzend – aufgeführt. Hier ein Werk für das Festival 1997: 100 Arme der Guan-yin von Huang Yong Ping. Wer sich etwas in der Kunstgeschichte auskennt, sieht sofort, daß hier ein ready made eines der einflußreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts, Marcel Duchamps, zitiert wird: Der Flaschentrockner, in dieser Version überdimensional.

Zu den aufgesteckten Ärmen wurde der Künstler einerseits durch eine beschädigte, da armlose Christusfigur in einer Kirche in der Nachbarschaft angeregt, andererseits durch weibliche, tausendarmige Buddhafiguren aus seiner Heimat. Hier halten die Hände keine Kultutensilien, sondern Alltagsgegenstände. Ja. Hm. Auf jeden Fall interessanter als ein Reiterstandbild irgendeines Fürsten.

Viele Kunstwerke machen natürlich auch viel Arbeit, und die kostet Geld. Aber man kann nicht beides haben: Touristen, die genau wegen der Kunst in die Stadt kommen, und Kunstwerke, um die sich keiner kümmert, weil man die Kosten dafür sparen will. Die Skulptur von George Rickey oben auf dem ersten Foto muß dringend restauriert werden: Sie bewegt sich kaum noch und ist so mit Moos überwachsen, daß sie ihre Wirkung verliert. Ich hoffe, das ist bis 2017 behoben, wenn ich die nächste Skulptur.Projekte besuchen werden. Der Termin ist schon fest eingeplant.

Fortsetzung folgt.

Ausflug nach Münster (1)

Letztes Wochenende war ich in der schönen Stadt Münster – besser gesagt, in der Altstadt von Münster, denn die Stadt ist natürlich sehr viel größer als der Bereich, in dem sich Touristen normalerweise aufhalten. Abends im Regen ist auf dem Prinzipalmarkt nicht viel los …

… wenn die Geschäfte geöffnet sind, sieht das schon anders aus.

Hier, in der sogenannten „guten Stube“ Münsters, sind die angebotenen Waren etwas exklusiver und natürlich teurer, aber die Fußgängerzonen mit den üblichen Klamottenketten sind nicht weit. Glücklicherweise ist nicht alles so überlaufen wie in Köln.

Der Turm von St. Lamberti erinnert sehr an den Kölner Dom, ist aber tatsächlich eine kleine Kopie des Freiburger Münsters. Die drei Körbe, die da bereits seit 1436 hängen, sind ein Zeichen der Macht der katholischen Kirche und eine Warnung an Abtrünnige: Anfang der 30er Jahre des 16. Jahrhunderts etablierte sich in Münster zunehmend der Glaube und Einfluß der Täufer. Die Täufer (oder auch Wiedertäufer, wie die katholische Kirche herabwürdigend sagte) waren eine radikal-reformatorische religiöse Bewegung, die sich über ganz Europa verbreitete. Sie waren keine homogene Gruppe, es gab je nach Gegend die unterschiedlichsten Ausprägungen, aber bei allen gleich war die Ablehnug der katholischen Kirche und unter anderem die Überzeugung, daß erst Erwachsene und nicht kleine Babys sich durch die Taufe zum Christentum bekennen können. In Münster waren die Täufer besonders radikal: Nachdem sie die Herrschaft errungen hatten, führten sie die Gütergemeinschaft ein (eine Art Verstaatlichung von Besitz), um die Armut aufzuheben. Angesichts des starken Frauenüberschusses erlaubten sie die Polygenie – ein Mann durfte mehrere Frauen haben. Der 24-jährige Anführer Jan van Leiden sammelte in den zwei Jahren des „Täuferreichs“ 16 Ehefrauen an. 1435 wurde die Stadt von den katholischen Widersachern ausgehungert und zurückerobert. Alle Anhänger des Täuferglaubens, egal, ob Mann oder Frau, wurden hingerichtet, die drei Anführer jedoch vorher katholisch-feinfühlig öffentlich vier Stunden lang mit glühenden Zangen gefoltert, dann erdolcht und in den Körben zur Abschreckung an den Turm gehängt. Und da hängen sie immer noch, jedenfalls die Körbe.

In der Kirche ein kleiner Seitenaltar, schön anzusehen, finde ich.

Der riesige Orgelkörper scheint zu schweben.

Diese Droschke kann man mieten, um …

… den großen Dom zu umrunden oder …

… zum Schloß zu fahren, in dem sich die Universität befindet, aber …

das Fortbewegungsmittel der Stadt ist das Fahrrad. In der riesigen Fahrradstation kann man tausende auf einmal sehen.

Die Aufnahme ist von Sonntag – am nächsten Tag war kaum ein Durchkommen durch die abgestellten Räder.

Noch zwei Gastrotipps: Im brauhausähnlichen Restaurant „Großer Kiepenkerl“ kann man hervorragend gutbürgerlich essen und leckeres „Heimatbier“ trinken.

Wer es etwas alternativer mag: Das Prüttcafé gleich hinter dem Bahnhof, ein vegetarisch-veganes Restaurant, gibt es schon seit 30 Jahren: Sehr sehr lecker und auch sehr günstig. Leider hatte man unsere Bestellung vergessen – vor lauter Schreck spendierten sie uns je einen Salat und ein weiteres Getränk für die lange Wartezeit. Kann ja mal passieren.

Fortsetzung folgt.