Geschichten, die das Leben schreibt – oder jemand Anderes

Manchmal stehen in der Zeitung unter Kurznachrichten Geschichten, da habe ich den Verdacht, die kann sich nur jemand ausgedacht haben. Der Redakteur braucht unbedingt noch einen Füllstoff für eine leere Stelle, ruft dem Volontär zu, daß er sich mal fix um was kümmern soll, und der, in seiner Not, denkt sich schnell eine Hiob-Story aus – ich vermute, das gehört zur Grundausbildung. Ich erinnere mich an eine Geschichte, da löste (angeblich) ein junger Mann durch den Metalldetektor am Amtsgericht Alarm aus. Er hatte ein Messer in der Tasche. Danach befragt, sagte er, das habe er halt immer bei sich und er wolle nur die Gerichtsverhandlung gegen seine Freundin besuchen. Es stellte sich heraus (wenn ich mich recht erinnere), daß er nicht nur stark angetrunken war, sondern auch per Haftbefehl gesucht wurde. Bei der Untersuchung seines Autos, mit dem er betrunken gekommen war und das er direkt vorm Gerichtsgebäude im Halteverbot geparkt hatte, fand man nicht nur Falschgeld und weitere Stichwaffen im Wagenraum, darüber hinaus war das Auto nicht versichert und trug gestohlene Autokennzeichen.

Und nun schon wieder so eine Geschichte, ich zitiere aus der Ausgabe vom 19./20.05.18 des Kölner Stadtanzeigers: „Ein Autofahrer ist am Donnerstagabend auf der A 559 bei Gremberghoven mit platten Reifen liegen geblieben. Als Polizisten ihn kontrollierten, nahmen sie ihn gleich fest: Der 65-Jährige war betrunken, hatte keinen Führerschein, die Kennzeichen waren gestohlen, er hatte zuvor eine Tanksäule gerammt und war geflohen – und wurde mit Haftbefehl gesucht.“

Worauf der Haftbefehl behruht, wurde nicht gesagt – hatte er vielleicht einem Flüchtigen, der zuvor mit einem Messer das Amtsgericht besucht hatte, Unterschlupf gewährt? Stellte sich gar heraus, daß es sich um Vater und Sohn handelte? Ich hoffe, der Volontär bleibt dran an der Geschichte.

In der selben Ausgabe wurde berichtet, daß, als eine Frau die Nummer ihres gestohlenen Handys anrief, ihr das Angebot gemacht wurde, sie könne es für 100 Euro zurückkaufen – mit Angabe der genauen Adresse. Der Hehler wurde wenig später verhaftet.

Im „Gemeinnützigen“, dem Vareler Lokalteil der Nordwest-Zeitung, habe ich vor Jahren mal gelesen, daß an der Ecke Mühlenstraße/Gartenstraße jemand vom Fahrrad gefallen war und sich ein Bein gebrochen hat – leider wurde über die genauen Umstände und  über die Genesungszeit später kein weiteres Wort verloren. Das ist der Unterschied zwischen Provinz- und Großstadtzeitung. Er ist relativ klein.

44 Gedanken zu “Geschichten, die das Leben schreibt – oder jemand Anderes

  1. bei uns in den zeitungen stehen solche meldungen eher nicht.
    dafür gabs eine leiche in der nähe.
    eine tote junge frau wurde in der feldmark gefunden.
    sie soll um die 30 jahre alt sein und einem gewaltverbrechen zum opfer geworden sein. näheres wollte die kripo noch nicht bekannt geben.
    schaurige geschichten die wahr sind.

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  2. Da lob ich mir doch diese Geschichte, die ich neulich in London im Evening standard las:

    In Australien ist ein kleines Kind, 3 Jahre, in den Busch gelaufen und hat nicht mehr nach Hause gefunden. Max, ein alter Hütehund, der manchmal durch die Gegend streunte, hat das Kind entdeckt und ist bei ihm geblieben über Nacht. Eng an das kleine Mädchen geschmiegt, hat er es getröstet und gewärmt. Unterdessen lief eine riesige Suchaktion. Man fand schließlich Hund und Kind schlafend im Busch. Unversehrt. Das Kind erzählte, es habe große Angst gehabt, bis Max kam, der nicht eine Minute von seiner Seite gewichen war. Danach hatte es nur noch großen Durst gehabt, aber keine Angst mehr.

    Das ist vermutlich entweder auch vom Volontär erdacht oder aber etwas dramatisiert, aber wenigstens gut für die Seele, so was zu lesen. 😉

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    1. Ich bin sicher, eine solche Geschichte, würde sie sich in Köln Königsforst zutragen, bekäme eine ganze Seite im Lokalteil, gleich neben dem Bericht über die erfolgreiche Spendenaktion des Sürther Karnickelzüchterveins, die unglaubliche 50 Euro für krebskranke Kinder eingebracht hat. Der Bezirksbürgermeister war auch da und hat ein Stück Kuchen gegessen. Und warum auch nicht. Immer nur von Kriegen und Explosionen und von diesem amerikanischen Idioten zu lesen macht einen ganz krank.

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      1. Aber mal abgesehen davon, war doch just wie passend die Story vom „Spiderman“ in black genau das Richtige: Kind gerettet und ALLES was das Herz begehrt dafür bekommen. (Naja, außer der Prinzessin und dem halben Königreich…)

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        1. Jaa – das habe ich auch gesehen, irre, wie der da hochgeklettert ist. Rechte Nationalisten werden natürlich sofort sagen: Da seht ihr es mal wieder – der kann in jede Wohnung einbrechen, sei sie auch noch so hoch.

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  3. Vorhin las ich irgendwo bei Yahoo Nachrichten oder so (bin nicht sicher, aber es war keine kleine Seite), dass irgendwo in China eine Frau mit dem Auto von der Straße abgekommen und in eine kleine Gruppe Menschen gefahren ist und Leute verletzt hat.
    Ist natürlich tragisch, sowas.
    Aber CHINA????

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    1. Stimmt, das ist noch blöder als der Bericht über den Beinbruch in der Gartenstr.: Da kann man wenigstens davon ausgehen, daß sich wenigstens die Anwohner, die sich am Vortag gefragt haben, wieso da ein Krankenwagen an der Ecke steht, bestens informiert fühlen.
      Vielleicht lösen Autounfälle in China bald den umfallenden Sack Reis ab.

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  4. Lokalteile haben es schwer. Was wirklich wichtig ist, weiß man, darf es aber nicht schreiben. Man kann aber auch nicht einfach die Seite leer lassen: wieder nichts passiert. Also Kleinkram, Karneval, Kirche und Klatsch.

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    1. Ja, da ist wohl was dran. Obwohl, man muß dem Stadtanzeiger zugute halten, daß er auch heiße Eisen anfaßt. Allerdings wollen sie es sich auch nicht zu sehr mit den Mächtigen verscherzen – oder sie haben schlicht keine Ahnung und mäandern so herum um Tatsachen, das kann man oft nicht unterscheiden.

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  5. Ich muss gestehen, dass ich den Lokalteil und die völlig belanglosen Artikel am liebsten lese.
    An machen Tagen beruhigt mich das Alltägliche und ich schäme mich, dass ich mich für einen Beinbruch mehr interessiere als für Trump.

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    1. Vielleicht kann man sich in Zukunft die Ausgaben individualisieren lassen: Alle Beinbrüche bitte in die Mitzi-Ausgabe, für Videbitis nur Geschichten von absurd vom Pech verfolgte Kleinganoven.;-) Nee, quatsch, ich weiß genau, was Du meinst. Ein Kollege erzählte kürzlich, daß sein Bluthochdruck sich gebessert habe, seitdem er keine Nachrichten mehr schaue. Kein Grund, sich zu schämen.

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  6. Solche Geschichten hatten in den 1990-er Jahren Hochkonjunktur. Ich bin sicher, eine Ähnliche wie die zweite in einer der Sammlungen urbaner Sagen von Brednich gelesen zu haben. Suche morgen mal danach.

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  7. Bonjour!

    Du, was macht eigentlich „Nessie“?
    Lebt sie/es noch? Man hat schon länger nichts mehr gelesen…
    Wir sollten mal nach Loch Ness und nach dem Rechten sehn..;-)

    Ich würde dir gern ein Jahresabo der „Neue Post“ zukommen lassen.
    (Kraushaaromalektüre) Ich denke, dass du die Adelsgeschichten
    verschlingen, die praktischen Senioren-Ratschläge interessiert
    annehmen würdest. Die redaktionell unabhängigen Produktvorstellungen
    könnten dich ebenso ansprechen. (Rollatoren, Treppenlifte,
    Stützstrumpfhosen, Rheumamatrazen etc.) Nicht zu vergessen die
    Kreuzworträtsel mit Goldbarrengewinne.
    Siehe hier: … https://tinyurl.com/y97zs6s3
    Verkaufte, wöchentliche Auflage: Über 500.000
    Aber Pssscht! Offiziell kauft/liest diese Gazette ja niemand..;-)

    Du kannst mir ja per ROT13-Chiffre Bescheid geben..;-D

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    1. Ist schon Sommer? Nessi ist was fürs Sommerloch. Zur Zeit bietet die britische Hochzeit noch genug Material.

      Mein Mutter las immer „Bunte“, „Frau im Spiegel“ und „Das goldene Blatt“ – sehr interessantes Material für einen Ethnologen. Meine Mutter kannte sich wirklich gut aus auf dem europäischen Adelsparkett und hätte jede Frage dazu bei „Wer wird Millionär“ mit Leichtigkeit beantworten können.;-)

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      1. Gekonnt herausgewindet, Monsieur Videbitis!..;-)
        (Was die Adelsblatt-Offerte betrifft.)

        Der Sohn des Lebensgefährten meiner Mutter hat ihr vor ein
        paar Jahren ein Abo der oben erwähnten Gazette geschenkt.
        (Bisher hat er es nicht gekündigt.)
        Wenn ich sie darauf anspreche bzw. dieses Schundblatt bei
        Besuchen (liegt meist in der Küche) demonstrativ mit Häme
        durchblättere, ist ihr Standardkommentar:
        „Ich hätte sie (Neue Post) nie gekauft und ich mache nur die
        Rätsel..“ Haha.. Selbstverständlich liest sie auch die neuesten
        Klatschgeschichten darin.. Frauen sind eben so gestrickt..;-)
        (Mit wenigen Ausnahmen.)
        Du hast dir doch sicher „Das Goldene Blatt“ oft als Bettlektüre
        ausgeliehen, oder?..;-D

        Idee/Umsetzung und Foto – übrigens klasse! (Verwachsener Käfer)

        (Merci für die Korrektur!)

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        1. „Frauen“ – da übertreibst Du aber. Die Frauen, die ich kenne, lesen solche Blätter beim Frisör oder in der Arztpraxis – genau wie ich.

          Danke! – ich habe lange gesucht in meinem Fotoarchiv, bis ich das passende Foto gefunden habe.;-)

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          1. Bonjour!
            (Heute mal frühmorgens..;-)

            Deine Relation hinkt. Es handelt sich eben
            um DEIN Umfeld. Meine Bekannten,/Freunde
            „lesen“ ja auch nicht die BILD, obwohl es
            Millionen andere tun.
            Die durchschnittliche Frau blättert auch
            zuhause Klatschzeitschriften durch.
            (So wie der durchschnittliche Mann
            die Sportschau guckt und Bier säuft.)

            „Die Wahrheit ist irgendwo da draussen.“..;-)

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            1. Ich habe wirklich nicht das geringste Interesse an Rechthaberei, aber ich denke, das stimmt einfach nicht: Bei einer Auflage von 500.000, meinetwegen lesen hochgeschätzt doppelt so viele mit, macht das 1 Mio. Leserinnen. Selbst, wenn Du noch 5 Millionen Leserinnen anderer Klatschzeitschriften dazuzählst, kann man immer noch nicht von Durchschnitt sprechen – bei einer Gesamtzahl von ca. 40 Millionen Frauen.

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  8. Ich will ja auch nicht rechthaberisch sein, aber diese ca.40 Millionen
    beziehen sich auf die weibliche Gesamtpopulation.
    Kinder und Jugendliche lesen keine Klatschgazetten.
    Nach der aktuellen Bevölkerungsstatistik fallen also etwa 7 Millionen
    weg. Bleiben ca. 33 Millionen Frauen (20-85 Jahre)
    Hast du dir schon mal in einem gutsortierten Zeitschriftenregal
    die immense Auswahl an Frauenzeitschriften genauer angeschaut?
    (Und die entsprechenden Auflagen.)
    Es muss ja nicht „Das Goldene Blatt“ oder die „Neue Post“ sein.
    (Zielgruppe / Ü50) Kleine Übersicht: … https://tinyurl.com/y8l4fo7k
    „Bella“ / „Tina“ / „Brigitte“ / „Laura“ / „Bild der Frau“ und und und…
    Okay. Primär wird da Beauty, Liebe, Ratgeber, Kochen in den
    Vordergrund gestellt. Ein bisserl Klatsch ist aber schon vorhanden.
    Klar. Viele Frauen kaufen keine Printausgaben, sondern nutzen die
    kostenlosen Websites. Ich unterstelle daher weiterhin „Durchschnitt“..;-)

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    1. OK.:-)

      Mensch, es gibt sogar eine Zeitschrift, die heißt „Meine Lebenslüge“. Da fragt man sich doch, wo „Meine Neurosen“, „Meine Furunkel“ und „Meine geschnittenen Fußnägel“ bleiben.

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      1. Man bemerkt, dass du nun viel mehr Zeit (und Lust) hast..;-D
        Tjaja.. Wir kommunizieren nun schon etwa 10 Jahre per
        Blog-Kommentare, haben uns aber noch nie gehört oder gesehn.
        Wird Zeit, dass wir mal gemeinsam ’nen Joint qualmen bzw.
        einen Kaffee trinken und über Gott und die Welt plaudern..;-)

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          1. Servus!

            Geht klar! Ich gönne dir auch einen ganzen Kasten..;-)
            Wir könnten ja dann gemeinsam die „Cosmopolitain“
            durchblättern und nebenbei schon mal Wintersocken
            stricken..;-D

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  9. …es gibt Geschichten, die geschehen wirklich und die glaubt keiner…vor Jahren fuhr der alte R. mit seinem Auto, nicht angemeldet, keine Versicherung, keine Fahrerlaubnis, hier im abgelegendsten Südfrankreich auf der Staße, weil ihm das Bier ausgegangen war…reichlich betrunken rammte er einen Porsche…wo hier auf dn winzigen Straßen zwischen den kleinen Dörfern vielleicht alle fünf Jahre mal ein solch edles Auto vorbeikommt…aber R. ist schlau, schnell macht er dem Porschefahrer die Tatsachen klar, dass er nämlich keinen Schaden ersetzt bekommt, wenn er sich nicht auf einen Handel einlässt…dann holt R. einen Kumpel mit dessen Auto, das allen Regeln entsprach…nun wurde einfach gesagt, B. hat den Unfall mit seinem Auto verursacht…und alle waren zufrieden…

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    1. Stimmt, schwer zu glauben, aber nicht unmöglich.:-) Je weiter so eine Geschichte zurückliegt, desto wahrscheinlicher ist es allerdings, daß das ein oder andere Detail hinzuerfunden wurde, gar nicht aus der Absicht zu lügen, sondern weil man sich nicht mehr haargenau erinnert, aber auf keinen Fall eine unvollständige Geschichte erzählen möchte. Das ist nur allzu menschlich, und wenn es die Geschichte zusätzlich würzt, hat ja auch der Zuhörer was davon.;-)

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      1. …stimmt schon, doch die hier von mir erzählte Geschichte ist so passiert…und, hier gibt es sooo viele komische Geschichten, die für viele sooo unglaubwürdig klingen würden…nur wer hier lebt, dem ist das vertraut…anders eben als woanders…

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        1. Gibt es jemanden, der/die sie aufschreibt? Ist das keine reizvolle Aufgabe für Dich? Die sprachliche und erzählerische Kompetenz dazu hast Du ja schon genug bewiesen, brauche ich ja kaum zu erwähnen (und nein, das ist keine weitere Schmeichelei;-).

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          1. …ich weiß, ich bin gut…doch irgendwie fehlt es mir am Interesse…und dann müsste ich all diejenigen, die solch lustige Geschichten inszeniert haben, fragen…denn zweifellos würden diese Geschichten zu Weltruhm gelangen…

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            1. Habe ich mir schon gedacht, aber manchmal muß man es versuchen, wie in dem Brecht-Gedicht „Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration“, letzt Strophe: „Aber rühmen wir nicht nur den Weisen/dessen Name auf dem Buche prangt!/Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreissen./Darum sei der Zöllner auch bedankt:/
              Er hat sie ihm abverlangt.“

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  10. Unglaublich, was mir da alles entgeht, weil ich kein lokales Zeitungsabo habe,
    ob ich mir vielleicht doch mal endlich eines zulege, das Anfängerdasein von Volontären mitverfolgend *lach*

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    1. Danke! Immer, wenn ich das höre, habe ich freilich die Version der Muppets vor Augen. Gegen das visuelle Gedächtnis kann man sich nicht wehren.

      Ja, schlapp. Die Wärme macht mich träge und faul, obwohl ich bestimmt vier Einträge fast ausformuliert im Kopf habe, kann ich mich einfach nicht aufraffen. Na, wird schon wieder.

      Immerhin war ich hier in den letzten Tagen kontinuierlich tätig, aber ich weiß nicht, ob Dich das interessiert?
      https://koelnstreetart.wordpress.com/

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      1. Pardon!
        Ich hatte deinen Streetart-Blog nicht mehr im Auge.
        Bei blog.de wars ja umgekehrt.
        Seit Tagen kocht mir auf gut Deutsch das Arschwasser.
        Die schwüle Hitze hier im Münchner Raum ist unerträglich.
        Und das Anfang Juni. Meine Mansarden-ETW gleicht
        einer Sauna. Ob dich das nun interessiert ist fraglich..;-)

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        1. Aber macht doch nichts.

          Doch, du hast mein ganzes Mitgefühl. Auch noch in einer Mansardenwohnung! Manchmal wache ich nachts auf und habe das Gefühl, ich kriege keine Luft mehr. Aber jetzt versinkt Süddeutschland im Unwetter, oder? Ich bettel um Regen.

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