Trankgasse

Eine Tasse Tee, nichts Besonderes, könnte man denken …

… dazu ein Glas Duval Leroy Brut Champagner …

… und eine Etagère mit labrigem, aber lecker belegtem Weißbrot, süßem Gebäck, erstklassiger Schokolade und himmlisch schmeckenden Macarons, dazu Scones mit clotted cream und zweierlei Marmelade: Ich bin zum „Afternoon Tea“ im „Excelsior Hotel Ernst“ eingeladen.

Das Luxushotel liegt gleich gegenüber dem Dom, wenn man aus dem Fenster schaut, hat man einen schönen Blick auf das Gewimmel draußen, während man selbst in völliger Ruhe in seinem Sessel sitzt.

Sechs Tische gibt es hier nur, drei für bis zu drei Personen, drei für größere Gruppen, wobei jeder Tisch (zwischen 15 und 18 Uhr) nur einmal pro Tag per Anmeldung belegt ist, das heißt: Keine Hektik, kein Herumgelaufe von platzsuchenden Touristen, Entspannung pur. Das alles hat natürlich seinen Preis: 85 Euro für zwei Personen inkl. Trinkgeld, da kann man sich schon leicht dekadent fühlen. Allerdings nicht so dekadent, wie die Dreiergruppe von unserem Nachbartisch: Die haben so gut wie nichts von dem guten Zeug gegessen, das da vor ihnen stand, und als sie von der Bedienung gefragt wurden, ob sie was einpacken solle, lehnten sie ab. Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, laut „die Macarons hierher!“ zu rufen, wahrscheinlich besser so, wer weiß, was die Leute für eine feuchte Aussprache haben.
Das wird jetzt nicht mein Stammcafé, allein schon aus pekuniären Gründen, aber wenn mich mal wieder jemand dahin einladen will: Bitte sehr, ich bin bereit.

0 Gedanken zu “Trankgasse

  1. Nachtisch willst Du auch noch, zusätzlich zur Schokolade? Naschkatze! 🙂
    Meine Begleiterin hat sich die Schokolade, die wir nicht geschafft haben, einpacken lassen und beim anschließenden Spaziergang am Rhein verputzt.

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  2. Nein, eingeladen war ich von meiner Begleiterin. Aber man muß sich online (oder per Telefon) anmelden, unser Sonntagnachmittagtermin mußte vier Wochen im Voraus gebucht werden. In der Woche geht’s vielleicht schneller. Pöbel darf auch hinein, wenn er zahlen kann – oder, wie in meinem Fall, eingeladen wird. 😉

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  3. Ich starre völlig fasziniert auf diese – wie Du sagst – labbrigen Weißbrotschnittchen, auch wenn sie offenbar nicht mit Gurke belegt sind. Immer wieder sind mir in der englischen Literatur diese cucumber sandwiches begegnet, die zum Tee gereicht werden, und ich habe so ziemlich jeden Angelsachsen, vor allem aber die Angelsächsinnen gefragt, was das denn für ein Gurkenbelag sei. Hatte ich doch mehrfach lobende Worte gelesen, über die besonders köstlichen Gurkenschnittchen, welche diese oder jene Lady zu bereiten wusste. Und jedes Mal wurde ich verständnislos angeguckt und bekam zur Antwort: „Just cucumber – with some butter perhaps.“ Wie ich die Engländer einschätze, streuen sie nicht mal Salz auf die Gurke. Und Deine Weißbrotschnittchen hier bringen mich auch nicht weiter. Nach Gurke schauen sie nicht aus. Aber das Geheimnis muss ohnehin im labbrigen Weißbrot stecken.

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  4. Some people have all the luck!

    Aber irgendwie würde ich mich da unwohl fühlen. Da sitz ich doch lieber in einem netten Café irgendwo im Friedrichshain, da läuft dann auch die Musik, die ich mag und ich bekomme keine „wat will denn die Hippiebratze hier“-Blicke zugeworfen.
    Ist dir mal aufgefallen, daß der arroganteste Berufsstand Kellner von „edlen“ Gaststätten ist? Teilweise urkomisch, wie sehr sich solche Leute anderen überlegen fühlen, nur weil die nicht dem Dresscode des Hauses entsprechen.

    Und last not least: Nicht mal bio, fair trade und vegetarisch nehme ich an.

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  5. Von links nach rechts: Salziger Lachs (nicht so mein Fall), zarter gekochter Schinken, Ei, und zum Schluß – Salatgurke, allerdings so hauchdünn geschnitten, daß man wirklich kaum was davon schmeckt. Solche Sandwiches eß ich sonst nie (in meiner Vorstellung habe ich einen pappigen Klumpen Auszugsmehl, dem jede Nahrhaftigkeit ausgetrieben wurde, in meinem Magen, vermischt mit Fett und Salz), vielleicht schmecken sie gerade darum ganz gut.

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  6. Das war ein sehr angenehmer, vergnüglicher Nachmittag, auch wenn es nicht das Setting war, in dem ich mich normalerweise bewege – wie ein Ausflug, ich genieße das, und wenn man dann noch die richtige Begleitung hat … Die Bedienung war freundlich und sehr zurückhaltend – was die denken, weiß man natürlich nie („oh nein! – schon wieder solche Kretins, die einen Veuve Clicquot nicht von einem Pommery unterscheiden können“), aber das ist mir auch wurscht. Und manchmal ist man natürlich auch selbst schuld, wenn man z.B. bei einem „Afternoon Tea“ fragt, ob man die Sandwiches auch in Bioqualität bekommen kann, die Macarons Fair-trade-Ansprüchen genügen und der Eiaufstrich vegetarisch ist. 😉

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  7. Jetzt fraß mich der Ehrgeiz, und bei der englischen Wikipedia habe ich sie gefunden: cucumber sandwiches.
    Hauchdünn geschnitten ist also vollkommen korrekt. Aber das erscheint mir so unirdisch, dass – obwohl ich seit Wochen keine Wurst gegessen habe – mir beim Gedanken an Teewurst zum Tee das Wasser im Mund zusammenläuft.

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  8. Das liegt wahrscheinlich daran, weil Du seit Wochen keine Teewurst mehr gegessen hast. Das geht mir jedenfalls ähnlich, wenn ich in England bin: Ganz zu Anfang bin ich ganz scharf auf ein full English breakfast, mit Würstchen, Speck, Rührei und gegrillter Tomate – und habe dann für den Rest des Urlaubs genug davon, da ich wieder mal gemerkt habe, daß ich es eigentlich nicht mag.

    Interessant, der Wikipedia-Artikel. Wie diese Engländer es schaffen, aus etwas so gewöhnlichem wie laberigem Weißbrot und einer simplen Gurke ein dekadentes Ereignis zu machen, ist schon ziemlich irre. Monty Python konnte nur in England entstehen, die brauchten ja nur zu beobachten, was ihre Landsleute für Gewohnheiten haben.

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  9. Ja, die Engländer verstehen sich darauf, die Langeweile zu zelebrieren, indem sie zur Exzentrik getrieben wird. Meine derzeitige Einschlaf-CD ist „In 80 Tagen um die Welt“. Dieser Phileas Fogg, den niemals jemand anderswo gesehen hat, als auf dem Weg zwischen seiner Wohnung und seinem Club, fünfhundertund… Schritte hin, dieselbe Anzahl Schritte wieder zurück. Seine Freizeit (und eigentlich hat er ja nur Freizeit) verbringt er mit dem Lesen der Zeitung und mit Whist-Spielen. Und alles zu einer genau festgelegten Uhrzeit. Seinen Bedienten hat er entlassen, weil er das Rasierwasser um zwei Grad Fahrenheit zu wenig erwärmte. Ich schlafe immer schon halb ein, bevor die berühmte Wette abgeschlossen wird, die ihn dann zu dieser Reise um die Welt veranlasst. Und wenn ich nach einer halben Stunde oder so noch mal halb aufwache, wundere ich mich, wie dieser Langweiler sich dazu entschließen konnte, die Witwe Aouda aus den Fängen einer brahmanischen Sekte zu befreien. Wobei es ja eigentlich Passepartout ist, der sie vom Scheiterhaufen rettet.

    Aber ich will das Zelebrieren der Langeweile gar nicht verurteilen, denn die rastlose Jagd nach Events ist ja um nichts besser.

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