Als ich 1985 nach Köln zog, mußte ich schnell eine Unterkunft finden, hatte aber nur wenig Geld. Also landete ich in Kalk, einem rechtsrheinischen Viertel, das damals einen Ausländeranteil von über 50 Prozent hatte. Das hat mich nicht gestört, soll nur verdeutlichen, wie unbeliebt dieser Stadtteil war, was vielleicht zu einem nicht geringen Teil einer großen chemischen Fabrik zu verdanken war, die bestialisch stank. Wenn da der Wind ungünstig stand, puh!, und gesund war es sicher auch nicht.
1993 wurde die Fabrik endlich geschlossen, und nachdem man alle Gebäude entfernt und den hochgradig vergifteten Boden abgetragen hatte, begann man mit der Planung einer neuen Bebauung des riesigen Geländes. Natürlich wurden alle Bürger eingeladen, sich Gedanken zu machen, für eine lebenswerte urbane Umwelt … wer das jetzt wirklich glaubt, hat sich eine beneidenswerte Portion Naivität bewahrt. An die eine Ecke setzte man erstmal das neue Polizeipräsidium hin, ein paar Jahre später entstanden an der nächsten Ecke, in Richtung der Haupteinkaufsstraße von Kalk, die „Köln Arcaden“ …
… ein Einkaufszentrum mit über 130 Geschäften, über die sich besonders die lang ansässigen Einzelhändler gefreut haben dürften. Zum Wochenende gehen die Öffnungszeiten sogar bis 22 Uhr.
Die Essener Immobilienfirma „mfi“ betreibt in Deutschland 24 solcher Zentren, bevorzugt immer irgenwas mit „Arcaden“ im Namen, und ist dafür bekannt, sich besonders für die Kunst am Bau einzusetzen – ja, man weiß, was man der Bevölkerung schuldig ist. Diese Spirale (das kugelartige Gebilde unten gehört auch noch dazu) von dem Künstler Fre Ilgen heißt nun ausgerechnet „Suffragette City“ – der Künstler dazu wörtlich: Ein „Symbol für die fröhliche, lebendige Atmosphäre in der Ladenstrasse.“
Ja, so stellt man sich die emanzipierte Frau von heute vor: Nach der Arbeit (einer muß ja das Geld verdienen) erst zur Maniküre und zum Frisör, dann in einem der zahllosen Bekleidungskettenfilialen hübsch einkleiden, dann ab in den Supermarkt, bloß die Getränke nicht vergessen, und husch husch nach Hause, wo die Familie schon hungrig aufs Abendessen wartet. Jawohl, die Frauen von heute sollen endlich selbst bestimmen, welchen Lebensweg sie einschlagen wollen, ganz nach dem Motto unserer Frauenministerin: „Danke, emanzipiert sind wir selber“ – in Suffragette City!
Am Hinterausgang sieht man oft Karrieristinnen, die zahllos in den Geschäften Waren auspacken, pausieren. Völlig selbstbestimmt natürlich! Also das Luftschnappen jetzt.
Fortsetzung folgt.