Der Grund, weshalb wir überhaupt für ein Wochenende nach Münster gefahren sind, ist diese Ausstellung: Ca. 100 Werke des Schweizer Künstlers Alberto Giacometti aus der Fondation Maeght wurden im Picasso-Museum ausgestellt. Die Fondation Maeght ist ein privates Museum in der Nähe von Nizza, in der alles versammelt ist, was in der Kunstszene des 20. Jahrhunderts Rang und Namen hatte. Leider war es strengstens verboten, in der Ausstellung zu fotografieren, deshalb empfehle ich einfach, sich folgende Dokumentation anzuschauen:
Der Film ist nicht nur eine Dokumentation über Giacometti, sondern auch darüber, wie man in den 60ern Kunstdokus drehte: Schräge, zur Modernität des Künstlers passende E-Musik und bedeutungsschwere Kommentare sollen verdeutlichen: Leute, das hier ist kein Witz, wir haben es mit einem ernstzunehmenden Künstler zu tun.
Tatsächlich war natürlich auch ein bißchen Spaß dabei. In den 20ern zog Giacometti nach Paris. Bald wurde die Gruppe der Surrealisten um André Breton auf ihn aufmerksam und sie nahmen ihn in ihre Kreise auf. Er führte das Leben eines Bohemièns: Aufstehen um die Mittagszeit, arbeiten an seinen Werken bis in den späten Abend, dann Treffen mit den Kumpels aus der Szene, saufen, essen, intellektuelle Gespräche führen, tief in der Nacht zurück ins 20-qm-große Atelier, noch ein bißchen arbeiten, schlafen. Erste Erfolge stellten sich ein, da er sich an den vielbeachteten Surrealistenausstellungen beteiligen durfte und sich Galeristen seiner annahmen.
Mitte der 30er Jahre hatte er genug davon: Besessen – man kann es wohl nicht anders sagen – von der Idee, das Wesen des Menschen in seiner Kunst einzufangen und auszudrücken, begann er, sich der figürlichen, also nicht rein abstrakten Darstellung von Porträts zu widmen, was ihm den Zorn des Surrealisten-Obergurus Breton eintrug, der das für rückschrittlich hielt und Giacometti kurzerhand aus der Gruppe ausschloß.
Meiner Ansicht nach entwickelte Giacometti erst jetzt seinen eigenen und – wie ich finde – großartigen Stil. Glücklicherweise hatte er noch zu Lebzeiten Erfolg mit seiner Kunst, in den 60ern konnte er gut davon leben und erhielt viele Preise. Heute erzielen seine Skulpturen auf einem völlig entfesselten Kunstmarkt absurde Rekordpreise: Im letzten Jahr wurde für „Der zeigende Mann“ 141,3 Millionen Dollar bezahlt, soviel wie nie zuvor für überhaupt eine Skulptur. Völlig verückt, aber dafür kann der Künstler ja nichts.
„Alles erscheint ihm neu, als sähe er es zum ersten Mal.“ Ein ganz guter Schlüsselsatz für jede Art von Kunst, finde ich.
Besonders natürlich auch Fotografie.
Gefallen tun mir seine Werke allerdings nicht so sehr. Da ist irgendwie nichts, das zu mir spricht.
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Ich kenne keine Skulpturen, die mich so sehr berühren wie diese dünnen Figuren, unter anderem vielleicht auch deshalb, weil sie so kompromißlos sind.
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dank dir weiß ich jetzt was man als künstler zu tun hat: saufen… 😉
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Es gibt bestimmt nicht wenige, die Dir da zustimmen. Allerdings bedeuten das nicht, daß Saufen einen zu einem guten Künstler macht.;-)
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man kann ja abstruse aussagen in den raum stellen. 😉
denk mal an charles bukowski, ein autor aus den usa, der ein begnadeter säufer vor dem herrn war.
im tv höre ich immer mal wieder die behauptung, dass künstler eine affinität zu drogen hätten.
das erklärt dann wohl auch warum ich gern mal kiffe. 😉
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Nicht wenige sind daran draufgegangen. Aber das betrifft natürlich auch Nichtkünstler, über die redet man bloß nicht.
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stimmt. der normale suchtkranke, der sich zugrunde richtet ist wohl nicht so interessant wie ein künstler, der ausdauernd über die strenge schlägt.
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…er ist der unplastischste Plastiker, den ich kenne…oder ich kenne ihn nicht gut genug, gleich mal nachschauen…
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Was die Ausdehnung seiner späten Werke betrifft, hast Du wahrscheinlich recht. Wenn man genau hinsieht, kann man z.B. an den Portraitbüsten sehen, wie lange er daran gearbeitet hat – um den Ausdruck zu erzeugen, den er haben will.
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…ich mag ihn ja, aber eher als Mensch, seine Plastiken sind schon ziemlich verschroben und so über die Jahre hinweg – egal ob er nun lange daran gearbeitet hat oder nicht, das ist mir als Betrachter egal – wenig abwechlunsreich…
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