Rheinboulevard

Wenn man das Wort „Landschaft“ hört, stellt man sich unwillkürlich wohl meist Felder, Wälder und Wiesen vor. Aber es gibt auch Stadtlandschaften, die architektonisch gebildet werden, und wenn man das nach Ansicht des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla) besonders gut gemacht hat, gibt es dafür einen Preis: Der Deutsche „Landschaftsarchitektur-Preis 2017“ geht an ein Berliner Architekturbüro für den Rheinboulevard in Köln Deutz (über den ich hier und hier schonmal berichtet habe).

Früher war hier nur ein olle Kaimauer, jetzt versammeln sich hier auf einer Länge von 500 Metern an warmen Wochenendabenden zwischen 1.000 und 1.500 Besucher. Darunter sind leider auch junge Leute zwischen 15 und 25. Als ich so alt war, war es mir manchmal auch egal, ob ich andere Leute störe, und heutzutage ist das natürlich alles noch viel enthemmter: Gruppenweise kommen sie aus allen Teilen Kölns hierher, bringen günstigen Alkohol aus dem Supermarkt und Schishas mit, also Wasserpfeifen, mit denen auch andere Drogen als Tabak geraucht werden können und deren glühende Kohle gerne mal auf den schönen weißen Treppenstein fällt, dazu Ghettoblaster-Beschallung – man möchte es ja gemütlich haben. Und wenn man Hunger hat, wird kurzerhand ein Grill aufgestellt. Nicht selten passiert es dann, daß ein junger Mann aus der einen Gruppe einen jungen Mann aus der anderen Gruppe anschaut, der dann daraufhin fragt: „Was guckst Du!!“ – und schon ist die schönste Massenschlägerei im Gange.

Die Stadt setzt vermehrt Streetworker ein, die zwar keinerlei Vollmachten haben, aber immerhin die Polizei rufen können, die sogar den gesamten Bereich bereits einmal evakuiert hat, da Streithähne Pfefferspray benutzt hatten. Stadtrat und -verwaltung reagieren geschockt – so hatte man sich das nicht vorgestellt, also müssen schnell neue Regeln her.

Schishas, Lagerfeuer, Grillen, laute Musik und das so beliebte Mülleimertreten (tatsächlich sind alle Mülleimer fest installiert, aber man kann ja nie wissen) sind ab sofort verboten, Papierschnipsel in ein Behältnis rieseln lassen, das Ausführen von Eisbären und dem Hund freundlich die Hand reichen, selbst wenn der einem den Hintern zudreht, sind nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht.

Früher war hier nur eine alte Kaimauer, auf der ich oft gesessen habe, selbst, als ich nicht mehr in diesem Viertel wohnte. Heute – 25 Millionen Euro später – ist mir die Lust vergangen, mich hier aufzuhalten.

7 Gedanken zu “Rheinboulevard

    1. Grundsätzlich hast Du recht, wenn ich an die Sichtbetonbauten denke, die es in der Stadt zuhauf gibt, die lehren einen das Gruseln. Hier ist man allerdings sehr organisch mit dem Baustoff umgegangen, besser kann man Beton wahrscheinlich nicht verarbeiten: Die runden Formen, die helle Farbe erinnern eher an Sandstein.
      Was hier vor allem verantwortlich ist, ist ein soziologisches Phänomen: Die Ich-Gesellschaft – von Wirtschaft und Politik hervorgerufen und gefördert – entwickelt immer mehr eine Entsolidarisierung unter ihren Mitgliedern: Was kümmern mich die anderen, ich will Spaß, und wen das stört, der kann mich mal. Und wer mich stört, kriegt eins aufs Maul. Jeder scheint einen mehrere Quadratmeter großen Raum um sich zu haben, in der er der absolute Herrscher ist. Wo auch immer er geht und steht und was er da macht ist schon allein durch sein Dasein gerechtfertigt.

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      1. „wir sind deutschland“

        vor einer woche kamen auf dem fußweg zwei mädchen, so um 8-9, auf roller und rad entgegen. ausweichen lag an mir, sie wären mir sonst über die füße gefahren.

        denke ich 45 jahre zurück, auch zwei mädchen, sie fuhren auf dem radweg und machten älteren keine umstände.
        aus respekt.

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  1. Ich finde es wirkt alles noch gruseliger heute, als „damals“, wo du erstmals davon berichtet hast. Manchmal macht einen Städteplanung rasend. Als wollen sie einem sagen: Guckt mal wie leicht es ist, Steuergelder zu verprassen um alles zu verderben. Und über allem schwebt dann der Gedanke: Wie schön hätte man es anders machen können.
    Da fände ich sogar ein schickes (Szene?)restaurant, wo man dort gepflegt hinter Glas sitzen könnte, noch sinnvoller.

    PS: Warst du schon in London? Wird es Blogeinträge geben? (will sagen: Wann denn? Los, los, zack zack ;))

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    1. Ja, war ich. Aber ich bin diszipliniert (ha!), erstmal muß ich Berlin beenden, und dann ist da auch noch ein Teil Würzburg, himmel, wie lange ist das schon her. Ja, und dann kommen 1300 Londonfotos. Warst Du nicht auch da?

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      1. Nein, siehe mein Blog….(den EIntrag hast du aber glaube ich gelesen, zumindestens kommentiert, meine ich)
        Bin aber neugierig, wie deine Unterkunft nun wirklich war. Vielleicht mal kurz per e-mail…?!

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