Courage? Och nö, lieber nicht …

Welcher Wagen nun mitfährt auf einem Rosenmontagszug oder nicht, ist so interessant wie der umfallende Sack Reis in China. Normalerweise. In diesem Fall offenbart sich etwas, was typisch kölsch ist: Große Klappe im Vorfeld, aber wenn es dann soweit ist, lieber den Schwanz einkneifen.

Nach den Anschlägen in Paris, als sich alle Welt durch den Spruch „Je suis Charlie“ mit den Opfern solidarisch zeigte, wollte man beim Festkomitee des Kölner Karnevals nicht nachstehen. Man ließ mehrere Entwürfe für einen Rosenmontagswagen zur Abstimmung ins Internet stellen, und der Entwurf oben gewann mit 7.000 Stimmen. Aus den Kreisen der Organisatoren konnte man hören, für den Karnevalisten sei die Meinungsfreiheit wie die Luft zum Atmen, deshalb sei es ja wohl eine Selbstverständlichkeit und Ehre usw. Ich weiß nicht, was die Herren inzwischen inhalieren, denn der Wagen darf nun doch nicht mitfahren, einige Bürger hätten Bedenken geäußert. „Wir möchten, dass alle Besucher, Bürger und Teilnehmer des Rosenmontagszuges befreit und ohne Sorgen einen fröhlichen Karneval erleben.“ Gab es vielleicht irgendwelche Warnungen aus dem muslimischen Bereich? Anschlagsandrohungen wütender Salafisten? Bedenken aus dem Hause Faber-Castell, daß die Buntstifte gegen Pistolen gar nichts ausrichten können? Nichts dergleichen. In vorauseilendem Gehorsam gegen einen möglichen Protest verzichtet man lieber, um die „Leichtigkeit“ (bedenken- und gedankenlos saufen und feiern) nicht zu gefährden. Meinungsfreiheit wird hier verstanden als die Freiheit, seine Meinung schneller wechseln zu können als seine Unterwäsche, eine kölsche Tugend, die auch der Oberbürgermeister sicher beherrscht:

Am 29.1. stand in der Zeitung: „Oberbürgermeister Jürgen Roters plädierte […] noch wenige Stunden vor der Absage durch das Festkomitee dafür, den Wagen mitziehen zu lassen. Es sei für den Karneval wichtig, dass er sich ’solidarisch zeigt mit denen, die Witz und Karikatur pflegen‘.“

Am 30.1. stand in der Zeitung: „Roters begrüßt Rückzug des ‚Charlie‘-Wagens: Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters [bezeichnet] die Entscheidung des Festkomitees als ‚klug‘.“

Na dann, Alaaf allerseit.

PS: Wie immer zu dieser Zeit verschwinde ich aus der Stadt und fahre nach Berlin. Wir lesen uns in zwei Wochen wieder, bis dann.

0 Gedanken zu “Courage? Och nö, lieber nicht …

  1. Ich denke, die Bedenken wurden eher in dubiosen Artikeln der lokalen Presse laut,
    die dann sogleich dankbar von der Lokalpolitik aufgenommen wurden. Von Seiten
    der Polizei oder des Staatsschutzes bestanden gar keine Vorbehalte. Das war alles
    erstunken und erlogen. Wirklich ein Armutszeugnis für die sonst offene Stadt Köln.

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  2. Ja, habe ich auch gehört, Bild und Express in ihrer üblichen Rolle als Brandbeschleuniger, diesmal allerdings an einer Stelle, wo es gar nicht gebrannt hat. Daß die Herren vom Festkomitee sich so am Nasenring herumführen lassen, ist schon sehr arm, gelinde gesagt.

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