Urlaub Hermannsweg: 5. Etappe – Bielefeld

Die Gegend, durch die wir laufen, ist die alte Grafschaft Ravensberg, über 600 Jahre (bis 1807) regierten hier die Grafen und ihre Nachfolger. Fünf Burgen hatten sie, die bekannteste ist die Sparrenburg in Bielefeld. Turm und Haus oben sind die Reste der Burg Ravensberg. Heute gibt es einen Biergarten und ein kleines Open-Air-Theater. Auf Schildern wird man gebetenangewiesen, sein Fahrrad vor den Toren an einer bestimmten Stelle zu deponieren, die Gaststätte nicht durch eine bestimmte Tür zu betreten, sondern durch eine andere usw., sonst …

… kommt man an den Pranger. Der Ton hier in der Gegend ist etwas rauer als im Rheinland (und auch als in jeder anderen Gegend, die ich kenne). Als wir in Bielefeld essen waren, servierte die Bedienung uns unsere Speisen mit einem Gesichtsausdruck, der mit „Abscheu“ nicht übertrieben bezeichnet werden kann. Als ich sie nach der Mahlzeit fragte, ob ich vielleicht noch einen Schnaps bekommen könne, brachte sie mir nicht etwa die Karte, sondern raunzte mich an: „Obst oder Kräuter!“ – oder Pranger!? – schwang da unheilvoll mit, ich war froh, daß kurz vorher am Nebentisch jemand Bommerlunder bestellt hatte, und obwohl ich keine Ahnung hatte, was das war, bestellte ich das auch schnell. Puh – nochmal davongekommen. Und wie der schmeckt, weiß ich jetzt auch.

Kennt jemand noch Karl Carstens? Anfang der 80er war er Bundespräsident von Deutschland. Ob er sich wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP in den 40ern geschämt hat, weiß ich nicht, jedenfalls war die Scham nicht groß genug, ihn davon Abstand nehmen zu lassen, sich ins höchste Amt Deutschlands wählen zu lassen. Da er als Bundespräsident offenbar nicht viel zu tun hatte, wanderte er mit seinen Bodyguards und den Honoratioren der jeweiligen Gegenden durch die Bundesrepublik. Hier hat er offenbar eine Eiche gepflanzt – Eichen können über 1000 Jahre alt werden. Diese hat es allerdings so wenig geschafft, wie das Tausendjährige Reich, dessen Anhänger Carstens in jüngeren Jahren war.

Da müssen wir hoch – in der Karte steht irgendwas von Kaffeemühle.

Zu früh gefreut, kein Latte macchiato: Der „Lustpavillon“ wird nur so genannt, weil er so ähnlich aussieht und außerdem von einem Kaffeehändler errichtet wurde, der hier um 1800 einen Landschaftspark besaß.

Eine geschichtsträchtige Etappe: Dieser Haufen von 1930 ist ein Denkmal für Walther von der Vogelweide, dem berühmten mittelalterlichen Minnesänger, zu dessen 700. Todesjahr. Der Sänger war zwar nie hier in der Gegend, aber egal; als letzter Satz steht auf dem Stein:
„Walther von der Vogelweide,
wer sein vergäße, tät mir leide!“
Weia!

Und noch ein Denkmal: „Lerne leiden, ohne zu klagen.“ Was sich nach dem üblichen christlichen Masochismus anhört, soll angeblich ein Satz aus dem Munde Kaiser Friedrich III. sein, ihr wißt ja alle, wer das ist … nein? Kaiser Friedrich war einer der Kaiser im sogenannten Dreikaiserjahr 1888. Nachdem sein Vater, der erste deutsche Kaiser Wilhelm I., (endlich) gestorben war, übernahm er dessen Amt für genau 99 Tage, dann starb auch er, an Kehlkopfkrebs. Sein Nachfolger wurde sein Sohn Wilhelm II., der Deutschland in den 1. WK führte.

Nach so viel Bildung brauchen wir erstmal eine Erfrischung. Äh – hallo, Bedienung, was macht der Strohhalm in meinem Kaffee?

Endlich! – Bielefeld.

Das ist die Sparrenburg, von der ich schon geredet habe, das Wahrzeichen der Stadt, allerdings haben wir sie nicht genauer angesehen, denn wir sind platt: 25 hügelreiche Kilometer, das war bis jetzt die schwerste Etappe.

Einen Park bei der Kunsthalle …

… eine geschniegelte Fußgängerzone, die ganz gemütlich wirkt …

… und einen sogenannten Gnadenstuhl, der auf sympathische Weise mißbraucht wird, viel mehr haben wir nicht gesehen von Bielefeld.

Plus diesen optimistischen Spruch einer Schuhfirma – wir hoffen, sie hat recht.

Fortsetzung folgt.