Jedesmal, wenn ich in Düsseldorf bin, wundere ich mich darüber, was das für eine häßliche Stadt ist. Allerdings kenne ich mich nicht gut aus, gehe immer nur vom Hauptbahnhof Richtung Königsallee, die ich überhaupt noch nie ohne Baustellen gesehen habe, durch die völlig überfüllte Altstadt (wegen der vielen Kneipen spricht man hier von der „längsten Theke der Welt“ – bäh!) zu den Museen, die regelmäßig herausragende Ausstellungen zeigen, was man sich in Köln leider schon lange nicht mehr leisten kann. Mein Weg führt mich diesmal vorbei am „K20“, der Kunstsammlung NRW am Grabbeplatz, hin zum „Museum Kunstpalast“, um die Ausstellung „El Greco und die Moderne“ zu besuchen.
Der Maler El Greco hieß in Wirklichkeit Domínikos Theotokópoulos, aber das konnte sich außerhalb von Griechenland niemand merken, und so nannte man ihn in Spanien, wo er um 1600 lebte und arbeitete, nur El Greco = Der Grieche. Die Kunstepoche zwischen Renaissance und Barock (ca. 1520 – 1600), der der Maler zugeschrieben wird, nannte man später „Manierismus“. Sie zeichnet sich aus durch den Versuch, sich von der Renaissance abzukehren, bzw. sie weiterzuentwickeln: Nicht mehr das schöne, klassische Ebenmaß, die perfekte Perspektive galt es darzustellen, sondern eine Überhöhung der Natur durch Kunst. So kommt es, daß uns heute viele Werke des Manierismus mit ihren falschen Proportionen und übertriebenen Posen merkwürdig ungekonnt vorkommen. El Greco eckte schon zu Lebzeiten mit seinen Werken an. Seine Auftraggeber, hauptsächlich Kirchenleute und Adel, hatten einen anderen Begriff von Schönheit als der Maler, was dem aber egal war.
Kaum war er gestorben, schon geriet sein Werk in Vergessenheit, wahrscheinlich war man froh, ihn los zu sein. Im 19. Jahrhundert wurden seine Bilder wiederentdeckt und hatten großen Einfluß auf die Künstler der Moderne, also Cézanne, Picasso, Delaunay, die deutschen Expressionisten und andere.
Und es ist ja auch wirklich kaum zu glauben, das dieses Bild 1614 und nicht im 20. Jahrhundert gemalt wurde: Es heißt „Das fünfte Siegel der Apokalypse“. Es ist keine Landschaft zu sehen, der Himmel ist ein wüstes Abstraktum, die Figuren sind unharmonisch angeordnet, vollführen dramatische Gesten und sind so grell und expressiv gemalt, wie man es eigentlich sonst nur aus viel späterer Zeit kennt.
Die dramatische Aufgewühltheit des Bildes scheint aus heutiger Sicht angemessen, zeigt es doch eine Szene aus der Apokalypse des Johannes:
„Als das Lamm das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen aller, die hingeschlachtet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie abgelegt hatten. Sie riefen mit lauter Stimme: Wie lange zögerst du noch, Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, Gericht zu halten und unser Blut an den Bewohnern der Erde zu rächen? Da wurde jedem von ihnen ein weißes Gewand gegeben; und ihnen wurde gesagt, sie sollten noch kurze Zeit warten, bis die volle Zahl erreicht sei durch den Tod ihrer Mitknechte und Brüder, die noch sterben müssten wie sie.“ (Quelle: Wikipedia)
Wie gesagt, die modernen Künstler zu Anfang des 20. Jahrhundert waren begeistert von der Ausdruckskraft El Grecos, die grellen Farben, die gelängten Gliedmaße fanden Eingang in eigene Werke (wie hier bei Max Beckmann: Kreuzabnahme, 1917). In dieser großartigen Ausstellungen werden sie nun zusammen gezeigt, ca. 40 Originale von El Greco und einhundert Werke der Künstler der klassischen Moderne. Wer kann, sollte unbedingt hingehen, die Ausstellung macht viel Spaß und ist außerdem unanstrengend lehrreich.
Hier erfährt man alles über Öffnungszeiten usw.
Und wen es interessiert: Hier habe ich schon mal ein Werk des Manierismus besprochen.