Kurzurlaub in Nürnberg (5): Skulpturen

Auffällig ist, daß es in Nürnberg viele Skulpturen gibt. Viele Häuser haben christlich motivierte Patrone (ob der zechende Postilion in der Mitte auch zum Schutz des Hauses angebracht wurde?).

Und wer ist das? Auch eine biblische Gestalt:

Hiob, der arme Tropf. So fühlt sich wohl jeder manchmal. Die Figur ist von Gerhard Marcks, den wir hier schon kennengelernt haben. Schlicht und einfach und dennoch ausdrucksstark, sehr schön.

Ganz anders dagegen der zentral gelegene Hans-Sachs-Brunnen, auch „Ehekarussell“ genannt. Er wurde Ende der 70er zur Kaschierung einer Ubahnlüftung in Auftrag gegeben. Der Bildhauer Jürgen Weber schuf eine wilde Figurengruppe nach einem Gedicht von Hans Sachs, des berühmten Nürnberger Dichters aus dem 16. Jahrhundert, mit dem Titel „Das bittersüße ehlich Leben“. Hier ein Auszug:

„Gott sei gelobet und geehrt
Der mir ein frumb Weib hat beschert
Mir der ich zwei und zweinzig Jahr
Gehaust hab, Gott gab länger gar

Wiewohl sich in mein ehlig Leben
Had Süß und Saures oft begeben
Gar wohl gemischt von Freud und Leid,
Erst auf, dann ab, ohn Unterscheid“

„Sie hat mir nit stets kochet Feigen
Will schwankweis Dir ein Teil anzeigen
Sie ist ein Himmel meiner Seel
Sie ist auch oft mein Pein und Hell,

Sie ist mein Engel auserkoren,
Ist oft mein Fegeteufel woren.
Sie ist mein Wünschelrut und Segen
Ist oft mein Schauer und Platzregen“

„Sie ist mein Mai und Rosenhag,
Ist oft mein Blitz und Donnerschlag,
Mein Frau ist oft mein Schimpf und Scherz,
Ist oft mein Jammer, Angst und Schmerz,

Sie ist mein Wonn und Augenweid,
Ist oft mein Traurn und Herzeleid
Sie ist mein Freiheit und mein Wahl,
Ist oft mein Gfängnis und Notstall,“

„Sie ist meine Hoffnung und mein Trost,
Ist oft mein Zweifel, Hitz und Frost.
Mein Frau ist meine Zier und Lust,
Ist oft mein Graun und Suppenwust,

Ist oft mein königlicher Saal,
Doch auch mein Krankheit und Spital.
Mein Frau, die hilft mir treulich nähren,
Thut mir auch oft das Mein verzehren,“

„Mein Frau, die ist mein Schild und Schutz,
Ist oft mein Frevel, Stolz und Trutz.
Sie ist mein Fried und Einigkeit,
Und oft mein täglich Hebensstreit

Sie ist mein Fürsprech und Erlediger,
Ist oft mein Ankläger und Prediger.
Mein Frau ist mein getreuer Freund,
Oft worden auch mein größter Feind,“

„Mein Frau ist mietsam oft und gütig,
Sie ist auch zornig oft und wütig.
Sie ist mein Tugend und mein Laster,
Sie ist mein Wund und auch mein Pflaster,

Sie ist meines Herzens Aufenthalt,
Und machet mich doch grau und alt.“

Klingt ein bißchen wie eine Büttenrede, oder? Hans Sachs war ein Schelm, der Bildhauer nicht weniger. Wie nicht anders zu erwarten, wurde der Brunnen in der Stadt sehr kontrovers aufgenommen. Inzwischen gehört er zu den meistfotografierten Bauwerken der Stadt.

Fortsetzung folgt.

0 Gedanken zu “Kurzurlaub in Nürnberg (5): Skulpturen

  1. Servus!

    Feine Bild/Text-Montage!..;-)
    Den Ehebrunnen habe ich auch schon umrundet. (Und bewundert)
    Den streng-katholischen Schäfchen natürlich ein Dorn im Auge.
    „Nackerte am Marktplatz! – Ein Sündenpfuhl!“

    Gruß aus der guten Stube!

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  2. Ich fühlte mich zu Anfang regelrecht erschlagen von der Größe und der Wildheit der Figuren. Erstaunlich ist das richtige Wort – nicht nur, wie offenbar kompromißlos der Bildhauer zu Werk gegangen ist, sondern daß die städtischen Beamten und Angestellten sich getraut haben, den Brunnen hier, mitten in der Stadt, zu platzieren.

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  3. Danke!
    Ja, ich kann mir den Aufruhr in den Bürgerseelen vorstellen: Da denkt man an plätscherndes Wasser, wo man im Sommer seine Füße reinhängen kann, und dann kriegt man solche Figuren, an denen man nicht vorbei gehen kann, ohne seinen Kindern die Augen zuzuhalten. 😉

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  4. Bei aller Strittigkeit („pseudobarocker Sensualismus“ hat man dem Bildhauer vorgeworfen) passen die Weber-Skulpturen (auch das „Narrenschiff“), wie ich finde, gut ins Nürnberger Stadtbild und gefallen mir durchaus. Das auf ein Herz geschriebene Hans-Sachs-Gedicht unter dem Rosenstock… Wie versöhnlich neben den teils drastischen Darstellungen ehelichen Ungemachs und auch handwerklich toll gemacht! Ein botanisches Rätsel ist für mich noch dieser Zapfen-Maiskolen-Distel-Sockel. Hast Du darüber was?

    Die Kleingeister, die sich über Nacktheit aufregen, sollten lieber gegen so manches Ladenschild protestieren, das die „Stadtschaft“ verschandelt. Voll daneben auch das U-Bahn-Schild am Weißen Turm. So was muss man doch anders lösen können.

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  5. Ich kann auch nur raten: Der tanzende Hans Sachs, der seine sieben Kinder und seine erste Ehefrau ja überlebt hat, fühlt sich wahrscheinlich wie im „Schlarauffenland“ ( http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/16Jh/Sachs/sac_schl.html ), als er noch mit 68 eine junge Witwe heiratet. Mais als Lust- und Fruchtbarkeitssymbol erscheint mir willkürlich gewählt, denn er spielte eigentlich zu Hans Sachs‘ Zeiten in Europa keine Rolle.

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