(Schon nicht mehr ganz so) Krank in Berlin

Im Gropius-Bau, einem großen Gebäude im Renaissance-Stil, habe ich schon einige gute Ausstellungen gesehen … moment mal, Gropius? War das nicht der „Bauhaus“-Begründer und spätere Architekt von Wohnwaben für die Massen? Was hat der mit Renaissance zu tun? Gar nichts, das war Walter Gropius, ein Großneffe von Martin Gropius, der das Museum 1881 fertigstellte. Und deshalb heißt es auch vollständig „Martin-Gropius-Bau“.

Heute gibt es keinen ständigen Museumsbestand mehr, sondern nur noch Wechselausstellungen, wie zum Beispiel diese sehr schöne Ausstellung mit 200 Fotografien der Ausnahmefotografin Diane Arbus. Die Arbus hat es in den 60er Jahren geschafft, einen ganz eigenen Stil zu entwickeln, das ist als Fotografin gar nicht einfach. Besonders ist sie durch ihre ungeschönten Bilder von Drag-Künstlern, Behinderten, Nudisten und anderen Minderheiten bekannt geworden. Fotografieren war in der Ausstellung strengstens verboten – lächerlich eigentlich, ich habe bestimmt drei iPhone-Heimlich-Fotografierer gesehen. Wen es interessiert: Das Internet ist natürlich voll von ihren Fotos, z.B. hier.

Wenn man aus der Ausstellung kommt, hat man eine Zeitlang einen Blick für Absurdes. Oder kommt es mir nur so vor?

Ein paar Schritte weiter gibt es in einem Hinterhof einen Laden für den Verkauf aus der Auflösung eines Theaterfundus.

Bilder, Puppen, Ornamente, Stoffe …

… Spiegel, Klamotten und Putti, alles, was das Herz begehrt. So ein reichverzierter Barockspiegel, zwei bis drei Meter hoch, warum nicht. Kostet aber 1000 Euro.

Zurück im Kiez mahnt uns die Sonne, daß wir uns gesund ernähren sollen. Da fällt mir ein: Ich habe gelesen, daß man „Kiez“ nicht mehr sagen darf, wenn man sich nicht als „total out“ outen will, weil das Wort inzwischen in jeder Werbebroschüre steht und gern auch von sich anbiedernden Politikern in den Mund genommen wird. Und was sagt man jetzt? Wieder Viertel? Oder Gebiet?

Fortsetzung folgt.

0 Gedanken zu “(Schon nicht mehr ganz so) Krank in Berlin

  1. um deine letzte frage zu beantworten: in österreich sagen sie quartier.
    mir gefällt das gut.

    wenn ich kiez und gropius höre, muß ich an christiane f. denken.
    sie wohnte doch in der gropius-stadt mit ihrer mutter und schwester.
    was mag aus ihr geworden sein?

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  2. Nichts Gutes leider….immer wieder rückfällig, weiterhin wohl ziemlich chaotisch.

    Gropius-Stadt, grauenhaft, in dem Buch war damals gut beschreiben, was das mit Menschen macht, so unmenschenwürdig zu wohnen.

    Studien treiben könnte man auch in der shopping Meile „Gropius Passagen“, richtig schön zum Abgewöhnen. Die U7 bringt einen hin. Man braucht nicht mal das Tageslicht zu sehen, dazu.

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  3. Ich komme aus gerade aus Berlin. Heiß, voll, laut. War bei dir schon der Schienenersatzverkehr zwischen Friedrichstraße und Französicher? Geht ja gar nicht!
    Ich war richtig froh wieder zuhause zu sein, Gott ist das hier leer und friedlich.
    Mir ist meine Stadt manchmal etwas zu ville und: isses überhaupt noch meine? Ich weiß nicht mal mehr, wo was fährt.

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  4. Ja, sie haben Unter den Linden an der Kreuzung Friedrichstr. tief aufgerissen, wir wollten eigentlich zur Kochstr., sind dann mit der S-Bahn gefahren.
    Stimmt, so im Gewühl, wenn man irgendwo hinmuß, kann es sehr nervig sein bei der Hitze.

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  5. Touris müssen hier wahnsinnig werden. Aber ok, das kennen wir ja alles von London… da war es noch viel schlimmer! Da ist ja immer irgendwas („Don’t get off at Chalk Farm, there is no lift between…“) und dann meistens auf’s Chaotischste organisiert.
    Der Unterschied dazu: Die Leute sind freundlicher….

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  6. …ich fragte mich gerade, was mobile Gärten sind, da wird es auch schon von Dir erklärt…eine tolle Idee…und ich mag Diane Arbus…sehr…sicher schärft sie den Blick für Absurdes…aber auch für Tiefgründiges…

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  7. Ja, das ist wahr. Ich glaube ihr auch, wenn sie schreibt, daß sie die Leute nicht vorführen und der Lächerlichkeit preisgeben will, ganz im Gegenteil, auch diese Personen, will sie zeigen, haben ihre eigene Würde. Manchmal sind die Darstellungen allerdings hart an der Grenze, zum Beispiel dieser junge Mann (Teilnehmer einer Kriegsparade, auf dem Button steht „Bomb Hanoi“) erscheint wie seine eigene Karikatur:

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  8. Sie hat einen entlarvenden Blick…(und mir gefallen besonders die weniger spektakulären Fotos)…und solch ein Blick kann klärend wirken für den, der sieht…die anderen fühlen sich nicht betroffen, also auch nicht verletzt, so hoffe ich doch…
    …aber es handelt sich natürlich auch um eine Bloßstellung, ob beabsichtigt oder nicht, alle spricht für sich selbst und in dem es erkannt wird, sichtbar gemacht, hervorgehoben…kann es einer Bloßstellung gleichkommen…

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  9. Da mag der White Cube sich noch so hartnäckig als Vorstellung vom idealen Ausstellungskonzept behaupten, der Gropius-Bau ist und bleibt ein großartiges Ausstellungshaus, in dem man wirklich jede Art von Kunst und auch archäologische Ausstellungen zeigen kann.

    Wart Ihr da im Fundusverkauf an der Behrenstraße? Ich habe es bislang geschafft, an dem Ding vorbeizumarschieren. Zu sehr befürchte ich, dort der Versuchung nicht widerstehen zu können, mir noch den einen oder anderen Staubfänger zuzulegen. Dabei bin ich doch gerade dabei, alles Überflüssige aus meinen vier Wänden zu verbannen.

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  10. Ich habe gelesen, daß eventuell die alte Gemäldegalerie, die bisher im Kulturforum (zum Teil im Keller) deponiert war, im Gropius-Bau ausgestellt werden soll, bis auf der Museumsinsel ein neues Gebäude entstanden ist. Berlin ist arm, aber offenbar heißt das nicht, daß man kein Geld hat.

    Ich habe schnell mal geguckt: In der Zimmerstr., zwischen Gropius-Bau und Friedrichstr.

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  11. Ich gestehe ganz offen, ich bin sehr für die Dauerausstellungen der Museen und gehe da auch immer wieder gerne rein. Das ist wie alte Freunde treffen. Diese kuratierten Themenausstellungen haben natürlich auch ihre Berechtigung, verschlingen aber durch die teuren Kunsttransporte und die Versicherungssummen Geld, das effektiv nicht da ist. Berlin hat kein Geld. Berlin erhöht einfach seine Schulden und damit die Pro-Kopf-Verschuldung. Über die Flughafen-Blamage darf man nicht nachdenken, ohne dass einem schlecht wird. Aber dafür sparen sie bei den Schulen. Es ist einfach nur grauenhaft.

    Das ist dann doch ein anderer Laden, aber auch um den werde ich aus besagten Gründen einen Bogen machen. 🙂

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