Spaziergänge in Zeiten von Corona (1)

Ein Sonnenstrahl im Frühling reicht normalerweise aus, um in Köln die Biergartensaison zu eröffnen. Wie lange das nun verschoben wird, weiß keiner. Glücklicherweise halten sich alle daran – im Moment.

In der Mode paßt man sich schnell an, auch im …

… Partnerlook zu haben. In der Fußgängerzone (wir werfen erst einen Blick hinein, bevor wir sie betreten, aber es ist nichts los) sind fast alle Geschäfte geschlossen, nur der Schokoladenladen am Neumarkt hat geöffnet – klar, Schokolade ist systemrelevant.

Beim Express will man sich die gute Laune nicht vermiesen lassen. „Heidewitzka, Herr Kapitän …“, dazu läßt sich gut „schunkele“, zur Not über Skype.

Apropos Kapitän – der Papst spendet einen außerordentlichen Segen „urbi et orbi“, in den Nachrichten wird darüber berichtet, als ob das was ganz Besonderes sei. Schnell mal recherchiert: Der Segen wird normalerweise nur zu Weihnachten und Ostern erteilt. Wer bereit ist, Geburtstag und Auferstehung der emblematischen Sektenfigur zu feiern, dem werden, quasi als Jubiläumsgabe, alle Sünden vergeben. Auch heute noch nennt man das Ablass, kein Scherz. Damit nun keiner denkt, das Corona-Virus sei eine Strafe Gottes für … was weiß ich, Globalisierung als kapitalistische Gewinnmaximierung, Ausbeutung der 3. Welt, Mißachtung von Menschenrechten, Vernichtung der natürlichen Umwelt, spendet Franziskus diesen Extra-Ablass. Das ist nett gemeint, so kann sich jeder Katholik sagen: Meine Schuld ist’s nicht, der Chef hat mich freigesprochen. „Heidewitzka …“ *summsumm*

Jeder tut, was er kann, um zu helfen, und vielleicht ringt der Papst die Hände und fragt sich, ob er nicht vielleicht noch ein „urbi et orbi“ spenden sollte. Aber nachher wollen die Leute jeden Tag so einen Segen, und das kennt man ja aus der Marktwirtschaft: Wovon es viel gibt, das verliert an Bedeutung, nur das Rare ist wertvoll. Der Papst im Streß.

Das „Ich“ ist nicht mehr angesagt, nur „Wir“ zusammen können die Krise bewältigen. Milliardenschwere Konzerne wie Adidas und H&M machen es vor und zahlen erstmal keine Miete mehr für ihre Läden, aufgrund eines Kündigungsschutzgesetzes, das für in Not geratene Kleinunternehmer geschaffen wurde. „Solidarität“ aus Managersicht – wozu bezahlt man seine firmeninternen Rechtsverdreher.

Aber es gibt glücklicherweise auch Leute, die das ernst nehmen mit der Solidarität. Freilich muß man auch hier vorsichtig sein, nicht jedes Hilfsangebot ist seriös, tatsächlich gibt es Leute, die die Ängste und Nöte besonders älterer Menschen ausnutzen, um sie zu betrügen. „Somigo.de“ habe ich überprüft, da kann man getrost anrufen, wenn man in Köln wohnt.

Und auch das ist eine gute Idee: Ein Gabenzaun, wo Leut ihre gehamsterten Lebensmittel, die sie nun doch nicht brauchen, hinhängen können, damit besonders Obdachlose sich bedienen können. Im Moment des Fotos scheint es aber noch nicht so weit zu sein. Oder die Nachfrage ist groß.

Wer keine Geschichten mehr lesen will über Klopapier, sollte hier abbrechen.

Vor zwei Tagen – Hamstereinkäufe waren von den Geschäften schon längst unterbunden – war ich vormittags nacheinander in zehn Filialen von Drogerien und Supermärkten, um Klopapier zu kaufen, da es so langsam bei mir eng wurde. Leider vergeblich, in der gesamten Kölner Innenstadt gab es das offenbar nicht mehr. Als ich meiner Begleiterin davon erzählte, bot sie mir an, mir eventuell eine Rolle aus ihrem – auch nicht üppigem – Vorrat zu schenken – wahre Freunde erkennt man in der Not. Später schickte sie mir einen Link von der Homepage eines Unverpackt-Ladens, wo noch Klopapier angeboten wurde. Am nächsten Tag: Auf dem Weg dahin machte ich kurz Halt, um obiges Plakat zu fotografieren, das ich am Vortag gesehen hatte – „Klopapier“ und „Windeln“ waren nun abgeklebt. Hurra! Als ich am Regal hinten im Laden ankam, mokierten sich zwei Verkäuferinnen gerade keifend darüber, daß schon wieder nahezu alles leergeräumt war. Fast hatte ich ein schlechtes Gewissen, daß nun auch ich ein weiteres Paket entnehmen mußte, fast hätte ich mich entschuldigt, auch ich esse und verdaue und dann, was soll ich machen … nun bin ich stolzer Besitzer von 16 Rollen 4-lagigem Klopapier, „zart duftend“, also parfümiert, dafür etwas teuerer als das, was ich normalerweise kaufe. Ich und mein Hintern atmen auf. Ich hoffe nur, er gewöhnt sich nicht an diese Luxusvariante. Sie heißt übrigens „Shea love“ – ein bißchen Liebe kann ja in diesen Zeiten nicht schaden, egal, woher sie kommt und wofür sie benutzt wird.

17 Antworten zu “Spaziergänge in Zeiten von Corona (1)

  1. Ich glaub, ich muß dir mal nen Ostpaket schicken, das Gegenteil zum früheren Westpaket. Bei uns gibt es sie nämlich wieder die gute Rolle, keine Probleme.
    Mittlerweile habe ich auch über etliche Witze/Videos dazu gelacht. Ich WILL lachen, ich brauche das gerade.
    Alles liegt einem ja sonst wie Mehltau auf der Seele.

    Übrigens, falls dir mal langweilig sein sollte, das ist wirklich eine schöne Ablenkung:
    https://www.boredpanda.com/art-recreation-at-home-museum-challenge/?utm_source=google&utm_medium=organic&utm_campaign=organic

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    • Ich wollte schon euch Blogfreunde bitten, mir jeweils zehn Blätter in einem Briefumschlag zu schicken, gegen Portoerstattung, versteht sich. Daß Du mir gelich ein ganzes Paket schicken willst, ehrt Dich, vielen Dank! – ist aber nicht mehr nötig. Aber wer weiß, was noch passiert, vielleicht komme ich darauf zurück.;-)
      Ja, habe ich auch kurz gedacht: Überall steigen die Infizerten- und Sterberaten – und ich witzel hier über Klopapier … aber das gegeneinander aufzurechnen ist doch Quatsch, keinem ist damit geholfen.

      Sehr schön, wirklich lustig, Dein Link.

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  2. deine spaziergänge erinnern mich wieder daran, dass wir normalerweise demnächst in eure gegend gefahren wären -halb beruflich, halb privat. nun ist der berufliche teil abgesagt und ohne den findet der private natürlich auch nicht statt. dabei wären wir auch gerne mal wieder durch köln spaziert – das letzte mal ist schon ein paar jahre her. schauen wir also deine bilder an – auch die eventuell noch kommenden…

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    • Ja, schade. Aber besser ist es wohl, erstmal nicht mehr zu verreisen. Ich mag mich nichtmal in die S-Bahn setzen, um in die Natur zu fahren. Um so mehr freue ich mich darauf, wenn das wieder möglich ist.

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    • Ja, das stimmt. Meinst Du, daß Leute plötzlich Humor an sich feststellen, von dem sie vorher keine Ahnung hatten? Ist nicht ausgeschlossen, in Krisen wächst man manchmal über sich hinaus, das kenn ich von mir selbst.

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  3. Oh ja, Schokolade ist systemrelevant.
    Nimm mir meine Schokolade und ich
    werde zum Hirsch. 😉

    Ich verstehe die Klo-Papier-Hamsterei
    nicht – das ist zum Running Gag ge-
    worden, kann aber doch nicht
    wirklich wahr sein…oder ?

    Ein König, wer Klo-Papier-Fabrikant
    ist, die müssen sich doch jetzt dumm
    und dämlich verdienen. Andererseits
    wird vielleicht auch eine große Flaute
    kommen, wenn die Leutchen ihre
    gigantischen Vorräte aufbrauchen.

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    • Der Spirituosenladen bei mir gegenüber mußte auch nicht schließen – verständlich, wer Sorgen hat, hat auch Schnaps, sagt man ja, und wenn man den Schnaps wegnimmt, bleiben die Sorgen übrig.;-)

      Ja, wirklich ein Rätsel. Wenn meine Begleiterin und ich durch die Stadt laufen und jemanden mit einem 10er-Pack unterm Arm sehen, hauen wir uns gegenseitig an: Guck mal, da muß es irgendwo wieder welches geben. Na, ich hoffe, es wird sich jetzt bald mal beruhigen auf dem Klopapiermarkt. Jedenfalls wird das eines der Phänomene sein, an die wir uns in ein paar Jahren erinnern werden.: Weißt du noch, da gab es plötzlich kein Klopapier mehr …

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