Venloer Str.

Manchmal sind die Schulden so groß, da kommt es dann auch nicht mehr darauf an. Als ich einmal ein paar Tausend Euro Miese auf meinem Konto hatte, habe ich meine Freundin zu meinem Geburtstag trotzdem groß ausgeführt, der Hunderter machte den Kohl auch nicht mehr fett. Und so verhält sich die Stadtverwaltung auch, allerdings ins millionenfache gesteigert, und eigentlich ohne daß es was zu feiern gibt.

Seit ungefähr anderthalb Jahren baut man nun schon an der Venloer Str. herum, einer der großen Ausfallstraßen Kölns, jedenfalls an dem Teil, der die Hauptgeschäftsstraße des Stadtteils Ehrenfeld bildet. 63 ausgewachsene Platanen hat man gefällt mit der Begründung, daß ihr Wurzelwerk den Straßenbelag nach oben drücken würde und die Straße nicht mehr eben sei. Bei der Gelegenheit wurde der Fahrradweg vom Bürgersteig zurück auf die Straße verlegt. Für beide Varianten gibt es natürlich Gutachten, in denen man nachlesen kann, weshalb die jeweilige Version die bessere ist, hier hat man sich nun für die zweite entschieden. Nach meinen Erfahrungen als Fahradfahrer ist es fast egal: Ist der Fahrradweg ein abgestzter Teil des Fußweges, kommen einem unaufmerksame Fußgänger ins Gehege, ist er dagegen Teil der Fahrbahn, wird er trotz Markierung von den Autos als zusätzlicher Parkplatz (2. Reihe) genutzt.

Neue Parktaschen wurden angelegt und 63 neue Bäume gepflanzt, immerhin, auch wenn es jetzt wieder 30 Jahre dauern wird, bis sie die Größe der vorherigen erreichen. Außerdem hat man besonders in den Kreuzungsbereichen den Asphalt mit Steinen aufgepflastert (s.o.), damit die Straße nicht so eben ist, was die Autofahrer ja nur zum Rasen verführt … moment, da war doch schon mal was mit „unebener Straße“? Über 1,7 Milionen Euro hat man es sich kosten lassen, einen Zustand künstlich herbeizuführen, der vorher natürlicherweise da war, stolze Leistung. Aber es geht natürlich noch besser:

In einem Kreuzungsbereich wurde ein Zebrastreifen aufgemalt. Man stellte allerdings fest, daß der von den stadtauswärts fahrenden Autofahrern wegen der Aufpflasterung gar nicht gesehen werden konnte. Da standen und stehen zwar die großen blauweißen Zebrastreifenschilder am Straßenrand, aber daß die im Zweifelsfall für Autofahrer keine Bedeutung haben, kennt man ja von der Autobahn: Die Schilder sagen z.B. eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h an, aber da die meisten sich nicht daran zu halten scheinen, muß das wohl ein Irrtum sein. In der Verwaltung legte man den Kopf in Denkerpose, und siehe da, eine Lösung nahte: Die frisch verlegte Aufpflasterung muß weg, stattdessen soll der gute alte Asphalt her, auf dem man den Zebrastreifen ja eh besser sieht. Allgemeines Schulterklopfen, freudige und erleichterte Gesichter: „Wieso sind wir nicht gleich darauf gekommen – wo ist der Schampus?!“

Wer eigentlich nichts zu feiern hat, muß den Grund eben selbst erfinden. Die zusätzlichen 10.000 Euro, die das kostet – egal, wer wird denn an der Sicherheit der Bürger sparen wollen! Prosit allerseits!

0 Gedanken zu “Venloer Str.

  1. tja, da können wir in berlin auch ein lied davon singen.
    mir ist die tage wieder aufgefallen, dass ich beispielsweise den potsdamer platz in den letzten jahren niemals ohne baustelle oder absperrung erlebt habe. irgendwas wird immer aus- oder nachgebessert, ich weiß nicht, wie oft das daimler gebäude beispielsweise schon eingerüstet war. ich meine, das ist damals alles nigelnagelneu gebaut worden, wieso muss da jedes jahr was dran gemacht werden? was ist denn damals offenbar alles schief gegangen?

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  2. Der Potsdamer Platz ist Berlins schlimmstes Nachwendeverbrechen. Wie schön wäre es, wenn das eine Brache wäre mit Wildwuchs und Streichelzoo, Zirkus und Abenteuerspielplatz. Und das hätte fast NIX gekostet.
    Statt dessen…ich könnte jedesmal heulen, wenn ich das sehe.

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  3. Ah, willkommen in Schilda! Wieder einmal. Ich glaube, wenn man sich tagtäglich mit den Bausünden von Städten zu beschäftigen hätte, würde man irgendwann auf ne einsame Insel auswandern. Das gleiche gilt vermutlich auch, wenn man tagtäglich mit so einem Unsinn leben muß.
    Die armen Platanen! Ich hätte Lust auf ein paar Zaubereicheln àlà Asterix und Obelix!

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  4. Gut, grundsätzlich mag ich den Potsdamer Platz, ich bin da gerne. Und alles ist besser als Zirkus *lach*, aber die Tatsache, dass da immer noch weitergebaut werden muss, zeigt ja, dass das damals nicht gründlich durchdacht wurde. Auch die schmalen Straßen da sind ja ein Witz für Autofahrer, lieber hätte man den „Innenraum“ – also alles um die Arcaden, das Musicaltheater etc – als Fußgängerzone machen sollen, die paar Meter bis zur Straße kann man dann auch laufen.

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  5. Zaubertrank wäre auch nicht schlecht, dann könnte man die ganze Stadtverwaltung aus den Sitzen jagen. Manchmal habe ich den Eindruck, Inkompetenz ist hier ein Einstellungskriterium.

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  6. Das haben wir doch vorher auch nicht gewußt, ist die beleidigte Begründung aus dem Amt. Man faßt es nicht: Die Baumaßnahmen der Stadt werden nach dem Trial-and-error-Prinzip vollzogen, daß da Sachen schiefgehen, liegt halt in der Natur der Sache.

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  7. nun ja, ich bin sowieso regelmäßig da, weil ich dort ja im schnitt 1x die woche ins kino gehe. und ich sitze halt gerne unter dem dach im sonycenter. ich mag die architektur, auch das daimler gebäude mag ich gerne, und der ausblick von da oben ist einfach mal ein traum.

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