Wir bleiben noch drei Tage in dem Hotel, um uns auszuruhen und um uns die Gegend anzusehen. Berchtesgaden und Salzburg sind mit dem Bus erreichbar, außerdem müssen wir uns natürlich noch den Königssee genauer ansehen. Als erstes fahren wir auf den Obersalzberg oberhalb von Berchtesgaden. Das Dorf gleichen Namens gibt es nicht mehr, es hatte das Pech, daß im Jahr 1923 ein Herr A. Hitler hier einen von der Polizei gesuchten Bekannten besuchte. Hitler fand soviel Gefallen an der Gegend, daß er immer wieder herkam. 1928 mietete er ein Haus als Feriendomizil, 1933, nach der Machtübernahme, kaufte er es und ließ es als Residenz ausbauen: Der „Berghof“ enstand. Insgesamt verbrachte er hier vier Jahre seiner Herrschaftszeit. Das ganze Dorf wurde nun zum „Führersperrgebiet“ – die Bewohner wurden „gebeten“, ihre Häuser und Ländereien an den Staat zu verkaufen. Wer nicht wollte, wurde enteignet, und wer aufmuckte, wurde ins KZ Dachau gesperrt, wie es einem Fotografen geschah, der ein kleines Atelier betrieb. Fast alle Gebäude wurden abgerissen, stattdessen entstanden Häuser für die NSDAP-Größen Hermann Göring, Martin Bormann und Albert Speer, daneben ein Gästehaus, eine SS-Kaserne und ein Gutshof mit Gewächshaus. Ende des 2. Weltkrieges bombadierten die Allierten die Gebäude, da man fälschlicherweise annahm, hier verberge sich eine Alpenfestung, in der sich Elitesoldaten verschanzten.
Auf Youtube gibt es übrigens einige Dokumentationen über den Berghof, mit vielen Originalaufnahmen besonders von Eva Braun, die inoffizielle Geliebte Hitlers, die sich langweilte und zur Kurzweil das Filmen für sich entdeckte.
Der Berghof wurde von den Amerikanern vollständig gesprengt, um jeden Kult zu verhindern. Die anderen Gebäude wurden wieder instandgesetzt und von ihnen genutzt. Als sie 1996 abzogen, ging das ganze Gebiet an den Freistaat Bayern. Die Politiker beschlossen ein sogenanntes „Zweisäulenmodell“: Um den Tourismus zu fördern und gleichzeitig einem NS-Wallfahrtsort vorzubeugen, beschloß man einerseits, ein Gebäude „Dokumentation Obersalzberg“ (s.o.), andererseit ein Hotel der Luxusklasse (5-Sterne-Superior) auf dem Gelände des Göring-Hauses zu errichten. Die Ausschreibung des Hotel-Projekts ging ganz zufällig an ein Tochterunternehmen der Bayrische Landesbank (BayernLB) – das hat mit Vorteilsnahme und Korruption nicht das Geringste zu tun. Böse Leute, die sowas behaupten. Als nach Millionenverlusten bekannt wurde, daß die BayernLB daran beteiligt ist, hagelte es Kritik, und die Bank zog sich aus dem Geschäft zurück. Heute wird das Hotel von Kempinski betrieben, Lothar Matthäus und Verona Poth sollen dort genächtigt haben – na, da näßt man sich fast ein vor Ehrfurcht.
Wir besuchen nur das Dokumentationszentrum. Auf zwei Etagen werden das Leben Hitlers auf dem Obersalzberg, aber auch die Auswirkungen des Nazionalsozialsmus insgesamt dokumentiert, bis hin zu grausamen KZ-Fotos – für Kinder unter 12 Jahren ist der Besuch „nicht empfohlen“.
Viel Text, wenn man alles lesen will, braucht man vermutlich einen ganzen Tag. Interessant, was Albert Speer erzählt: „Hitler erschien meist spät, gegen elf Uhr, in den unteren Räumen … Seinen eigentlichen Tagesablauf leitete ein ausgedehntes Mittagessen ein … Nicht lange nach dem Essen formierte sich der Zug zum Teehaus … Hier an der Kaffeetafel verlor sich Hitler besonders gern in endlose Selbstgespräche … Gelegentlich schlief Hitler über seinen Monologen ein, die Gesellschaft unterhielt sich dann im Flüsterton weiter und hoffte, daß er rechtzeitig zum Abendessen wieder aufwache … Nach der Rückkehr zum Berghof pflegte Hitler sich sofort in seine oberen Räume zu begeben, während der Troß sich auflöste … Zwei Stunden später traf man sich schon wieder zum Abendessen … Mit den auch in Berlin üblichen Spielfilmen begann der zweite Teil des Abends … Gelegentlich wurden die Filme besprochen … Niemand gab sich Mühe, das Gespräch über das Bagatellniveau hinaus anzuheben … Später im Krieg verzichtete Hitler auf die abendliche Filmvorführung … Ab ein Uhr nachts konnte dieser und jener trotz aller Beherrschung ein Gähnen nicht mehr unterdrücken. Aber in eintöniger, ermüdender Leere ging der Abend noch eine gute Stunde weiter …“
Wir wissen inzwischen, Speer war ein notorischer Lügner, aber diese Stimmung wird von anderen bestätigt.
Pin-up-man – was der „Führer“ in seiner Freizeit so treibt. Es gab mehrer Fotobände, die seine Naturverbundenheit zeigen sollten, wofür die Gegend um den Obersalzberg wie geschaffen schien, …
… und die reißenden Absatz fanden. Einer, der im Wald wandernd seine Ruhe und seine Inspiration findet, im deutschen Wald, diesem mythischen Gebilde … um dann für „sein“ Volk – väterlich und energisch zugleich – Großtaten zu vollbringen. „Ein Volk, ein Reich, ein Führer!“ – wir sollten für immer mißtrauisch sein, wenn uns jemand so kommt. Da fällt mir ein anderer ein, der auch gern im Wald wandert und viel von Volk und Vaterland und (deutscher) Gemeinschaft spricht: Björn „Bernd“ Höcke. Aber diese Ähnlichkeit ist wohl nur zufällig. Ich wandere ja auch.
Ab 1937 mußte in Deutschland unter jedem neuen wichtigen Gebäude ein Bunker gebaut werden. Hitler selbst war von Bauarbeiten am Berghof aber nicht begeistert, und so wurde erst 1943, als man gewahr wurde, daß es eventuell doch nichts wird mit der Weltherrschaft, in die Felsen des Obersalzberges ein weitverzweigtes Tunnel- und Bunkernetz gehauen.
Neben Büro-, Wohn- und Schlafräumen gab es große Vorratsräume – man richtete sich auf eine lange Belagerung ein. Nach dem Ende freute das die einheimische Bevölkerung, alle Bestände wurden geplündert.
Ein in Glas geprägtes Schaubild der Bunker und Tunnel.
So – genug gelernt für heute, das ist hier ja wie in der Schule. Nichts wie ab ins sonnige Berchtesgaden, da gibt’s Kaffee und Kuchen.
Dankeschön für diese feine Geschichtsstunde *lächel*
Mann glaubt es kaum, was da in dieser Ecke mal alles
(los oder auch nicht) war …
LG Lu
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Gern, freut mich, daß Du mitliest.:-)
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Klaro 😊
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Höcke: *atmet*
Reporter: „Das hat Hitler auch getan!“
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Höcke: „Ja, und dabei auch ganz ähnlich gesprochen wie ich. Gut, ne?“
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Guck mal:
https://www.ardbegger.de/2017/12/26/gruenstein-kuehroint-archenkanzel/
Wär das nicht eine Tour für Euch ?
Da siehst Du den Königssee von oben !
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Tolle Fotos, großartige Winterlandschaft! Den Weg vom Parkplatz Hammerstiel bis zum Grünsteingipfel sind wir auch gegangen, schau hier (die unteren Fotos):
https://koelnfotos.com/2019/09/29/wandern-auf-dem-salzalpensteig-7-bischofswiesen-ramsau-schoenau-koenigssee/
Daß ihr den Aufstieg im Schnee gemacht habt – alle Achtung! Da kommt mir meine Jammerei fast erbärmlich vor.;-) Unser Wanderweg führte uns vom Grünsteig direkt hinunter nach Schönau. Daß sich der Weg über die Archenkanzel lohnt, jedenfalls was den Ausblick betrifft, kann man bei Dir sehr schön sehen. Ich war allerdings froh, als ich endlich unten im Tal war. Für mich als Nordlicht war die Alpenwanderung ein echtes (waghalsiges) Abenteuer, das ich nicht wiederholen werde – so wunderschön die Gegend auch ist.
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Ne, das war viel besser als Schule 🙂. Ein hässlicher Teil der Geschichte. Aber ein wunderschöner Fleck Erde.
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Super, das freut mich. Als Lehrer wäre ich auch völlig ungeeignet, jeder, der eine bessere Note wollte, könnte mich mit Kuchen bestechen.;-)
Ja, Du hast recht. Was kann die Gegend dafür, daß auch fiese Diktatoren sie schön finden.
Ein paar wunderbare Fotos vom Königssee folgen noch, als Fotograf hat man es da leicht: Man braucht bloß den Finger auf den Auslöser zu drücken, den Rest erledigt die Landschaft.
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Oh ja….der ist wirklich herrlich. Den scheußlich zu fotografieren klappt eigentlich gar nicht 😉
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