Apostelnstr.

Immer wieder schön finde ich einen Blick in den Porzellanladen, auf meinen Spaziergängen gehe ich oft vorbei, um zu schauen, was es an neuen Scheußlichkeiten zu bewundern gibt. Keramik ist ein dankbares Material und läßt alles mit sich machen, staunend stehe ich vor dieser Vielfalt an Dekors und Formen. Offenbar findet sowas Käufer, sonst könnte sich dieser Laden nicht halten, ist doch der überwiegende Teil der Ware Ausdruck überbordender Häßlichkeit. Ein … Ding – ich weiß nicht, wie ich es sonst bezeichnen soll – schlägt jedoch alle anderen, so daß es offenbar keinen Käufer findet:

Unwillkürlich fällt mir ein Begriff ein, den wir als Kinder im Schwimmbad als Bezeichnung für einen Sprung ins Wasser mit angezogenen Beinen benutzten: Arschbombe. Das soll laut Beschriftung allerdings ein Pfirsich sein, eine Handarbeit, von 200 auf 99 Euro herabgesetzt. Das ist also nicht etwa eine Bowle-Schale, das Behältnis für das schauderhafte Mischgetränk aus Kellergeister-Sekt, Wein, Mineralwasser und Dosenfrüchten, nein, die …äh, Skulptur hat rein dekorative Zwecke. Oder sie ist der Mittelpunkt für einen Hausaltar: Auf dem Zettel steht: „Für langes Leben!“ („Heiliger Dicker Pfirsich, bitte mach, daß ich ein langes, erfülltes Leben habe. Amen.“)

18 Antworten zu “Apostelnstr.

  1. Kennst du den Film „Pillow Talk“ mit Doris Day und Rock Hudson, ganz witzige Kommödie, wo sie (Innenarchitektin) ihn (Playboy und Musiker) ärgern will und ihm seine Wohnung besonders scheußlich einrichtet. Da wäre die Arsch-Bomben-Pfirsich-Bowle wohl das Herzstück. 🙂

    Oder wie bei Loriot: Der Familienbenutzer. Für die Dame. Für den Herren. Für das Kind.

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    • An den Reaktionen kann man sehen: Das Ding hat eine gewisse erotische … Ausstrahlung? Nein, wie nennt man das … Konnotation. Daher ist es wohl eher was für den Playboy als für die ganze Familie.;-)

      Der Loriot’sche Familienbenutzer ist natürlich eine ganz großarige Erfindung und sollte in keinem Haushalt fehlen.

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    • Das kann gut sein. Wegen der kleinen Früchte dachte ich auch an ein Art Fruchtbarkeitsskulptur, die gut in eine Biedermeiereinrichtungen passen würde – gut, die Biedermeiereinrichtungsbewohner verstehen die Bedeutung vielleicht nicht, oder sie tun jedenfalls so, als würden sie sie nicht verstehen, aber von der Form her würde sich das doch da gut machen.

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  2. Bonsoir!

    Du machst dir keine Vorstellung, welch solcher Scheußlichkeiten
    ich schon in Privatwohnungen gesehen habe.
    (Hatte ja schon mal erwähnt, dass ich zusammen mit einem Freund
    etwa fünf Jahre einen kleinen, ortsansässigen
    TV-SAT-Elektronik-Laden mit Werkstatt betrieb und anfangs
    ausser dem Verkauf auch Kundenfahrten machte. Meist defekte
    TV-Geräte abholen und wieder liefern bzw. Neugeräte
    einrichten. Die Kunden/Kundinnen waren in der Regel
    älteren Semesters, oft alleinstehende, ältere Damen, die unseren
    Service in Anspruch nahmen. In den entsprechenden Wohnungen
    sah ich ähnliches Grauen, wie du bei diesem dokumentierten
    Spaziergang. Die Wände voller Dekorteller aus Porzellan, Holz, Zinn,
    die vor lauter Kitsch nur so „trieften“. Zierkränze und Strohgestecke,
    doofgrinsende Porzellanpüppchen auf Anrichten und Sofalehnen,
    Stickbilder, Brokatkissen und Vitrinen voller Teller und Tassen mit
    Schmockdekor. Scheußlichkeiten in Reih und Glied.
    Die TV-Geräte waren generell mit Stickdeckchen verziert
    (damals noch Röhrenfernsehgeräte mit ausreichend Ablagefläche),
    darauf Nippes, Familienbilder, Herzibärchen, Salzkristall-Lampen drapiert.
    Ich dachte mir bisweilen dabei:
    „In welchen Horror bin ich schon wieder geraten…“
    Dabei durfte ich mir jedoch den Schauder nicht anmerken lassen,
    um möglichst seriös zu wirken. Manchmal malte ich mir während
    der Installation/Deinstallation aus, wie ich mit einer Kettensäge
    den Deko-Horror durchflüge. Wenn die alle geahnt hätten…;-)

    Beliebt unter Damen, um Eingangstüren optisch zu verunstalten:
    https://tinyurl.com/ya2k3xlv
    Auch hier im Wohnhaus an den Zugangstüren vorhanden,
    hinter denen Frauen über die Dekoration walten. (Guter Indikator)
    Mir drehts jedesmal die Zehennägel nach oben, wenn ich daran
    vorbeigehen muss.

    Tja, Kollege Videbitis. Die Welt ist auch voller Grausamkeiten..:-)

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    • Wohnungsdeko ist warscheinlich eine ganze Industrie, oder? Manchmal habe ich Wohnungen gesehen, die hätte man als Dekogeschäft öffnen können. Aber gut, wenn es den Leuten gefällt, warum nicht, es steckt viel Liebe in den sorgsam zusammengestellten Arrangements, und wer sind wir, das zu verurteilen – selbst wenn es uns hochkommt?;-)

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      • Servus!

        Nichts gegen Wohnungsdeko. (Auch ich habe dekoriert.)
        Es geht um Kitsch und Schmock, nicht um kunstvolle Dekoration.
        Und ja. Ich nehme es mir heraus, z.B. diese potthässlichen,
        verschmockten Türkränzchen zu verurteilen. Ich bin so frei..;-)

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        • Salve!

          ~Offtopic~
          Vorhin hab ich mal wieder die „Einstürzende Neubauten“ gelauscht. Mein Favorit vom Album ist „Haus der Lüge“. Eindringliche Lyrik von Blixa Bargeld, originelleSound-Installation. ->>>>>>
          …🎶 https://tinyurl.com/y87djyy6 🎶 …
          Augenblicklich dachte ich dabei an den aktuellen, sogenannten Facebook-Skandal, der eigentlich keiner ist, da „Cambridge Analytica“ ja Facebook nicht gehackt hat, sondern offene Schnittstellen nutzte, um per Smartphone-App (ein „Psychotest“) Nutzerdaten abzusaugen. Begreift man, dass Facebook nichts anderes als ein gigantisches Werbenetzwerk ist (darauf beruht die Facebook-Software / Algorithmen), etwa 2 Milliarden Facebook-Marionetten mehr oder weniger dirigiert werden, die sich durch und durch profilen lassen, personalisierte Werbehäppchen und zugeschnittene Tagesinfos serviert bekommen, dann ist dieser neuerliche, sogenannte Skandal um Facebook nur ein Skandal im Skandal. Facebook selbst ist der Primärskandal. (Ich selbst habe keinen Fratzenbuch-Tracker-Account.)
          Nun nochmal zu den Lyrics von „Haus der Lüge“. Irgendwie wird inhaltlich auch das „Facebook-Haus“ skizziert. Was meinst du?..;-)

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  3. der erste gedanke beim anblick des so genannten pfirsichs war: ein arsch. zwar etwas spitz zulaufend, aber ein arsch.
    einen pfirsich habe ich anders in erinnerung.

    deswegen: danke für den schmunzler, der mir ins gesicht gezaubert wurde.

    zu awtchens kommentar kann ich sagen: ja, er hat recht.
    bei mir im haus unter meiner wohnung lebt ein äletres ehepaar, wo sie jeden frühling, sommer, herbst und winter die deko wechselt.
    sowie zu christlichen feiertagen.
    dann hängen schon einen monat zuvor ostereier, weihnachtsengel etc. an der wand, auf dem fensterbrett im treppenhaus oder blumentopf.
    wir hatten vor 4 jahren eine heftige auseinandersetzung wegen deko auf meiner treppe die von ihr war und die ich nicht mehr haben wollte. es war echt heftig.

    dabei knallte sie mir um die ohren, dass sie nun wisse warum ich keine freunde hätte, keine deko wechseln würde und so weiter. was die alles über mich wusste…

    dabei ist die gute nur sauer auf ihren ehemann, der im haushalt nix macht, wie es in der generation unsere eltern üblich war.
    seitdem höre ich immer wieder ihre stimme, wenn sie laut mit dem gatten nörgelt.

    auch der lüge wurde ich von den alten schon bezichtigt.
    deshalb bekommen sie nur noch ein hallo und guten tag von mir.
    aber jetzt habe ich das thema leicht verfehlt.

    alte menschen werden mit zunehmenden alter schwierig, manche sogar sehr schwierig wie auch starrsinnig.
    da ist die deko nur das kleinste problem.
    boah…

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  4. Wie gut ich dich verstehe. Solche Schaufenster sind eine Fundgrube an Scheußlichkeiten und doch muss es Menschen geben, die genau das kaufen und als schön empfinden. Den anderen bleibt der fassungslose Blick. Und den hatte ich angesichts des Pfirsich auch. Das ist kein Obst. So sieht doch kein Pfirsich aus. Das erinnert an etwas sehr, sehr weibliches. Wobei die Blumen dabei irritieren. Ich hoffe inständig nie eine Wohnung zu betreten, in der ich auf diese Skulptur treffe. Oder doch….doch, ich möchte den Inhaber zu gerne kennen lernen. Ist es ein Mann, dann aber nicht ohne Begleitung 😉

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    • Diese Mischung aus Abscheu und Faszination, die in Deinem Kommentar zum Ausdruck kommt, genau die treibt mich immer mal wieder hin zu diesem Schaufenster. Dieses Schaustück ist nun allerdings ein besonders prachtvolles Exemplar von – neutral ausgedrückt – inspirierter Keramikbearbeitung.;-)

      Sicherheitshalber sollte man die Wohnung, in der das Ding steht, vermutlich gar nicht betreten – vielleicht kann das jemand für uns erledigen und einen Film drehen, meinetwegen mit Polizeibegleitung. Den würde ich mir dann voller Neugier ansehen. Allerdings auch nicht allein.;-)

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  5. Für Mitzi:

    Ich assoziierte auch damit („etwas sehr Weibliches…“),
    erwähnte es jedoch nicht, sonst wird mir noch „Sexismus“
    angehängt/unterstellt..;-)

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