Kurzurlaub in Nürnberg (4): Die Kaiserburg

Auf dem Weg zur Burg kommt man durch Gassen mit liebevoll restaurierten Häusern. Ich vermute aber, die bunten Farben entsprechen eher dem heutigen Geschmack. Ein Haus ganz aus Stein zu bauen, das konnte sich nur leisten, wer steinreich war. Fachwerk war günstiger, allerdings gab es die städtische Auflage, mindestens das Erdgeschoß, in dem sich die Feuerstelle befand, aus Stein zu bauen, um der Feuergefahr vorzubeugen.

Das führte zu einem kleinen Problem: Wohin sollte man den Hausaltar stellen, wenn das ganze Erdgeschoß Küchen- und Eßbereich war? Er durfte nämlich über keinem Raum stehen, in dem so profane Dinge verrichtet wurden (wer, um Himmels Willen, denkt sich denn so dämliche Regeln aus?). Also baute man kleine Erker an die Hauswand, da hinein kam der Altar, der nun quasi über der Straße „schwebte“. In späteren Zeiten, als nicht mehr in jedem Haus ein Altar stehen mußte, behielt man diese Bauweise bei, denn es gibt kaum eine bessere Möglichkeit, schnell mal zu gucken, was auf der Straße los ist.

Die Burg liegt oben auf dem Berg – verständlich, wenn die Feinde kommen, sieht man sie besser und kann sie besser abwehren, indem man ihnen Dinge auf den Kopf fallen läßt. Tatsächlich ist die Burg nie eingenommen worden, auch nicht während des 30jährigen Krieges.

Der Sinwellturm läßt noch weiter blicken – da gehen wir jetzt hoch …

… über eine Holztreppe. Sinwell kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet „gewaltig rund“. Stimmt.

Über den Dächern von Nürnberg. Sehr schön.

Das Gelände ist recht weitläufig, und muß es auch sein, denn wenn die Könige und Kaiser des „Heiligen römischen Reiches“ hier einzogen, brachten sie ungefähr 1.000 Leute mit, ein Gefolge, was anständig untergebracht und verköstigt sein wollte. Wenn dann noch Reichs-, Hof- oder Gerichtstage abgehalten wurden, waren noch mehr Menschen in der Stadt.

Das „Heilige römische Reich Deutscher Nation“, wie es komplett heißt, war ein merkwürdiges Gebilde. Es bestand seit Mitte des 9. Jahrhunderts bis 1806 und hatte keine festen Grenzen. Das Gebiet erstreckte sich ungefähr von Italien bis zur Nord-/Ostsee, die heutigen Länder BeNeLux, Österreich, Schweiz, Deutschland, Teile Frankreichs, Tschechiens und Polens gehörten auch dazu. Immer mal wieder fielen einzelne Randbereich ab oder kamen dazu. Der König/Kaiser wurde von sieben Kurfürsten gewählt, hatte aber keinen eigenen Regierungssitz, sondern reiste durch die Gegend und hielt Hof. Nürnberg war eine von mehreren Reichsstädten, das heißt, sie unterstand direkt dem König/Kaiser und war mit entsprechenden Privilegien ausgestattet, sie war relativ frei und mußte sich keinem anderen Fürsten gegenüber verantworten. Es heißt, die Herrscher kamen gern hierher. Unregelmäßig fanden Treffen zwischen König/Kaiser und den Fürsten statt, die man „Reichstage“ nannte, einige davon auch in dieser Stadt.

Im Burgmuseum kann man alles sehr schön nachlesen, wenn man will. Informativ, aber auch anstrengend. Allein, durch die Räumlichkeiten zu schlendern ist schon lohnenwert.

Die Kaiserkrone, unendlich wertvoll – das Original, das sich in Wien befindet. Diese hier ist nur eine Replik.
Um 1800 war es dann vorbei mit dem „Heiligen römischen Reich“, die Truppen Napoleons zogen die Grenzen neu, nicht ohne in die Städte einzuziehen und sie auszuplündern. 1795 ging Preußen das Geld zum Kriegführen aus, also stellte es den Partnern aus dem „Heiligen römischen Reich“ ein Ultimatum: Entweder sie zeigten sich bereit, Preußen finanziell zu unterstützen, oder man würde sich aus dem Krieg zurückziehen. So kam es zum Baseler Frieden: Preußen und Frankreich verabredeten, bei den Eroberungszügen das jeweilige Gebiet der anderen zu verschonen. Als man in Nürnberg davon hörte, heckte man einen tollen Plan aus: Man unterstellte sich einfach dem Kommando der Preußen, freie Reichsstadt hin oder her, und war damit die blöden Franzosen los. Die Preußen waren hocherfreut, marschierten ein – und zogen ganz schnell wieder ab, als sie feststellten, wie hochverschuldet die Stadt war. Es müssen gewaltige Summen gewesen sein. Zehn Jahre später unterstellte Napoleon Nürnberg Bayern, das die Schulden großzügig übernahm. Allerdings ist dieser Anschluß im Jahre 1806 der Grund dafür, daß man hier in der Gegend darauf beharrt, eigentlich keine Bayern zu sein, sondern Franken.

Und was ist das? Das ist der Merkel’sche Tafelaufsatz, kein Scherz. Genannt nach der Kaiserin von Deutschland aus der Uckermark, könnte man denken, stimmt aber nicht: 1806 wurde das Stück im Zuge der Schuldentilgung an einen Kaufman Merkel verkauft. Das fängt man ja heute auch wieder an, daß man Kunst aus öffentlichem Besitz zur Haushaltskonsolidierung verscherbelt.

Historische Waffen, Säbel, die so lang sind, daß man aufpassen muß, niemanden aus Versehen damit zu verletzen.

Auf einer Schautafel kann man lernen, wo man hinpieken muß, damit es dem anderen ordentlich weh tut. Da kann man nur hoffen, daß der sowas nicht hat.

Fortsetzung folgt.

0 Gedanken zu “Kurzurlaub in Nürnberg (4): Die Kaiserburg

  1. Hi Videbitis,

    die Häuschen schauen echt schön aus.
    Ich mag solche bunten Geschichten.

    Die Treppe ist zauberschön fotografiert und der Blick über Nürnberg auch nicht ohne… 🙂

    Das Poster druck ich mir mal aus… :))

    LG mosi

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  2. mir war nicht bewusst, dass das heilige römische reich deutscher nation so lange währte. der geschichtslehrer damals machte einen mehr als langweiligen unterricht. dank dir weiß ich nun, warum die nürnberger sich als franken verstehen und keine bayern sein wollen.

    dass die städte damals schon vor schulden nicht aus noch ein wussten hat sich bis ins 21. jahrhundert gerettet. scheinbar gibt es aus der geschichte keinen lerneffekt.

    darf ich mir die grafik des pikens runterladen? ich finde sie sehr anschaulich für damalige verhältnisse.

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