Sonnabend, 17.09.16, 12 Uhr, Deutzer Werft

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Manchmal gerät man in Köln unversehens in einen Demonstrationszug und wird zum Teilnehmer, obwohl man eigentlich nur durch die Stadt schlendern wollte. In diesem Fall war das in Ordnung – die Forderung kann ich gut unterschreiben.

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Oft kommt eine Demo nicht allein: Da gibt es Gegendemos gegen eine Gegendemo, die wiederum gegen eine ganz andere Demo demonstriert. Auf dem Bahnhofsvorplatz standen sich Neonazis (oben) und linke Organisationen (durchmischt mit ahnungslosen Reisenden, unten) gegenüber, getrennt durch eng an eng gestellte Polizeifahrzeuge – glücklicherweise ist nichts passiert.

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Gemeinsam (wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen) demonstrierte man gegen diese Demo (am 31.07.): Ca. 40.000 Türken und türkischstämmige Mitbürger waren einem Aufruf gefolgt und feierten nicht nur die Zerschlagung des Staatsstreiches, sondern auch die Demokratie in der Türkei und ihren Präsidenten Erdogan. Das sind allerdings drei – wie soll ich sagen – Anlässe oder Bereiche, die nicht so recht zusammenpassen, bzw. der Wirklichkeit entsprechen: Der Staatsstreich wurde nicht zerschlagen, sondern von Erdogan übernommen und weitergeführt in eine Diktatur: Justiz, Parlament und Regierung (inkl. Militär und Polizei) werden gleichgeschaltet, kritische Presse verboten und geahndet, Intellektuelle werden verfolgt, eingesperrt und gefoltert, was aber auch jedem Bürger passieren kann, der nur in den Verdacht gerät, Sympathisant einer Bewegung zu sein, die von Erdogan und seinen Anhängern ohne Beweise beschuldigt wird, den Militärputsch veranlaßt zu haben. Diese Demonstration auf der Deutzer Werft war, unabhängig davon, ob alle Beteiligten davon wissen, eine reine Propagandaveranstaltung.

Aber das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, zeigt eine Demonstration doch, ob Versammlungs- und Meinungsfreiheit in einem Land noch gegeben sind. Im Moment ist es wohl kaum ratsam, in Istanbul eine Demo gegen die diktatorische Politik Erdogans zu veranstalten. Darüber hinaus haben Demos kaum Erfolg, soweit es ihre jeweils konkreten Ziele betrifft, sie geben nur Stimmungen wieder, was mir in den letzten Jahren zu wenig war, deswegen habe ich an kaum einer teilgenommen.

Morgen mache ich mal wieder eine Ausnahme, um meinem Ärger über die Dummheit wenigstens etwas Raum zu geben: In sieben deutschen Großstädten (Köln, Berlin, Frankfurt/M., Hamburg, Leipzig, München und Stuttgart) finden Demonstrationen gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA statt. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Gabriel erklärte ja unlängst, TTIP, also das Abkommen mit den USA, sei so gut wie „gestorben“ (die Kanzlerin und andere Politiker dementierten beinahe augenblicklich), aber CETA, das Abkommen mit Kanada, sei doch eine tolle Sache, man solle das erstmal beschließen und könne ja hinterher noch nachbessern. Warum sollten die Konzerne in Kanada und den USA (die einfach eine Dependance in Kanada eröffnen  können, schon sind sie im Spiel) die Rechte, die ihnen  bereits vertraglich zugesichert wurden, wieder aufgeben? Man weiß nicht genau, ob Gabriel ein übler Zyniker ist oder einfach nur dumm, aber das Resultat ist leider das selbe.

10 Gedanken zu “Sonnabend, 17.09.16, 12 Uhr, Deutzer Werft

  1. genotypa

    der niedersächsische ministerpräsident weil unterstützt gabriel, der sich ja für ceta ausgesprochen hat.
    seit wieviel dekaden scheren sich politiker nicht mehr um den willen des volkes bzw. der bürger?
    auch war lange nicht mehr teilnehmerin einer demonstration, die letzte war in hannover gegen atomkraft.

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      1. genogramma

        heute auf dem parteikonvent der spd in wolfsburg hat der gabriel seine spd hinter sich gebracht und nun befürworten alle das ceta abkommen mit canada.

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  2. genotypa

    gegen was genau wurde demonstriet? das demoplakat „trennung von kirch und staat“ irritiert ein wenig oder ich bin mal wieder kurz vor einem bananenshake. 😉

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    1. Videbitis

      Gegen Erdogan und seine Anhänger, die schrittweise die auch in der Türkei verfassungsrechtlich verankerte Trennung von Religion und Staat abschaffen, und gegen die Entdemokratisierung der Türkei.

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