Ausflug nach Basel (5)

Ich war nicht schon wieder in Basel, sondern es fehlen noch zwei Einträge vom letzten Urlaub, die ich gern nachtragen möchte, bevor ich von unserer diesjährigen Wanderung erzähle. Der Anschluß an die vorherigen Baseleinträge ist hier.

Im Museum Tinguely hatte der belgische Künstler Wim Delvoye (*1965) eine große Ausstellung. Man kann ihn als raffinierten Ironiker bezeichnen, der die Erscheinungen der Konsumgesellschaft und des Kunstmarktes in seinen Werken kritisch und provokativ thematisiert – oder auch als Witzbold und albernen Spaßmacher, falsch liegt man weder in dem einen noch in dem anderen Fall. Weil die Ausstellung eine Retrospektive seines bisherigen Schaffens ist, fängt er folgerichtig mit seinen Kinderbildern an.

Der Architekt und Architekturkritiker Adolf Loos (1870-1933) hat 1908 einen Text vorgetragen: „Ornament und Verbrechen“ (hier nachzulesen), in dem gesagt wird, daß das Ornamentieren, also das Ausschmücken, von Gegenständen ein Verbrechen ist. Der Text ist schwülstig und pamphletartig, läuft aber letztlich nur darauf hinaus, daß es besser ist, daß Hersteller von Gebrauchsgegenständen und Architekten gute Materialien verwenden und sich nach den Wünschen der späteren Benutzer und Bewohner richten sollen, als zu versuchen, sich in der Formgebung selbst zu verwirklichen. Mit Bezug auf diesen Text dreht Delvoye den Spieß nun um und ornamentiert drauflos: Propangasflaschen erhalten eine Bemalung wie Delfter Porzellan, Bügelbretter werden zu Wappenträgern.

Kunstvoll bemalte Porzellanfüße stützen Industrierohre.

Truck-Reifen, durch Schnitzungen reichhaltig verziert.

Eine Doppelhelix, ornamentiert mit dem Schmerzensmann.

Eine schöne Holzarbeit für den Bau …

… dazu passend eine Betonmischmaschine.

Die gibt es auch im Look gotischer Architektur …

… und als solche auch in Groß.

Der zweite große Themenkomplex des Künstlers ist die menschliche Verdauung. Er baut riesige Verdauungsmaschinen, von ihm als menschliche Porträts bezeichnet,  die …

… unter Zugabe entsprechender Chemikalien genau das produzieren …

… was beim Menschen hinten rauskommt. Man kann sich das für Geld in Folie einschlagen lassen und als Kunstwerk mit nach Hause nehmen, habe ich gelesen.

Der Künstler nennt diese Maschinen „Cloaca“ – hier eine Kofferversion für Unterwegs.

Im Shop kann man dann eine Mini-Cloaca samt Action-Figuren für die Kleinen zu Hause kaufen (man achte auf die Schriftgestaltung).

Man kennt das: Eins führt zum anderen – von der Verdauung ist es nicht weit zum Analen …

Wer diesen Figuren (je eine für jede Himmelsrichtung) hinten hineinschaut, blickt durch ein Fernrohr.

Zum Schluß noch ein Werk mit der Materialbezeichnung „Lippenstift auf Hotelbriefpapier“: „Anal Kiss B41“. Tja – das hängt man sich wohl eher auch nicht an die Wand.

Fortsetzung folgt.

 

24 Gedanken zu “Ausflug nach Basel (5)

  1. Isch weiß ja nischt… Obwohl, die Kofferversion von „Cloaca“ hat schon was, so auf langen Zugfahrten… Wenn sich irgend so ein Spießer aufregt, einfach auf den <<<<schriftzug deuten und fragen, was er denn gegen Walt Disney hat… 😀

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  2. Ich müsste wohl wieder mal die familie in der schweiz besuchen 🙂 Immerhin gibt’s hier am ende der welt eine Henry Moore ausstellung, nicht von Disney und Cocacola sondern von Leclerc gesponsert!

    Bisous

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  3. Bonsoir!

    Schon seltsam. Einerseits löst „Kloake“ Ekel aus, andererseits
    auch Faszination. (Bei Menschen, die nicht mit Scheuklappen
    durchs Leben bzw. durch die Welt laufen.
    Dein Foto (Schnappschuss) der Frau, die sichtlich belustigt
    in/durch das anale Fernrohr guckt, ist natürlich hervorragend!..;-)
    Die mobile Kloakenmaschine („Cloaka“) find ich mehr als originell
    und spassig. Was man damit alles in der Öffentlichkeit anstellen
    könnte… (z.B. in einem gut besuchten bayrischen Biergarten
    demonstrieren, wie aus Weisswurscht, Leberkäs, Bier und
    altbackene, konservative Ideologien quasi CSU-Kacke entsteht..;-)

    Simsalabim!
    … 🎶 https://tinyurl.com/yah5r6nr 🎶 …
    Kunstvolles zur Nacht..:-)

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    1. Ah! – ein großartiger Song aus einer nicht minder großartigen Platte – die beste, die Bowie je gemacht hat (meiner Meinung nach).

      Ich habe lange gewartet, an der Balustrade im 1. Stock, bis ich jemanden im Focus hatte, die sich traute, einer der Figuren in den Allerwertesten zu schauen. Genau das macht sich der Künstler ja zunutze: Irgendwie fühlt man sich unbehaglich, wenn man in der Öffentlichkeit damit konfrontiert wird, aber andererseits ist es auch eine Herausforderung. Tatsächlich hat man inzwischen erkannt, daß der Darm ein zweites Gehirn ist.

      Die (gedanklichen) Ausscheidungen von Söder und Dobrindt sind auch ganz ohne Cloaka wiederlich, wenn man das in die Maschine hineingibt, explodiert sie wahrscheinlich. Daß man in Bayern das Bier literweise in sich hineinschüttet, wundert mich nicht. Anders ist das alles doch gar nicht auszuhalten.;-)

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    1. Nicht wahr? Delfter-Porzellan-Design kann man sich gut vorstellen für unansehnliche Gebrauchsgegenstände. Schubkarren ohne Gummirad – eher suboptimal. Auch die Betonmischmaschinen sind funktional nicht zu gebrauchen.;-)

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