Alte Wallgasse

Barbara-Schock-Werner, Kunsthistorikerin und ehemalige Dombaumeisterin, hat kein Blog, sondern in der hiesigen Tageszeitung eine unregelmäßig erscheinende  Serie: Mit Sachverstand und offenen Augen beschreibt sie Dinge und Umstände, die ihr in der Stadt auffallen. Ich bin nicht immer ihrer Meinung, aber erfreulich ist, daß sie überhaupt eine hat, die sie wortreich und resolut begründen kann – erfrischend anders, als das Blabla, was man sonst so oft hört. In ihrem letzten Beitrag nimmt sie sich der Sgraffiti an (nicht zu verwechseln mit Graffiti-Kunst): Putzschichten verschiedener Farben werden übereinander gelegt, und solange sie noch feucht sind, stellenweise wieder abgeschabt, sodaß ein Bild entsteht. Diese Kunsttechnik gibt es schon sehr lange, besonders in der Renaissance war sie beliebt. Typisch sind sie in Deutschland auch für den Fassadenschmuck der 50er-Jahre-Bauten, als man von Historismus-Ornamenten nichts mehr hören wollte (man hielt sie durch die Nazivergangenheit für zu stark belastet). Durch die zunehmende Modernisierung, so Schock-Werner, seien die Sgraffiti-Kunstwerke nun immer mehr in Gefahr: Aus Energiepargründen erhalten viele Häuser eine neue Wärmedämmung, die Kunstwerke verschwinden dann einfach hinter Styropor. Oder das Haus wird neu angestrichen, und weil man keinen zusätzlichen Ärger haben will, werden die Sgraffiti einfach zugeputzt. Der Denkmalschutz könne da gar nichts machen, so Schock-Werner weiter: Wenn das Haus nicht unter Denkmalschutz steht – und welches normale Wohnhaus aus den 50ern tut das schon – dann auch nicht eine einzelne Wand.

Also hat sie eine kleine Aktion ins Leben gerufen: „Rettet die Sgraffiti!“ Die Leser der Tageszeitung sollen ihr Fotos von ihnen bekannten Sgraffiti schicken, mit Angabe der Adresse, vielleicht entsteht so zumindest eine Dokumentation dieser Kunstwerke, wenn nicht sogar ein Bildband. Ich mach mit, ein Sgraffito habe ich schon.

Das Bild oben ist es nicht – das kennt sie schon und gibt interessantes Hintergrundwissen preis: Es stellt ein Kölner Original dar, den Maler Heinrich Peter Bock (1822 bis 1878), von dem aber nie jemand jemals ein Bild gesehen hat – der Zeichenblock unter seinem Arm war ihm Ausweis genug. Wenn jemand in Köln groß Gebutstag feierte, konnte man sicher sein, daß er auftauchte und Blumen mitbrachte, die er vorher in öffentlichen Rabatten gepflückt hatte – er wußte nicht nur, was sich gehört, sondern war immer zuvorkommend und konnte sich gewählt ausdrücken, weshalb man ihn nicht abwies. Tja, auch eine Art, angenehm durch’s Leben zu kommen.

Edit 10.2020: Hier gibt’s noch mehr interessante Informationen zu Maler Bock.

16 Gedanken zu “Alte Wallgasse

  1. Ich gestehe, nie von Sgraffiti gehört zu haben.
    Auch dafür sind Blogs ja da. Neues zu hören und dann neugierig Google zu durchforsten. Oder (besser) die Augen draußen offen zu halten.

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      1. Womit klar bewiesen wäre das die heutige Welt ein kulturelles Fiasko darstellt und wir nur noch auf eine ausseridische Zivilisation zwecks Rettung der taumelnden Menschheit hoffen können…wurden doch gerade wieder 30 neue Planeten entdeckt 🙂
        Grüsse aus der dekadenten Hansestadt von Jürgen

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  2. Der Typ hatte Stil….da könnte man sich was abschauen als 7 Tagedauerarbeiter mit selbst und ständig…erinnere mich noch gerne das ich im Studium mal 6 von 7 Tagen abends auf irgendwelchen Vernissagen eingeladen war…und daher jeden Abend satt und leicht angesäuselt…am 7.Tag ging es dann dann Köln zum W.R.Museum..viel besser aber war das McDonalds gerade ein neues Ribburger Gericht herausgebracht hatte …jeder bekam eins umsonst…pro Filiale…seitdem Tag kenne ich alle Filialen der Kette in Köln und war gut gesättigt…was im Museum hing ? Keine Ahnung, der Ribburger war aber erstaunlich gut…..Leider habe ich es dann verpasst aus dieser Woche ein Lebensmodell zu entwickeln…Da war Peter Heinrich Bock augenscheinlich gewitzter 🙂
    Grüsse von Jürgen

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    1. Das habe ich schon öfter gehört, daß man sich früher dank der vielen Vernissagen das Abendbrot sparen konnte, aber das ist wohl vorbei, die meisten Galerien, die sich sowas leisten können, sind inzwischen in Berlin.
      Sich bei reichen Leuten durchfressen ist eine legitime Art der Lebensführung, finde ich, allerdings muß man dafür auch der Typ sein: Sich immer dieses langweilige Geburtstagsgewäsch anhören und selbst eloquent Unterhaltsames beisteuern – das ist beides nichts für mich. Ich war mal auf einer Vorstellungsveranstaltung für neue Software, mein Arbeitgeber hatte nichts dagegen, daß ich da hingehe. Während der Vorstellungsrunde hätte ich sagen können „Mich interessieren besonders der Kaffee und Ihre Schokomuffins“ – und dann mußte ich mir insgesamt 6 Stunden lang Geschwafel anhören. Das waren die Muffins eigentlich nicht wert. Vielleicht wäre es mit Alkohol besser gegangen.;-)

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