Heute geht’s ins Museum – angemessen bei der Hitze, die Räume sind klimatisiert. Was für ein Kasten! – jedenfalls von außen. Angefangen mit dem Neubau des Hauptgebäudes des Krakauer Nationalmuseums (es gibt noch neun Filialen) hat man 1934, und bereits 1970, also 36 Jahre später, waren die ersten Räume bezugsfertig. Eile mit Weile, es geht alles seinen realsozialistischen Gang. Für die Fertigstellung des ganzen Gebäudes brauchte man dann noch einmal 20 Jahre.
Innen auch Repräsentationsarchitektur, aber sehr viel charmanter als außen. Auf drei Etagen ist die Kunst verteilt: Polnische Kunst des 20. Jahrunderts, ein Museum für angewandte Kunst und ein Museum für Waffen aller Art sind ständig eingerichtet, daneben gibt es noch Wechselausstellungen.
Eine Plastik aus dem Jahr 1911 sehen wir hier, der Künstler Waclaw Szymanowski war ein Anhänger des Symbolismus. Keine Ahnung, ob das hier nur der Entwurf für eine Monumentalplastik war, wir sehen hier jedenfalls eine Allegorie der Freiheit und des nationalen Selbstbewußtseins des polnischen Volkes. „Prozession zur Wawel“ heißt das Werk: Angeführt von einer weiblichen Lichtgestalt pilgern Bürger und – zum Teil geflügelte – Soldaten zur Wawelburg, dem althergebrachten Königssitz der Polen – und das zu einer Zeit, als es Polen als souveränen Staat gar nicht mehr gab.
Um 1900 war der französische Einfuß auf alle europäischen Künstler groß, auch die polnischen sind da keine Ausnahme. Die „Japanerin“ von Jozef Pankiewicz erinnert nicht nur stark an Matisse, es wurde 1908 auch in Frankreich gemalt, wo der Künstler eine zeitlang lebte.
Kubismus konnte man natürlich auch, dieser Akt von Z. Pronaszko entstand 1917.
Das ganze Haus ist fast menschenleer, es gibt mehr Aufsichtspersonal als Besucher, wobei pro Ausstellungskomplex höchsten zwei Damen aufpassen. Die Flächen sind allerdings so riesig, daß man die meiste Zeit allein ist, verfolgt vermutlich nur durch das allgegenwärtige Auge der Überwachungskameras. Das Kosten-Einnahme-Verhältnis ist also denkbar schlecht, weshalb fast alle Ausstellungsräume dunkel sind, die Stromsparlampen werden jeweils über Bewegungsmelder gesteuert. Wenn man einen neuen Saal betritt, muß man erstmal etwas warten, bis die Lichter ihre volle Leuchtkraft entfaltet haben.
Der berühmte Schriftsteller, Philosoph und Maler StanisÅ‚aw Ignacy Witkiewicz nannte sich wegen der Namensähnlichkeit mit seinem ebenfalls berühmten Vater „Witkacy“. Seine surrealistischen Bilder sind sehr eigen – man versteht sie etwas besser, wenn man weiß, daß der Künstler gewissenhaft auf jedem Bild die genaue Zusammensetzung der Drogen verzeichnete, die er vorher eingenommen hatte.
Dieses Bild von Tadeusz Kantor entspricht so gar nicht dem sozialistischen Realismus, ist aber überraschender Weise aus dem Jahr 1967 …
… und dieses von S. Rodzinski aus dem Jahr 1973. Die Kunstszene muß relativ liberal gewesen sein.
In der Wechselausstellung „Britische Fotografie“ stellt Tom Hunter Vermeer-Gemälde mit modernem Interieur nach: „Der Geograph“, „Schlafendes Mädchen“ und „Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster“. Sehr reizvoll.
Im Museum für angewandte Kunst stehen Möbel und Hausrat der vergangen Jahrhunderte, sehr liebevoll gemacht – aber alles viel zu viel für einen Besuch. Trotzdem, es macht Spaß, hier durchzuschlendern. Außer mir kein Mensch da, ich stelle mir vor, ich würde hier wohnen und jedes Zimmer wäre chronologisch nach Stilen eingerichtet, und je nach Lust und Laune halte ich mich da auf, wo es mir gerade paßt. Allerdings müßte ich dann auch überall putzen … nee, dann lieber nicht.
Die Waffensammlung – gut, warum nicht, es gibt auch Leute, die Briefmarken sammeln, und solange die Waffen hier an der Wand hängen und in Vitrinen lagern, werden sie wenigstens nicht für andere Dinge benutzt.
Das Highlight der Ausstellung kommt zum Schluß: Zwei gegenüberliegende Schützengräben vor stimmungssteigernder Fototapete, daneben die Aufforderung, man möge sich selbst und seine Kleinsten mit den bereitliegenden Uniformen bekleiden und mit den Gewehrattrappen aufeinander schießen. Pen peng – Du bist tot, schnell noch ein Foto, ach, was wär‘ das doch nochmal lustig im Schützengraben.
Fortsetzung folgt.
Danke für den Rundgang…wundert mich aber doch etwas, dass es dort so leer ist, noch dazu wo die Räume kühl sind…
während der Zeit des Soz. Realismus wurden natürlich viele Bilder gemalt, die nicht in diese Kategorie passen, die Menschen waren im Osten ja nicht anders als die Menschen im Westen… vielleicht hat man die Bilder erst hinterher in die Ausstellung aufgenommen?
aber was soll das eigentlich, Familienfotos aus dem Schützengraben? Was soll damit bezweckt werden, möchte man die Leute zum Nachdenken anregen oder soll es ein Gag sein?
LikeLike
Stimmt, das kann sein, daß man sie erst hinterher aufgenommen hat.
Weder zum Nachdenken, noch ein Gag, glaube ich: Man ist wirklich stolz auf die Soldaten, sie sind Helden, Verteidiger des Vaterlandes, und man hält es wahrscheinlich wirklich für eine großartige Idee, den Besuchern die Gelegenheit zur Identifizierung zu geben. Andere Länder, andere Sitten, manchmal schwer nachvollziehbar. In den 70gern habe ich mal Postkarten aus der DDR gesehen, die trugen den stolzen Schriftzug „Errungenschaften des Sozialismus!“ – zu sehen waren entsetzliche Plattenbauten an breiten Straßen, auf denen Panzer rollten. Tja.
LikeLike
…schade, dass ich keine dieser Postkarten besitze, es steckt doch in manchen Dingen eine Art humor, über die sich später lachen lässt…
LikeLike