Der arme Armin

Gemein, wie nun alle auf den gescheiterten Kanzlerkandidaten Laschet einschlagen: Gerade erst haben sie ihn zum Vorsitzenden gewählt, auf daß er die Partei zu neuen Erfolgen trage und als strahlender Held das Kanzleramt beziehe, da versetzen sie ihm im Moment des Scheiterns Tritt um Tritt, ihm, der doch eh schon am Boden liegt. Ich mach da nicht mit, ich beteilige mich nicht am Nachtreten auf einen Gescheiterten – ich war schon vorher gegen ihn.

Ich war schon immer der Ansicht, die Tatsache, daß Armin Laschet Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen geworden ist, muß ein Irrtum der Geschichte sein. Wir erinnern uns: Vor Laschet war Hannelore Kraft (SPD) Ministerpräsidentin, und sie war so beliebt, daß alle Meinungsbilder und Vorhersagen davon ausgingen, sie würde ihr Amt auch für eine zweite Amtsperiode behalten. Selbst in der CDU ging man vermutlich davon aus, weshalb man niemand Wichtigen an die Spitze stellte, um keinen Anwärter mit Charisma und Sachkenntnis zu „verbrennen“, den man zukünftig vielleicht nochmal für eine Kandidatur gebrauchen könnte. Dann passierte das Unerwartete: Hannelore Kraft vermittelte den Eindruck, als habe sie keine Lust mehr, machte einen halbherzigen Wahlkampf und leistete sich ein paar unpopuläre Eigenheiten (z.B. ging sie im Urlaub nicht ans Telefon und war selbst für ihre engsten Mitarbeiter nicht zu sprechen) – und wurde abgewählt. Vermutlich zu seinem eigenen Erstaunen, und auch dem seiner Partei, war Armin Laschet plötzlich Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes.

Der Philosoph Friedrich Hegel behauptete, die Geschichte sei in ihrem Verlauf trickreich, letztlich strebe sie aber immer zum Richtigen, er sprach von der „List der Vernunft“. Die Geschichte wird so quasi zur Person (Hegel nannte sie „Weltgeist“ oder „Weltseele“), die sich so oder so entscheiden kann, wie sie weiter verlaufen will, was letztlich nur zum Guten führen kann. Wenn das so ist, denke ich mir, dann kann sie sich ja vielleicht auch mal irren. Es gibt Beispiele: Als die Geschichte wollte, daß die CDU/CSU endlich mal wieder verliert, sorgte sie dafür, daß Alexander Dobrindt Verkehrsminister wird, damit jeder Wähler, jede Wählerin erkennt, was da für inkompetente Leute der Partei in obersten Ämtern sitzen. Hat nicht funktioniert, der Plan. Das Wahlvolk zeigte sich verblüffend ungerührt. Gut, euch werde ich es zeigen, dachte sich die Geschichte, setzte noch eins drauf und hob Andreas Scheuer, von dem man nicht weiß, ob er sich überhaupt die Schuhe allein zubinden kann, in das gleiche Amt: Wieder nichts! Zwei mal hat sich die Geschichte geirrt, aus beiden Amtsführungen hat sich gar nichts Gutes und Vernünftiges ergeben.

Und ein solcher geschichtlicher Irrtum ist Armin Laschet auch. Fatalerweise ist es in den Parteien üblich, nicht die Kompetentesten aus den eigenen Reihen für höhere Ämter zu bestimmen, sondern Gewinner, völlig unabhängig von der Ursache des Sieges. Vernünftigerweise hätte Armin Laschet niemals Ministerpräsident werden dürfen, aber da er nunmal gewonnen hatte, schien er für die eigenen Leute prädestiniert zu sein für das Kanzleramt. Man kann nur verwundert den Kopf schütteln, besonders, wenn man bedenkt, daß sein Gegenspieler Olaf Scholz auf die gleiche Art an seine Spietzenkandidatur gekommen ist: Gewonnene Wahlen in Hamburg unter seiner Ägide reichen aus für die Annahme: Super, der kann das, der macht das. Daß er nun nur wegen eines noch schlechter aussehenden Gegenkadidaten zum (mutmaßlichen) Gewinner dieser Wahl wird – Schwamm drüber, the winner takes it all! Wie blöd ist das?!

Oder ist die ganze Angelegenheit vielleicht eine der Listen der Vernunft? Die Geschichte will … hm … sie will … ich komm nicht drauf. Söder als Kanzler, in vier Jahren, weil Scholz es natürlich auch nicht hinkriegt? Das hätte sie doch schon jetzt haben können. Ich glaube, diese Theorie mit dem Weltgeist, der durch listreiche Verwicklungen in der Geschichte alles zum Besten führt, ist Unsinn. Die Geschichte ist nicht klüger oder dümmer als die, die sie machen, und das sind wir. Wenn die Geschichte vernünftig wäre und nach allem, was ich von Herrn Laschet weiß, dann hätte er eine Herren-„Butike“ in Wuppertal oder in Aachen und würde seinen Kunden Schlipse und Socken in der gleichen Farbe verkaufen, und auch eine Papstaudienz wäre nicht ausgeschlossen. Das wäre nicht nur gut für uns, sondern auch für ihn. Leider ist es anders gekommen.

16 Antworten zu “Der arme Armin

  1. Hannelore Kraft war dermaßen inaktiv, dass ich mir in der Woche vor der Wahl erstmals ne Pulle ALDIsekt (Hausmarke, ganz gut) besorgte, um um 18:02h auf ihr Verschwinden anzustoßen. Hatte mich schon über die Wahlplakate gewundert, dachte die wäre tot. Suchte aber nur was Gemütliches.

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    • Das war wirklich merkwürdig, alle gingen davon aus, daß Hannelore Kraft die Wahl trotz ihrer verstörenden Eigenwilligkeiten sicher in der Tasche habe. Noch am Wahltag sahen die Umfragen Frau Kraft elf Prozentpunkte vor Hernn Laschet. Um so bitterer war dann das Ergebnis für die SPD.

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    • Du hast recht, um der rauhen Wirklichkeit mal zu entfliehen, ist der „Herr der Ringe“ keine schlechte Wahl, da braucht es keine Pille.

      Was die Damen und Herren in der CDU für Pillen schlucken, das würde ich allerdings gern mal wissen: Haben die wirklich geglaubt, Laschet wäre deswegen MP von NRW geworden, weil die Leute ihn so toll fanden und daher bewußt gewählt haben? Das hat der ja noch nichtmal selbst geglaubt. Und wenn doch – wäre die Herrenboutique früher oder später wohl auch bankrott gegangen.;-)

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    • 🙂 Herr Scheuer wird der Meinung sein, daß er das nicht braucht, schließlich hat er hinlänglich bewiesen, daß er helmfrei auf einem E-Roller herumdüsen kann, ohne herunterzufallen. Mehr braucht es nicht als Verkehrsminister.

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    • Ja. Der sich in der Geschichte vervollkommende Weltgeist bedient sich dabei historisch relevanter Personen, also z.B. Napoleon, um den Fortschritt mit dem Mittel der dialektisch wesenhaften dreifachen Bedeutung von Aufhebung (verwerfen, bewahren, hochheben) voranzutreiben. Nach Hegel ist das ein Fortschritt zum Guten, und wenn das schließlich vollkommen erreicht ist, endet die geschichtliche Entwicklung. Hegel dachte, daß das schon zu seiner Zeit erreicht sei, also in der konstitutionellen Monarchie Preußens. Tja, was soll man davon halten, angesichts der Nazi-Barbarei ca. hundert Jahre später? Interessant ist, daß Marx dieses teleologische Modell übernommen hat, und ich befürchte, daß es durch die Apologeten dieser Theorie viel Leid auf die Welt gebracht hat. Jede angebliche Avantgarde, die genau zu wissen scheint, in welche Richtung es zu gehen hat, ist mir suspekt.
      Geschichtliche Entwicklungen laufen tatsächlich oft in Wellenbewegungen ab. Die Hegel’sche Geschichtsphilosophie ist jedoch nach meiner Ansicht großer (und leider verhängnisvoller) Quatsch.

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      • Ich stime völlig mit dir überein, dass jede Avantgarde, die vorgibt zu wissen, wie es lang geht, suspekt ist.
        Ich sehe Hegel weniger als Politiker, sondern als einer, der ein Modell vorgeschlagen hat, nachdem man Geschichte analysieren kann.
        Man könnte sagen, es gibt keine Geschichte sondern nur ein Jetzt, das zeitgeistige 😉 Modelle entwickelt, nach denen man die Vergangenheit zu sehen hat.
        Anyway, hierüber könnte man lange mit Freuden diskutieren, ist aber wohl fürs Medium Blog weniger geeignet.
        Keep well
        Klausbernd 🙂

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  2. Statt Laschet haben wir nun einen Kanzler, der alles weglächelt aber meist wenig sagt. Tatsache bleibt, dass Scholzi-bolzi in seiner Funktion als Bürgermeister von Hamburg, der Stadt gestohlene Millionen nicht von der Privatbank zurückforderte und stattdessen lieber mit den Bankiers in den Hinterzimmern kungelte. So einer war dann Finanzminister – was lernen wir daraus für seine neue Funktion…? 😉

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    • Gute Frage. Er erscheint mir immer als der sprichwörtliche Mann ohne Eigenschaften – einer von der Schmidt’schen Sorte, bloß unmoralischer. Pragmatisch und ideenlos – das verbindet ihn mit Merkel. Wir werden sehen, wir können es ja eh nicht ändern.

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      • Schmidt war da um längen besser, oder kannst Du dir Scholz am Flügel Bach spielend vorstellen. Helmut Schmidt war ein Pragmatiker, aber er hatte Moral – Scholz ist für mich gewissenlos und ein Lügner, er ist ein Aktenfresser ohne Format. Aber wie sagte einmal ein kluger Kopf: jedes Land bekommt die Regierung, die es verdient hat. 🙄 So ist das wohl.

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