Alaaf …

Heute ist Weiberfastnacht und der Straßenkarneval beginnt – eigentlich. Nix mit Alaaf in diesem Jahr, also gibt es für mich und meine Begleiterin keinen Grund, nach Berlin zu flüchten. Schon seit Wochen werden die Kölner eingestimmt darauf, „brav“ zu sein, also nicht saufend und grölend durch die Straßen und Kneipen zu ziehen.

„Bald“ ist ein Begriff, denn man offenbar sogar auf ein Jahr in die Länge ziehen kann. Ich würde mich nicht wundern, wenn irgendjemand auf die Idee kommt, den Rosenmontag im Sommer nachzuholen.

Ganz selten sieht man jemanden, der verkleidet ist. Aber es ist wohl schwer, ganz mit dem Brauchtum zu brechen: Als ich um 14 Uhr in die Apotheke gehen wollte, war geschlossen, und Montag haben tatsächlich viele Betriebe ihren Angestellten frei gegeben … damit sie zu Hause eine Person aus einem anderen Haushalt treffen können? Und da schunkelt man dann zu zweit vorm Fernsehapparat? Gerade eben habe ich aus Versehen in die „Kölner Mädchensitzung“ im ZDF zur besten Sendezeit hineingezappt: Es gab einen Elferrat, eine Bigband und Karnevalsbelustiger, aber kein Publikum, stattdessen Applaus vom Band. Bizarr.

Auf dem Neumarkt ein paar verkleidete Ewiggestrige, die die Gelegenheit nutzen, gegen die Coronaeinschränkungen zu protestieren. Wochenlang jeden Tag bis zu 1000 Tote in Deutschland? Dat is uns doch ejal, mir wolle fiere! Im Hintergrund stehen mehr Polizisten, als Protestierer da sind, und passen auf.

Aber nur, wenn man es am Tag vorher gekauft hat: Ich beobachtete an der Kasse im Biosupermarkt eine Frau, die eine Flasche Wein kaufen wollte – keine Chance, heute ist wieder mal Alkoholverkaufsverbot in der ganzen Stadt. Man kann es auch übertreiben, oder?
Für Gastronomie und Bands ist der Lockdown zu Karneval besonders bitter, machen sie doch zu dieser Zeit normalerweise einen großen Teil ihres Jahresumsatzes. Wenn die Kneipen, wie versprochen, 75% ihres Umsatzes des Vorjahresmonats bekommen, wird man sich in Berlin vermutlich wundern, wieviel mehr sie an die Karnevalshochburgen überweisen müssen als im Januar.

13 Gedanken zu “Alaaf …

  1. interessant, dass du auch zu jenen leuten aus köln gehörts, die zu karneval nach berlin fliehen. alle leute, die ich aus köln und umgebung kennen, machen das so. jedoch gibt es in berlin auch eine kölner community, die dieses brauchtum pflegt. allerdings fällt das dort nicht so sehr auf. in meinem stadtbezirk neukölln waren sie jedenfalls nicht zugange. vor jahren war mal eine kleine abordnung im rathaus und wollte dem bezirksbürgermeister den schlips abschneiden. klappte aber nicht, weil der typ gar keinen schlips um hatte.
    viel spaß im diesmal karnevalsfreien köln…

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    1. Ja, ich habe sogar mal einen Rosenmontagszug gesehen im Berliner Regierungsviertel, allerdings hatte man ihn auf den vorhergehenden Sonntag gelegt, man hatte wohl Angst, daß am Montag keiner kommt, weil die Leute ja arbeiten müssen. Aber auch so war nicht viel los, soviel ich weiß, hat man das dann später aufgegeben.

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    1. Ja, man will wohl vermeiden, daß junge Leute auf die Idee kommen, sich auf einer spontanen Straßenparty zusammenzurotten und dabei die Abstandsregeln vergessen – bei -9 Grad nicht unwahrscheinlich. Daß die Kundin nun abends ohne ein Glas Rotwein vor ihrem Fernsehen schunkeln muß, weil sie vergessen hat, das Getränk einen Tag vorher zu kaufen, ist ein Preis, der nicht zu hoch ist zur Pandemieeindämmung.

      Glücklich, wer einen Vorrat im Keller hat.;-)

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  2. Habe eigentlich immer den Eindruck, dass zu Karneval – außer in diesem Jahr – jedes Jahr nicht nur eine, sondern eine doppelte Völkerwanderung stattfindet: Alkohol-Feier-Willige nach Kölle, alle anderen gen Berlin und die ganz Verzweifelten in die Eifel. 😉

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    1. Ich hatte schon mal den Gedanken, daß man zu dieser Zeit eingentlich gut einen Wohnungstausch durchführen kann, bin dann aber davon abgekommen: Man weiß nie, wie gut die zugereisten Möchtegernkarnevalisten mit dem plötzlichen Alkoholkonsum zurechtkommen, ohne den man das ja kaum aushält.

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      1. Ja, da wär ich denn auch vorsichtig….
        Im Grunde finde ich es ja schade, dass der usrprüngliche Karnevalsgedanke so abhanden gekommen ist. An sich ist es eine gute Idee, auf elegante und witzige Weise Obrigkeitskritik des Volkes an den Mann und die Frau zu bringen. So ein Ventil ist gesellschaftlich gesehen sehr nützlich. Wer weiß, wenn der Karneval in diesem Sinne noch funktionieren würde, gäbe es vielleicht nicht so viele Verschwörungstheoretiker à la Bill-Gates-Corona-Leugnern…

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        1. Als sich in den 80er Jahren alternative Karnevalsveranstaltungen bildeten, konnte man eine Ahnung davon bekommen, wie Karneval auch sein kann. Inzwischen sind die aber auch nicht mehr als ein Teil des Trubels, der offizielle Karneval war nach anfänglichem Befremden so klug, die Alternativen zu umarmen.

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          1. Es ist halt auf Dauer schwierig, immer „alternativ“ zu sein.
            Man muss aber auch sagen, dass auch andere Karnevalsformen so ihre Schwierigkeiten haben mit den Alkoholexzessen der Zuschauer, genauso wie mit der Erstarrung der einst so lebendigen Formen des Fests. So z.B. die Basler Fastnacht. Geheimnisvoll, spannend, fazsinierend schön, wenn es nachts im Altstadtviertel auf dem Berg losgeht, mitten in der Stille der Nacht der Trommelwirbel und die Flöten der Zugteilnehmer, dann die Kostüme, die Figuren. Nachher geht es dann in den Kneipen außer mit Basler Fastnachtssuppe und deftigen satirischen „Büttenreden“ auch durchaus bei dem Alkohol „zur Sache“, und irgendwie in den letzten Jahren leider auch dort viel zu sehr. Frage mich, ob solche Entwicklungen unvermeidlich sind. 😦

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  3. in meiner kleinen stadt gibt es sogar 2!! karnevalsvereine.
    einer von denen machte einen online karneval daraus.

    hier beimir im norden wurde fasching in der schule gefeiert.
    ich kann mich erinnern als sterntalermädchen gegangen zu sein, zweimal.
    hier ist der bierverkauf erlaubt nur der genuß ausserhalb der wohnung, also öffentlich, nicht. trotzdem gibt es leute, die unbedingt auf der straße bzw. fußweg die flasche an den hals setzen müssen.
    wie heißt es doch bei ina deter: starke frauen trinken heimlich. ;_)

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    1. Ich erinnere mich, in meiner Kindheit in Norddeutschland gab es auch Karnevalsfeiern in der Schule. Manchmal hatte ich zu der Zeit Geburtstag, dann habe ich meine Freunde gebeten, in Verkleidung zu meiner Geburtstagsfeier zu kommen.

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