Daniel Glattauer: Gut gegen Nordwind

Eigentlich mag ich keine Briefromane, obwohl es durchaus gute gibt, ich möchte mir lieber Handlung vorstellen, als sie nur von den Protagonisten erzählt zu bekommen. Deshalb hätte ich mir dieses Buch wahrscheinlich nicht gekauft (was ein Fehler gewesen wäre!), wäre es mir nicht von reloaded  empfohlen worden. Aber der Reihe nach:

Der Roman ist kein Brief-, sondern – ganz zeitgemäß – ein email-Roman. Emmi Rothner möchte per Internet ihr Abo der Zeitschrift „Like“ kündigen, verschreibt sich aber bei der Adresse, statt „…@like.com“ sendet sie die mail an „…@leike.com“, die zu Leo Leike gehört, der ihr schließlich antwortet. Daraus ergibt sich ein Dialog, der (ich konnte es mir zu Anfang selbst nicht vorstellen) tatsächlich über 200 Seiten hält und fesselt: Obwohl die beiden sich nie treffen (außer vielleicht zum Schluß? – darf ich nicht verraten), verlieben sie sich langsam ineinander, obgleich Emmi eigentlich glücklich verheiratet ist. Die Dialoge, die die beiden führen, sind witzig, überraschend, geistreich, sarkastisch, anrührend, manchmal einander verletzend, nie langweilig, immer spannend – und das mit einer scheinbaren Leichtigkeit und Eleganz geschrieben, ohne jemals oberflächlich zu sein, wie ich es schon längere Zeit nicht mehr gelesen habe. Glattauer ist absolut sicher, nicht an einer einzigen Stelle verfehlt er den Ton, sein Rhythmus ist bewunderungswürdig. Gern werden ja in zeitgenössischen Liebesromanen Geschlechterklischees gepflegt (z.B.: Starke Frau, tumbe Männer, bis auf einen, der plötzlich auftaucht und bei dem die Frau schwach wird etc.), nichts davon in diesem Roman, Glattauers Figuren sind so souverän oder verletzlich, wie es ihre Gefühlswelt zuläßt und nicht ihr Geschlecht.
Ich habe das Buch verschlungen, und ich überlege schon, wem alles ich das zu Weihnachten schenke: Es ist ein Buch für Tante Else, denn man kann es einfach als reizende Liebesgeschichte lesen. Es ist ein Buch für den Internet-junkigen Neffen, denn es ist spannender als jedes Computerspiel, und emails sind eh sein Hauptkommunikationsmittel. Es ist ein Buch für Muttern, die gern lacht, trotzdem aber auch gern mal gerührt eine Träne aus dem Augenwinkel wischt, und, nicht zuletzt, ein Buch für meinesgleichen, der sich immer mal wieder gerne fragt, was die Liebe eigentlich für eine eigentümliche Sache ist.

Glattauer, Daniel: Gut gegen Nordwind. – 2. Aufl. – München: Goldmann, 2008. 218 S., 7,95 €