Optimistischer Rutsch

Jede Wette: Heute Abend wird die Bundeskanzlerin in ihrer Neujahrsansprache wieder sagen, daß das vergangene ein schwieriges Jahr war, dennoch ist schon vieles erreicht und auf den richtigen Weg gebracht. Auch das nächste Jahr wird nicht einfach werden, aber mit vereinten Kräften werden „wir“ alles nötige tun, um blabla, „wir“ sind auf einem guten Weg, wenn „wir“ auch weiterhin blabla. Man könnte das als verbales Bleigießen bezeichnen, man läßt ein paar aufgewärmte Floskeln in eine Flüssigkeit fallen, die erstarren dann, und heraus kommt der Text der Neujahrsansprache. Aber so macht die Bundeskanzlerin das natürlich nicht. Sie befragt stattdessen ihre Auguren.

Auguren, so wurden die Beamten des antiken Römischen Reiches genannt, die die sogenannten Auspizien einholen mußten: Ob eine politische Entscheidung gut oder schlecht war, konnte man an der Beobachtung und Deutung des Vogelflugs erkennen. So dachte man jedenfalls. Heute haben wir Parlamente und einen riesigen Ministerapparat, aber insgeheim werden natürlich immer noch die Auguren befragt. Oder glaubt tatsächlich jemand, die Entscheidungen in der Wirschafts-, Sozial- und Bildungspolitik würden auf der Grundlage von Vernunft gefällt? Nein, das sieht doch jeder, hier wird nach Vogelflug entschieden. Die Auguren von Bundespräsident Wulff z.B. sind sogar so geschickt in der Deutung, die brauchen gar nicht mehr in den Himmel zu gucken. Sie haben ihm geraten, jeweils nur soviel zuzugeben, wie man ihm nachweisen kann. „Aber das kann ich den Bürgern doch nicht verkaufen“, hat er in einem Anflug von Zweifel gesagt. „Den Bürgern kannst du alles verkaufen, glaub uns“, haben seine Auguren Maschmeyer und Geerkens und seine anderen Millionärsfreunde feixend geantwortet.

Ich habe keine Auguren, aber ich blicke trotzdem optimistisch ins neue Jahr, denn folgendes ist passiert: Ich ging vor ein paar Tagen spazieren, die Sonne schien, plötzlich begann es zu nieseln. Ich wollte schon losfluchen, da befiel mich eine Ahnung, ich drehte mich um – und sah für ungefähr 15 Sekunden diesen wunderschönen Doppelregenbogen. Wenn das kein gutes Omen ist! Daß das Foto entstanden ist, ist übrigens der Beweis dafür, daß ich wie Lucky Luke schneller schießen kann als mein Schatten. Jedenfalls weiß ich genau, wo die Enden des Regenbogens auf die Erde treffen (in welcher Stadt, verrate ich nicht), und wenn ich dort die vergrabenen Goldtöpfe finde, bin ich ein reicher Mann. Gut, auf der einen Seite muß ein Haus abgerissen werden, auf der anderen muß man das Vareler Hafenbecken auspumpen. Vielleicht vermittelt mir Herr Wulff einen günstigen Kredit …

0 Gedanken zu “Optimistischer Rutsch

  1. Hihi, danke für diesen schönen Eintrag!! 🙂

    Mama Monster hat am ersten Weihnachtstag übrigens einen schönen Politikersong gepostet:

    Ich hoffe, du hast einen Youtube-Account, denn man muss seine Volljährigkeit „nachweisen“, um das Video ansehen zu können ;D.

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  2. Danke für diese Geschichte. 🙂

    Ich wünsche Dir und natürlich auch Deinen Angehörigen einen guten „Rutsch“! Und ein erfolgreiches, gesundes und glückliches neues Jahr.

    Lasst uns das Alte fröhlich begraben, und dem Neuen einen würdigen Empfang bereiten.

    Liebe Grüße,
    Werner

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