Urlaub im Schwarzwald (9): Freiburg (1)

Im Anschluß an die Wanderung erholten wir uns noch ein paar Tage in Freiburg, der schönen Stadt der Bächle (was es damit auf sich hat, habe ich hier schon einmal beschrieben).

Beliebt besonders bei Kindern sind diese kleinen Bächleboote …

… die oft in Behindertenwerkstätten hergestellt werden und die man in speziellen Spielzeuggeschäften kaufen kann (vorsicht: Nicht durch die falsche Tür gehen).

Da treffen sich dann die Generationen und führen interessante Gespräche: „Also: Sollen wir das Boot nochmal zu Wasser lassen, oder sollen wir nicht lieber ein Bier trinken gehen.“ – „Ich … ich weiß nicht …“ – „Aber Du weißt schon, daß Aufklärung der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit ist. Unmündigkeit, sagt Kant, ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn ihre Ursache nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen!“ – “ Ja, aber Kant sagt auch: Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden. Nur die Annäherung zu dieser Idee ist uns von Natur auferlegt. Und außerdem bin ich erst vier Jahre alt!“

Nee – diese Freiburger! Passend dazu haben sie mitten in der Stadt ein neues Gebäude errichtet, das der Vernunftsbildung dienen soll, als Architektur faszinierend ist, aber leider in die Stadt überhaupt nicht hineinpaßt.

Schräge Wände, die sich in alle Himmelsrichtungen neigen …

… und aus dunklem Chromstahl und dunklen Fenstern sind, in die man nur hineinsehen kann, wenn drinnen jemand das Licht anmacht …

… was zu immer neuen Mustern führt, wenn man drumherum geht.

Wenn die Sonne richtig steht, werden Fassaden und Zimmer erhellt, in die sonst kein Sonnenstrahl käme, aber auch motorisierte Teilnehmer des Straßenverkehrs werden zeitweise derart geblendet, daß die Fassade dieses Kolosses im Frühjahr und Herbst teilweise mit Sonnensegeln abgedeckt werden müssen.

Es ist die neue Universitätsbibliothek, die zur Zeit noch im Probebetrieb läuft. Eigentlich sollte sie bereits seit zwei Jahren fertig sein, nun ist die offizielle Eröffnung in den nächsten Monaten – hier wie überall, Hamburg, Berlin, Köln usw., und auch die Kosten sind natürlich nicht bei den Anfangs veranschlagten 32 Mio. Euro geblieben, sondern auf 53 Mio. gestiegen.

Natürlich ist mir sowas lieber, als wenn sie da einen rein funktionalen Kasten hingesetzt hätten. Daß allerdings städteplanerische Aspekte, also die Einbindung eines Gebäudes in sein Umfeld, anscheinend so gar keine Rolle spielen, finde ich merkwürdig.

Innen sieht auf den ersten Blick alles sehr gut aus. Zwar ist die Bibliothek immer noch Magazinbibliothek, d.h., der größte Teil des Bestandes muß bestellt werden (insgesamt 3,6 Mio Medieneinheiten), aber in vier Lesesälen gibt es 1.200 Arbeitsplätze …

… und zusätzlich 500 Arbeitsplätze im sogenannten Parlatorium, das ist ein Bereich ohne Zugang zu Büchern, in dem also auch gegessen und getrunken werden darf und in dem die Studierenden auch mal laut sein dürfen. Kürzlich habe ich gelesen, daß man festgestellt hat, daß immer mehr Studierende und Schüler ihre Bibliothek als Arbeitsplatz nutzen wollen, was zu einem Ansturm führt, den alte Bibliotheken kaum bewältigen können. Mir wäre sowas früher nie eingefallen, ich war nie länger auf dem Campus als nötig und habe die Literatur mit nach Hause genommen, zu Kaffee und Sofa. So ändern sich die Zeiten.

Und bei schönem Wetter sitzt man draußen auch gut.

Fortsetzung folgt.

14 Gedanken zu “Urlaub im Schwarzwald (9): Freiburg (1)

    1. Videbitis

      Ertappt! Das ist mein Freiburger Büro, die im Schwarzwald zahlen mir einen Haufen Kohle dafür, daß ich weiter über die berichte. Was da vor sich geht? Nichts Besonderes, Alltag halt, ab und zu, also jeden Nachmittag, kommen ein paar nette Frauen vorbei, bringen Champagner und getrüffelten Kaviar mit, wir verbringen ein paar gemütliche Stunden, aber dann heißt es: Arbeiten! Eine halbe Stunde bloggen, bevor ich mit den Damen essen gehe, der Chauffeur wartet schon. Du siehst also, alles im Rahmen.

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      1. Bonsoir!

        Merci für die unverblümte Aufklärung!
        So ähnlich habe ich mir das auch vorgestellt..;-D

        Wie ich sehe, kann man bei WordPress per img-Tag auch Fotos
        in Kommentare einbinden. Werd ich mir merken..;-)

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  1. QuerVerbindung

    …für mich selbst überraschend, gefällt mir die Bibliothek sowohl von außen, als auch innen, so weit ich es anschauen kann…dass sie sich nicht in die Umgebung einfügt, würde mich gar nicht so stören, wenn es das einzige uneingefügte Gebäude ist…ich würde es als Ausdruck eines neuen Geistes, eines neuen Denkens in Mauern einer alten Stadt sehen…

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    1. Videbitis

      Mein erster Gedanke war: Wer ist denn hier begraben? – weil ich sofort an die Pyramiden denken mußte. Die Umgebung wird auch noch neu gestaltet, zur einen Seite soll ein offener, großzügiger Platz entstehen, vielleicht sollte ich es mir nochmal ansehen, wenn es fertig ist. Super, gleich ein zusätzlicher Grund, wieder mal nach Freiburg zu fahren.

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    1. Videbitis

      Was für ein Klotz, die Stuttgarter Stadtbibliothek! Aber die Innenhalle ist sehr beeindruckend, ich frage mich nur, ob sich nicht hauptsächlich fürs Auge gemacht wurde, für die Funktion einer Bibliothek stelle ich mir das eher ungünstig vor, Lärm, der durch alle Stockwerke hallt, und der großzügig verschwendete Platz.

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  2. Die Glaskästen in der Bibliothek erinnern mich an die des Vatikans, da soll es sowas ja auch geben, zum Schutz der Dokumente, die dort aufbewahrt werden.

    P.S.: Ich bin wieder hier, und ich freu mich, dass sich bei dir nichts geändert hat. Herrlich. Wir machen alle weiter wie bisher!

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    1. Videbitis

      Du meinst die dunklen Scheiben? Vermute ich auch, die Dokumente und die Leute, die an den Arbeitsplätzen arbeiten, sollen geschützt werden. Und Wunder der Technik: Von innen sind die Scheiben klar und durchsichtig.

      Ja, nicht? Sieht aus wie vorher. Man merkt kaum , daß man woanders ist. Und lange Wartezeiten gehören auch der Vergangenheit an.

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  3. Toller Dialog zwischen Vater und Sohn! Aber das vom „krummen Holze“ hätte ich keinem meiner Söhne durchgehen lassen. Vielleicht hatte Kant hier auch die zur Schau gestellten und von dir abgellichteten Waden im Sinn.

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