Urlaub Hermannsweg: 4. Etappe – Borgholzhausen

Nur die Harten kommen in den Garten, heißt es ja, also die Kinder in den Kindergarten, die sich von Totenmasken nicht abschrecken lassen. Kindheit in Niedersachsen ist hart, das weiß ich aus eigener Anschauung.

Keine Frage, Zecken sind gemeine Biester, in dieser Gegend aber eher ungefährlich.

Bibendum heißt das Michelin-Reifenmännchen, von dem Satz „Nunc est bibendum!“, übersetzt: Jetzt laßt uns einen trinken. Den Spruch haben die Gestalter von einer Brauerei geklaut, auf dem Werbeplakat für die Reifenfirma schluckt die Figur keinen Alkohol, sondern die Hindernisse, die auf dem Weg liegen. Kurios.

An ein paar Schilder kann ich mich noch erinnern.

Noch ein Schritt, vorbei an diesem Grenzstein mitten im Wald, und wir sind wieder in Nordrhein-Westfalen, genau gesagt, in OWL. Selbst der Moderator des TV-Regionalprogramms spricht nur von OWL, und es dauert etwas, bis wir darauf kommen: Ostwestfalen-Lippe. Das H auf dem Stein steht übrigens für Hannover, auf der anderen Seite ein P für Preußen. Da hat sich also die Grenze zwischen diesen beiden Ländern seit der Zeit, als das Rheinland und Westfalen preußisch waren, nicht verändert.

Auch in OWL gibt es Kunst, Landart.

Manchmal steht ein Turm am Wegesrand, von dem aus man sich einen Überblick verschaffen kann – über Wald und Siedlungen. Viel zu sehen ist also nicht, aber das Gefühl von Weite ist mal ganz schön, unten sieht man ja immer nur bis zur nächsten Wegbiegung. Früher war hier nur Wald, ohne gut ausgebaute und markierte Wanderwege, aber die Römer haben schon ganz andere Dinge gemeistert, dachten sie wohl. Einer ihrer Verbündeten, der Cheruskerfürst Arminius, den man später Hermann nannte, führte sie hier in der Gegend in einen Hinterhalt, wobei 15.000 bis 20.000 Römer ihr Leben verloren. Für diese Großtat ist man Arminius/Hermann heute noch so dankbar, daß man (nicht nur) diesen Wanderweg nach ihm benannte. Nach Varus hingegen, dem römischen Verlierer, nannte man die Schlacht – und eine Leberwurst. Dazu später mehr.

Borgholzhausen, unser nächstes Etappenziel, macht einen seltsam leblosen Eindruck. Gegenüber der Kirche gibt es ein Imbißrestaurant mit Pizza und Falafel, eine Attraktion, die von der Jugend der Gegend und uns gern genutzt wird.

Eine große Tankstelle, ein riesiger Supermarkt, daneben noch Aldi und Kik – was braucht man mehr? Touristen wissen wahrscheinlich nicht, was sie hier sollen, also wird hier nur gewohnt. Das Restaurant in unserem Hotel wurde bereits aufgegeben.

Sehr schade – das Hotel macht einen wirklich guten Eindruck und hätte mehr Kundschaft verdient. Beim Frühstück waren wir die einzigen Gäste und durften uns trotzdem von einem großen, liebevoll angerichteten Buffet bedienen – großartig! Hotel Meyer, zentral in Borgholzhausen – wer mal zufällig vorbeikommt, sollte unbedingt hier übernachten, allein schon wegen des Frühstücks!

Man nennt den Ort übrigens auch Honig- und Lebkuchenstadt, da von hier aus die ganze Republik und viele Kirmisse und Kramermärkte mit diesen Backwaren beliefert wurden. Inzwischen gibt es aber nur noch einen Betrieb, der sie herstellt. Wo die Liebesherzen wohl jetzt herkommen? Aus China vielleicht? Chinesische Fabrikarbeiter müssen zu Niedrigstlöhnen Schriftzüge aus Zuckerguß auf Lebkuchenherzen schreiben, von denen sie kein Wort begreifen, „Schnucki, gib mir einen Bussi“ und „Herzilein, du allein“? Gut, da ist es vielleicht eine Gnade, daß sie nicht wissen, was sie da schreiben.

Ah – hier gibt es also doch Menschen! Die sind bloß gerade beschäftigt mit der Herstellung von Wurst und Brot. Oder mit ihrer Vertilgung, und das macht man ja zu Hause.

Fortsetzung folgt