Ausflüge in Zeiten von Corona: Düsseldorf (2)

Wir sind in Düsseldorf, um eine Ausstellung zu besuchen, die wir schon im Februar ins Visier genommen hatten: „Peter Lindbergh: Untold Stories“ (für eine große Darstellung rechte Maustaste, auf „Grafik anzeigen“ klicken).

Peter Lindbergh (mit bürgerlichem Namen Peter Brodbeck, in Duisburg aufgewachsen) war der Modefotograf, der das Supermodel-Phänomen aus der Taufe gehoben hat, freilich ohne es vorherzusehen. Anfang der 90er Jahre erzählte er einem Herausgeber einer Modezeitschrift, daß er keine Lust habe, Frauen darzustellen, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hätten: Frauen in perfekten luxuriösen häuslichen Umgebungen, perfekt gestylt und mit kostbarem Schmuck behangen. Es entstand ein inzwischen ikonisches Cover-Foto mit Models, deren Namen damals noch unbekannt waren, die aber im folgenden Jahrzehnt zu Superstars wurden, deren Auftritte auf den Laufstegen die Modekleidung, die sie vorzeigen sollten, zeitweise überschatteten. Der Purismus, den Lindbergh da zeigte – kurze Haare, keine Klunker, Straßenszenen, Schwarzweißfotografie – hielt sich nicht lange, aber die Models gaben für zehn Jahre den Ton an, wir kennen heute noch ihre Namen: Cindy Crawford, Naomi Campbell, Linda Evangelista, Tatjana Patitz, Christy Turlington (später kamen noch ein paar andere hinzu).

Der Erfolg der Models machte natürlich auch den Fotografen zu einem Star, der sich in der Folge vor Aufträge weltweit kaum noch retten konnte.

Die Ausstellung wurde von Lindbergh selbst kuratiert, zwei Jahre hat es gedauert, bis er in seiner Pariser Wohnung die 140 Exponate für die Ausstellung ausgesucht hatte. Es sollte keine Retrospektive sein, dafür fühlte er sich noch zu jung – „Untold Stories“, das sollte eine Seite von ihm zeigen, die er mehr gewürdigt wissen wollte. Die letzte Wahl war, wie er sagte, eine Bauchentscheidung.

Völlig überraschend verstarb er 74-jährig im September 2019, kurz nachdem er seine Auswahl getroffen hatte. Ich habe mir ein paar Videos mit ihm angesehen, und ich habe den Eindruck, er war ein cooler, gelassener Typ. Als er 20 Jahre alt war, Mitte der 60er Jahre, trampte er für zwei Jahre durch Frankreich, Spanien und Marokko und lebte von Gelegenheitsjobs, ich vermute, das sagt mehr über ihn aus als so manches, was über ihn geschrieben wurde.

Für die Ausstellung wurden einige Fotos groß auf Plakatpapier, wie man es in der Außenwerbung findet, ‚aufgeblasen‘ und an die Wände geklebt …

… viele andere großformatig in immer gleichen braunen, schmalen Holzrahmen aufgehängt.

Ein sehr ansprechendes Konzept. Links oben sieht man die Schauspielerin Jeanne Moreau. Berühmtheiten auch außerhalb der Modebranche ließen sich gern von ihm fotografieren, so heißt es.

In einem abgedunkeltem Raum sieht man plötzlich die Portraits dieses Mannes: Es sind Filmstills eines Films, den Lindbergh 2013 von dem zum Tode verurteilten Elmer Carroll gemacht hat, kurz vor dessen Hinrichtung durch eine Injektion. Carroll saß seit 1990 in der Todeszelle, weil er ein 10-jähriges Mädchen vergewaltigt und umgebracht hatte. In einem weiteren abgedunkelten Raum kann man sich den Film ansehen: Carroll schaut 30 Minuten lang in einen halbdurchlässigen Spiegel, das heißt, es sieht nur sich selbst, während auf der anderen Seite eine Kamera steht und ihn dabei filmt. Der Betrachter sieht in sein Gesicht – manchmal irren seine Augen ab, einmal ist ein kleines Schmunzeln zu sehen, aber meistens ist der Ausdruck ausdruckslos, so scheint es. Was man sieht, ist ein Mensch, ganz egal, was er getan hat. Schwer auszuhalten, ich konnte es nur für ein paar Minuten. Ein Foto kann ich mir lange anschauen, ein Film ist dann doch ein ganz anderes Medium.

Eine gute, anregende Ausstellung, die noch bis zum 27. September verlängert ist.

Die meisten Fotos, muß ich gestehen, berühren mich nicht sehr: Man sieht, daß sie in Modefotosessions entstanden sind, das ist ganz nett, sich das mal anzuschauen, aber mehr Eindruck hinterlassen sie bei mir nicht. Das soll kein Vorwurf sein, auch hier eine reine Bauchsache: Man fühlt in sich hinein, und wenn da nichts ist, kann man nichts machen.

Was leider stört, ist der Umstand, daß die gerahmten Fotos mit nichtentspiegeltem Glas eingefaßt sind: Wenn man direkt davor steht, wird man zum Teil der Fotografie, ebenso wie die anderen Besucher und die gegenüber hängenden Fotos. Blöd.

Gut gelöst hingegen ist der Umgang mit den Gefahren durch Corona – mit dem Online-Kauf einer Eintrittskarte legt man ein Zeitfenster fest, in dem man in der Ausstellung erscheinen will. So ist geregelt, daß sich nicht zu viele Besucher gleichzeitig in den Räumen aufhalten. Die Gaderobe ist leer, wer seine Tasche und Jacke wegschließen will, findet immer einen leeren Spind.
Ich wünschte, ein solches Besucherkonzept ließe sich für Nach-Coronazeiten aufrechterhalten, das ist doch wirklich sehr angenehm, wenn man sich in Ruhe die Exponate anschauen kann, ohne sich gegenseitig auf die Füße zu treten.

Liebe Freunde, morgen fahre ich für zwei Wochen in einen Wanderurlaub. Wünscht mir gutes Wetter und leere Wanderwege, und vor allem: Bleibt gesund!