Die Arbeitsgemeinschaft (AG) „Arsch huh, Zäng ussenander!“ (was soviel heißt wie: „Kriegt den Hintern hoch und macht den Mund auf gegen Ungerechtigkeiten aller Art“) kündigt ein Konzert an, mit allen, die in der Kölner Kulturszene Rang und Namen haben. Ich vermute, das hängt mit der baldigen Bundestagswahl zusammen, in den nicht nur die FDP wahrscheinlich wieder einziehen wird, nein, als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, auch Kandidaten der rechten AfD. Je höher die Wahlbeteiligung, desto geringer der Anteil der braunen Brut, daher steht oben auf dem Plakat: „Wähle jon! Demokratie braucht keine Alternative“. Gut, daß die das machen, gerade die Stars der Musikszene – und sei es auch nur der heimischen – haben eine wichtige Vorbildfunktion.
Mit Interesse sehe ich, daß auch die Musikband „Black Fööss“ auf der Bühne stehen wird – ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert. Dabei haben sie allen Grund, sich zu schämen, aber – wie das besonders bei Männern oft üblich ist – spotten sie zusätzlich noch darüber.
Darum geht’s: Diese nackte und gefesselte Frauenstatue (tatsächlich ist die Fessel wohl eine Halterung, aber wenn man sie als Fesselung interpretiert, paßt das ganz gut ins Bild) wirbt für das Kölner Bordell „Pascha“ (eines der größten Häuser dieser Art in Europa) und den dazugehörigen Striptease-Club. In diesen Club lädt der Betreiber des Bordells immer mal wieder bekannte Bands und Musiker ein, um seinem Etablissement einen normalen, bürgerlichen Anstrich zu geben. „Seht nur, wer bei mir auftritt – ein ganz normaler Laden, ist gar nichts dabei,“ möchte er damit wohl sagen und zeigen. Selbst den Weltklasse-Guitarristen Al Di Meola hatte er schon engagiert, doch als dieser (übrigens von der Zeitschrift Emma) darüber informiert wurde, worum es sich hier handelt, war er entsetzt und sagte das Konzert sofort ab.
So feinfühlig sind die Herren von „Bläck Fööss“ nicht – vor ein paar Wochen sind sie hier wieder aufgetreten, bereits zum zweiten Mal. Die anschließende Striptease-Show war im Eintrittspreis inbegriffen. Wer dann noch ins Bordell wollte, mußte allerdings zuzahlen – ob er dort die Herren der Band antreffen konnte, ist nicht überliefert.
„Bläck Fööss“ ist die ‚Mutter‘ aller Kölschbands, man spricht von ihren Mitgliedern als unantastbare Lichtgestalten. Ihre Lieder gehören zum kölschen Heimatliedschatz aller Eingeborenen, und auch eingefleischte Antikarnevalisten wie ich kommen nicht umhin, einzelne Lieder passagenweise auswendig zu können. Neulich haben 26.000 Kinder in der Lanxess-Arena eins ihrer Lieder gesungen. Die Band könnte überall spielen – sie hätte immer ein gut gefülltes Haus. Die Prostituierten, die im Pascha arbeiten, müssen täglich 160 Euro Miete zahlen, das sind je nach Arbeitstagen (20 bis 30) 3.200 bis 4.800 Euro im Monat – für ein 10qm-Zimmer! Rein rechtlich kann man wahrscheinlich nicht von Zuhälterei sprechen, somit ist der Betreiber (der übrigens gerade wegen mutmaßlicher Steuervergehen in Untersuchungshaft sitzt) rein rechtlich nicht als Zuhälter zu bezeichnen, die Mitglieder der Band jedoch als seine Unterstützer und Handlanger.
Aus der Musik-Szene hört man nur ganz verhaltene Kritik – „Lichtgestalten“ eben. Auf der Leserbriefseite der Tageszeitung gibt es viele, die schreiben: Regt euch doch nicht so auf, ist doch egal, wo die spielen, Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt, das gehört nun mal dazu! Der Leiter eines kleinen städtischen Theaters, dessen Ensemble auch schon aus Geldmangel in dem Stripclub aufgetreten war, sagte gar: „Wir gehen als Theater mit der Doppelmoral der Gesellschaft um“, und sprach von einem Abenteuer, in dem er „die Verstrickung von Geld, Leidenschaft, Moral und Politik […] ’spannend, aber schwierig‘ finde“. (Quelle: http://www.ksta.de/27871966 ©2017)
Von Doppelmoral kann hier aber nur bei einem Protagonisten die Rede sein: Bei den „Bläck Fööss“. Es geht hier doch gar nicht um Prostitution an sich, sondern um die Ausbeutung von Frauen, an der sich die Band beteiligt. Haltung zeigen – das bedeutet, eine Überzeugung zu haben und zu ihr zu stehen – und nicht, sich bei der erstbesten Gelegenheit von schmutzig erworbenem Geld korrumpieren zu lassen. Schmutzig ist das Geld nicht, weil die Prostituierten es auf eine vermeintlich unsaubere Art erworben hätten, schmutzig ist es deshalb, weil der Bordellbetreiber die Frauen ausbeutet. Daß die Band sich darüber hinaus vor den Werbekarren einer Anstalt spannen läßt, die de facto die Erniedrigung von Frauen und Männern zum Ziel hat, kommt noch dazu.
Ich werde die Band in Zukunft boykottieren. Gut, das ist ungefähr so wirksam wie die Ankündigung, bei der verbrecherischen deutschen Autoindustrie künftig kein Auto mehr zu kaufen – ich brauche gar kein Auto, und kölschen Heimatklängen bin ich sowieso immer aus dem Weg gegangen. Aber egal – meine Sympathien haben sie nun komplett verspielt.