In der Kieler Kunsthalle gibt es einen Trakt zur Kunsterziehung. Hier wird über Farben informiert – mit deutlichen Zeichen, die Patschhändchen schön bei sich zu behalten.
Aktiv werden dürfen die Kleinen im nächsten Raum. Wer angesichts der Monsterbilder glaubt, hier beschäftige man besser auch einen Psychologen, dem sei gesagt: Daß Kinder Monster malen, ist völlig normal, das dient einer natürlichen Angstbewältigung. Erwachsene machen das nicht mehr, die lesen stattdessen Krimis, oder schauen Horrorfilme, um diffuse Angstgefühle zu kanalisieren. Oder sie gehen in die Kirche.
Ob die Bilder des deutschen Expressionismus auch der Angstbewältigung dienten, weiß ich nicht, aber ausgeschlossen ist es nicht – die grellen, oft unvermischten Farben, die oft deformierten Körper und gewagten Perspektiven waren damals zumindest relativ neu und ungewohnt.
Die Ausstellung heißt „CAUboys“. CAU, das ist die Abkürzung für Christian-Albrechts-Universität, und mit den boys sind die Maler gemeint, die in einer Beziehung zur Universität stehen oder gestanden haben – zumeist Ehrenbürger der Stadt oder Ehrendoktoren; auf dem ersten Foto Christian Rohlfs, auf dem zweiten Emil Nolde. Nolde erhielt die Ehrendoktorwürde 1927 zu seinem 60. Geburtstag. In den 30er Jahren zeigte er sich als überzeugter Nazi und Antisemit, was das Land Schleswig-Holstein nicht daran hinderte, ihm bereits 1946 den Professorentitel zu verleihen, was vielleicht daran lag, daß man es wiedergutmachen wollte, daß die Nazis trotz der Anhängerschaft des Malers seine Werke für entartet erklärten und ein Malverbot aussprachen. Merkwürdig: Über die Überzeugungen des Künstlers steht gar nichts im Katalogheft …
CAUgirls waren in dem Modell der Selbsterhöhung – denn nichts anderes ist es, wenn eine Stadt oder Institution sich damit schmückt, eine „bedeutende“ Persönlichkeit mit einem Ehrentitel zu ehren – offensichtlich nicht vorgesehen. Dafür kann natürlich Erich Heckel nichts, von dem die Bilder oben sind.
Last but not least der großartige Karl Schmidt-Rottluff. Eine kleine, feine Ausstellung, soweit es die Bilder betrifft (der Katalog hätte etwas mehr Mühe verdient), wer die Möglichkeit zu einem Besuch hat, sollte hingehen.
In einem anderen Trakt gibt es aktuelle Kunst zu sehen. Etwas ratlos staunt man Bauklötze – an. Glücklicherweise hängt da ein Zettel mit Erklärungshilfen: „Yto Barrada setzt überdimensional große Klötze in den Grundformen und Grundfarben mit der Entwicklung des modernen Marokko in Beziehung“ – wo der Künstler auch zum Teil lebt. Aha.
Hier (Werktitel: Shadows of the Future (APTI AP-1500sX)) hat der Künstler Max Sudhues Teile eines Videobeamers auf einen Overhead-Projektor gelegt (im Jahr 2015) …
… was ein solches Bild an der Wand erzeugt. Auf dem Zettel steht u.a.: „In der Collage, die so als farbige ‚Schatten der Zukunft‘ auf die Wand projiziert wird, entfaltet sich die Illusion einer filmischen Erzählung.“ Ach! Jetzt seh‘ ich’s … auch noch nicht. Tja.
Fortsetzung folgt.
ha, marokko mit bauklötzen hat mir sehr gefallen. alte filme die in nordafrika spielen haben einen ähnlichen eindruck wie die bauklötze vermittelt.
herrlich, farben zum spielen…grinst das kind in mir. 😉
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Hi Videbitis,
die Ausstellung hätte mir auch echt gut gefallen.
Ich mag das erste Foto sehr… 🙂
Farben und Formen… immer spannend.
LG mosi
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Manchmal sind diese Kunst“erklärungen“ das Beste an Ausstellungen oder Büchern über Kunst.
Ich hoffe, sollte ich jemals meine Werke in einer Ausstellung wiederfinden, daß nicht jemand dran schreibt:
„Die Künstlerin setzt überdimensional kleine Papierfetzchen in den Grundformen und Grundfarben mit der Entwicklung des modernen MV in Beziehung.“
oder
„In der Collage, die so als farbige ‚Schatten der Zukunft‘ auf das Papier geklebt wird, entfaltet sich die Illusion einer filmischen Erzählung.“
Natürlich finde ich letzteres als Kritik an der Bourgeoisie der eminenten Welthaftung, bzw. an der Welthaftigkeit der bourgeoisen Eminenz ganz einfach genial! Du nicht auch?
PS: Wie gemein ist das denn: leuchtende Farben zum Greifen schön und nah hinstellen und dann zu Kindern sagen: Hände weg! Ein „Kill your creativity“-Museum?
Die CAUboys sind auch etwas unglücklich gewählt.
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PS: Ich hab jetzt Lust, mit diesen Farben rumzumixen und die Bauklötzchen zu stapeln. 🙂
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Ich weiß gar nicht, ob das ein festes Arrangement ist, wie die da stehen. Im Museum darf man die Werke ja oft nicht anfassen, wenn man nicht in den Knast will. 😉
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Stimmt, das haben sie hübsch gemacht, wahrscheinlich soll man deshalb seine Finger davon lassen, damit es auch so bleibt.
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Stimmt, CAUboys ist ein Kalauer, den sie sich offensichtlich einfach nicht verkneifen konnten, obwohl er weder zur Personenriege noch zur Malerei paßt. Schön blöd.
Wenn man die Kinder machen lassen würde, hätten bald alle Gläser die gleich Farbe und es würde nicht mehr so schön aussehen. Und austoben können sie sich dann ja im nächsten Raum.
Richtig, der Schatten der Zukunft als ontologischer Nichtort in der Diskrepanz, ja: Differenz (!) zur stupiden, um nicht zu sagen, stupend stupiden Manifestation des Seienden in der Dinghaftigkeit der Dinge, die Kritik bürgerlicher Determination ist ja wohl evident und überfällig!
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Oder vielleicht die Innereien eines ausgeweideten Staubsaugers auf einem Polylux herumschieben? Das wäre natürlich auch schwer politisch.
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Mindestens, denn zeigt es nicht die Stupidität der hausfraulichen Tätigkeiten im Gesamtkontext? Ich finde doch.
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Ach meinst du die Diskrepanz der Anhaftung des sublimen Empfindens im Ermessen des gesamten inkarnierten Logos? Oder beziehst du dich dabei eher auf die Dinghaftigkeit der Veredlung in der kosmischen Exegese? Jedenfalls ist das Kunstwerk im höchsten Maße irritant und damit natürlich eminent wichtig. Ich hab neulich noch mit Klaus Biesenbach darüber gesprochen- wir sind einer Meinung. Wie meistens übrigens.
Oh, warte ne Sekunde, das ist er glaub ich gerade, am Mobeil, „Häl-loooo? yes, Klaus, how are YOU, darrrrlinnnng?! Really? Great, grea-ti-to! Coming to New York, sure, sure, klaromaro, darling, on my way, on may way…“
Du, ich hätte noch stundenlang mit dir über die tolle Exibischen talken können, aber, you know, duty is calling. And leisure too. Beibei.
Übrigens, CAUboys, haha, belly laughs, so genial, könnte von mir sein! Tschau-tschau!
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Da sind wir ganz daccord, meine Liebe: „Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen? und Was soll ich kochen? Und das aller wichtigste für den Mann ist der Pudding!“ Das bringt es doch auf den Punkt.
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Biesenbach? Ist das der Biesenbach, der neulich diesen Satz von der reziproken Durchringung von Sinn und Sein, reflexiv gesehen zur pränatalen und postmortalen Existenz, geprägt hat? Genialer Denker!
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Nicht wahr? Ein Mann will jeden Tag auf’s neue gewonnen werden!
Nicht unbedingt mit einem ausgeweideten Staubsauger natürlich. Ob mit Pudding ist auch fraglich. Fritz Teufel vielleicht so als nice memory, „weißte noch damals: Attentat mit Pudding“…(lebt der eigentlich noch, ich muß den mal googeln…).
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Genau das ist er, allerdings hatte ich eher den Eindruck, daß die Durchringung nicht ostentativ Sinn und Sein darstellt, sondern mehr die Zwischentöne der Beziehungshaftigkeit an sich, irdisch, verstehst du, aber auch astral gesehen, jetzt, irgendwie, you know. Lies doch mal seine Autobiographie, „MoMa, Maoam und Mum“, da steht es alles drin.
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PS: Staubsauger! Da gibt es ja grauenvolle Dinge!
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Uff – es gibt Dinge, die mag Mann sich nicht vorstellen. So einen Staubsauger hatten wir auch, unglaublich, in welcher Gefahr ich in meiner Jugend geschwebt habe.
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Kein Wunder, daß das Ding Kobold heißt!
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Für mich sind Schilder, die mir verbieten wollen, etwas anzufassen, ja eher sowas wie eine Einladung oder Herausforderung… :>>
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Du bist das also! Der Albtraum eines jeden Museumsangestellten, weil Du immer kurz davor bist, die Linien auf den millionenteuren Gemälden mit den Fingern nachzumalen. Und daher kommt auch der Stoßseufzer „for heaven’s sake!“ – weil heaven mal wieder im Anmarsch ist, um die neue Hängung kritisch zu inspizieren. 😉
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