Museum Ludwig

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Das Museum Ludwig, auf dessen Balkon die Leute stehen, wird in diesem Jahr 30 (bzw. 40, wenn man die Zeit in dem alten Gebäude mitzählt) Jahre alt. Ein Jahr vorher, 1985, war ich nach Köln gezogen, ich kann mich noch gut an die Baustelle erinnern. Daß der Bau sich hervorragend in die Stadt einfügt, habe ich ja bereits ein paarmal geschrieben. Aber wie kam es überhaupt zu diesem Neubau? Das Ehepaar Irene und Peter Ludwig, beide Kunsthistoriker, verdienten ihr Geld als Schokoladenfabrikanten (Trumpf, Lindt, Mauxion) und gaben es für Kunst wieder aus. Sie hatten das richtige Gespühr und kauften viel Pop Art (und heizten den Hype dadurch natürlich auch an). Mitte der 70er Jahre „schenkten“ sie dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum 350 Pop-Art-Gemälde, das sich daraufhin umständlich „Wallraf-Richartz-Museum Museum Ludwig“ nannte (oder nennen mußte?). In den Folgejahren liehen die Ludwigs dem Museum weitere bedeutende Werke, eine große Sammlung russische Avantgarde aus den 10er und 20er Jahren und mehrere hundert Werke von Picasso, die sie erworben hatten, als sie noch bezahlbar waren. Als sich das Museum daran gewöhnt hatte, einen schier unbezahlbaren Schatz in den Räumen zu haben, machte Peter Ludwig der Stadt ein Angebot: Baut ein neues Gebäude, und aus der Leihgabe wird eine Schenkung. Andernfalls – tja, geliehen ist geliehen, da weiß man nie, was damit passiert.

1986 war es soweit: Das neue Haus gleich neben Dom und Hauptbahnhof war fertig und berherbergt nebenbei noch die Philharmonie, ein kommunales Kino und die Kunst- und Museumsbibliothek Köln (weltweit die größte ihrer Art, platzt inzwischen aus allen Nähten, weswegen in Rat und Verwaltung schändlicherweise immer mal wieder darüber diskutiert wird, sie aufzulösen). Der umständliche Name des Museums wurde mitgeschleppt. Ein paar Jahre vergingen, und die Ludwigs, so vermute ich, planten einen erneuten Coup: Sie hatten noch 774 Picassos, wenn sie die auch der Stadt übereigneten, hieße das, daß Köln nach Paris und Barcelona die drittgrößte Picassosammlung auf der Welt hätte. Allerdings, die brauchen natürlich auch Platz, und das Wallraf-Richartz-Museum mit dem weltweit größten Bestand an mittelalterlicher Kunst verdient doch auch sein eigenes Haus … und so kam es zu einem weiteren millionenschweren Museumsbau mitten in der Stadt. Pünktlich zur Einweihung 2001 schenkte Irene Ludwig (ihr Mann war inzwischen verstorben) dem nun nur noch „Museum Ludwig“ genannten Haus die Picassos.

Weltweit gibt es 14 Museen und Sammlungen, die in ihrem Namen den Namen „Ludwig“ enthalten, da das Ehepaar überall Bilder gesponsort hat. Da fragt man sich natürlich, was das soll: Ist eine gute Tat, Schenkungen an die Öffentlichkeit mit schöner Kunst, nicht viel ehrenvoller, wenn sie im Stillen geschieht? Küchenpsychologisch könnte man es so auflösen: Da das Paar kinderlos war, wollten sie vielleicht auf diese Weise ein Stück Unsterblichkeit erlangen. Wenn das stimmt, ist das durchaus rührend, aber auch bemitleidenswert, denn inzwischen sind beide verstorben. Man kann das manchmal in Todesanzeigen lesen: Solange man noch an den Verstorbenen denkt, ist er noch nicht ganz tot. Ich verstehe, daß die Trauernden sich damit trösten wollen, aber ich befürchte, daß das Quatsch ist: Weniger tot oder toter als tot geht nicht. Unsterblich ist allenfalls der Name, aber davon haben die Beiden nun nichts mehr.

26 Gedanken zu “Museum Ludwig

    1. Videbitis

      Ah ja – danke für den Hinweis. Das Gebäude, in dem das Museum sich befindet, wurde 1986 bezogen, also 30 Jahre. Zählt man den Namen in dem alten Gebäude „Wallraf-Richartz-Museum Museum Ludwig“ seit 1976 mit (was, wie ich gerade gesehen habe, das Museum auf seiner Homepage auch tut), sind es sogar 40 Jahre. Ich werde das gleich mal verbessern.

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  1. Kuriosum am Rande: Letztlich haben die braven Steuerzahler alles bezahlt, denn Kunst zu kaufen und an Museen zu schenken, war auch ein geschicktes Steuervermeidungsmodell. Man leitet Geld, dass man eigentlich den öffentlichen Kassen, also dem Gemeinwesen schuldet um in die Taschen von Kunsthändlern, um Kunst zu erwerben, schenkt die Bilder anschließend den Städten, erpresst sie zu Museumsbauten und lässt sich anschließend als Mäzene und Wohltäter feiern. Ein Heiliger war Ludwig sowieso nicht. In den 1970er Jahren erschien im „Klenkes“, einer linksalternativen Aachener Zeitung ein Artikel über Ludwigs Fremdarbeiter aus Osteuropa. Sie wurden nach Männer und Frauen getrennt in Kasernen gehalten und schufteten für einen Hungerlohn in der Schokoladenfabrik. Bei all dem Ludwig-Ehrungsgedöns sollte man diese Aspekte nicht vergessen. Dass Köln jetzt zwei Museen von Weltrang hat, wäre ohne die Ludwigs nicht gegangen, aber es bleibt ein schales Gefühl dabei. Es ist hier schon ganz früh ein Paradebeispiel entstanden für die Erpressung eines armen Staates durch „großzügige Spender“, quasi das Modell, von dem die Neoliberalen träumen. Der Staat wird systematisch verarmt, und seine einfachen Bürger werden zu Bittstellern, die sich bei ihren Ausbeutern noch bedanken dürfen.

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    1. Videbitis

      Danke für die Ergänzung, die Geschichte mit den Fremdarbeitern ist mir neu, paßt aber gut zu dem Eindruck, den ich immer von Peter Ludwig hatte: Ein Großfürst, der die Stadt nach seiner Pfeife tanzen ließ. Wenn ich mich recht erinnere, zog er andere bedeutende Leihgaben aus dem Wallraf-Richartz-Museum zurück und verkaufte sie, um dem Stadtrat zu zeigen, wozu er fähig wäre, sollte er seinen Wunsch nach einem neuen Gebäude nicht unterstützen. Du hast recht mit dem schalen Gefühl, andererseits freue ich mich jedesmal, wenn ich in einem der Museen bin, daß wir sie haben.

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      1. Videbitis

        Ja. Interessant auch das Interview mit dem Künstler Hans Haacke, ich habe unten einen Auszug bei bei teggytiggs zitiert, falls es Dich interessiert.

        Schön, daß Du das Wort „spannend“ benutzt, denn am 26. Oktober 2007, in einem meiner ersten Blogeinträge, machte ich folgende Ankündigung:

        „Zur Bedeutung des Ehepaars Ludwig für die hiesige Museumslandschaft erzähle ich an anderer Stelle mehr (ich weiß, es reißt Euch vom Hocker bei der Ankündigung 😉 aber die Geschichte ist wirklich spannend).“

        Hat ein bißchen gedauert, aber immerhin …;-)

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    1. Videbitis

      Ja, vor genau diesem Dilemma stehe ich auch: Es ist doch besser, ein Industrieller investiert sein Geld in Kunst und stellt sie der Öffentlichkeit zur Verfügung, als daß er sonst irgendeienen Blödsinn damit anstellt, also z.B. Waffen für Kriege kauft oder Wolkenkratzer hochzieht. Allerdings sollte einen das nicht dazu bringen, den kritischen Blick zu verlieren. Ludwig hatte eine solche Macht, daß er quasi diktieren konnte, welche zeitgenössische Kunst erfolgreich sein wird und welche nicht.

      Der Künstler Hans Haacke hat das sehr früh in einem Werk über Ludwig thematisiert („Der Pralinenmeister“), hier ein Zitat aus einem interessanten Interview:

      „Haacke: Zunächst sollte man aber einmal festhalten, daß Ludwig sicherlich aus eigener Kraft nicht in der Lage wäre, seinen gesamten Kunstbesitz zu Hause aufzuhängen und sachgerecht zu unterhalten. Enorme Anlagen müßten von ihm finanziert werden, mit Klimatisierung, Staubfreiheit, Diebstahlsicherung usw. Dazu käme ein großer Stab von Personal für die technische und wissenschaftliche Betreuung. Und Ludwig müßte Vermögenssteuer für seinen Kunstbesitz bezahlen, die durch Dauerleihgaben an öffentliche Institute entfällt. Allein für die Kölner Pop Art Sammlung wären das jährlich über zweihunderttausend Mark gewesen. Man weiß natürlich auch aus Erfahrung, daß Ausstellungen in Museen den Wert von Kunstwerken steigert. Auf all dies habe ich in meiner Arbeit angespielt. Es ist klar, daß ein sammelwütiger Mensch wie Ludwig seiner Leidenschaft ohne die Kooperation öffentlich finanzierter Institute nicht in diesem Stil nachgehen könnte. Es hat also weniger mit der sogenannten Sozialverpflichtung des Eigentums als mit nüchternen kaufmännischen Überlegungen zu tun, wenn Ludwig seine Sammlung in diversen Museen parkt. Er braucht sie. Ohne ihr Mitwirken käme auch sein Geltungsbedürfnis nicht auf seine Kosten. Es wäre einmal interessant nachzurechnen, welche der beiden Parteien Ludwig-Öffentlichkeit von der anderen rein finanziell profitiert. Das geht aber nur, wenn die Kulturbürokratie mit den Zahlen herausrückt. Bisher sind jedoch solche Erkundigungen immer indigniert abgeblockt worden. Daß Ludwig so leidenschaftlich sammelt, hat auch seine psychologische Komponente, über die sich allerdings nur spekulieren läßt. Aber es ist ja auch unerheblich, ob wir es bei Ludwig mit einem verhinderten Museumsdirektor zu tun haben – er hat ja in Mainz mit einer kunsthistorischen Arbeit promoviert und dann eine kunsthistorische Karriere dem Schokoladegeld geopfert – und welche Motive im Einzelnen ausschlaggebend sind, entscheidend sind die Resultate. Und da sehen wir eben, daß viele Städte, viele Museumsdirektoren, Ausstellungsmacher, und auch Künstler bewußt oder unbewußt nach seiner Pfeife tanzen, daß wichtige kunstpolitische Entscheidungen in seinem Sinne fallen, gleichgültig, ob er das erzwingt oder ob das nun durch Selbstzensur geschieht. Er interveniert für die von ihm favorisierte Kunst und beeinflußt über seine Leihgabenpolitik viele Ausstellungskonzepte. Eben dies soll ja auch eine wesentliche Aufgabe der Ludwigstiftung sein, in der er als Vorsitzender den Ton angeben will. Darüberhinaus bestimmt er natürlich auch indirekt, was hier und da gezeigt wird, welche Vorstellungen von Kunst wir entwickeln und welche Vorstellungen von Kunst tradiert und in die Zukunft projiziert werden. Damit beeinträchtigt er nicht nur meine, sondern vieler Leute Arbeitsbedingungen.“ kunstforum 44/45, 1981, S. 152

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      1. …Danke für die ausführliche Antwort…ich würde auch finanzieren, was mir gefiele, das halte ich für menschlich, insofern geht es ja gar nicht anders…Kunst wird immer einer individuellen Beurteilung unterliegen und wer das Geld dazu hat, nutzt es eben, um seinen Geschmack…wie auf anderen Gebieten ja auch den Willen…durchzusetzen…

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        1. Videbitis

          Ja, menschlich. Aber wer verantwortlich handelt, denkt die anderen immer mit. Wer so reich und mächtig ist, daß er große Museen entstehen lassen kann, tut gut daran, sich beraten zu lassen bei der Auswahl, damit ein Bild der Zeit entsteht, und nicht das Psychogramm eines Egomanen. Aber in gewisser Weise ist das Schnee von gestern, das Museum Ludwig hat inzwischen auch viele anderer Werke, durch Schenkung oder Ankauf, die der Initiator verpönt hatte.

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    1. Videbitis

      3 Mio nur? Das ist wirklich ein Schäppchen. Was ist es denn? Die erste Krakelzeichnung des Zweijährigen?;-)

      Daumen hoch! „Hunky Dory“, die Bowie-Platte, die mir am besten gefällt.

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  2. genotypa

    die ludwigs hätten mir wenigstens einen picasso schenken könne, wo ich ihn so verehre. 😉
    ein druck von picasso bild, dessen titel mir entfallen ist, hängt in meinem treppenhaus. es ist in balu gehalten.

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  3. Fein, wenn sozusagen Schokolade aller Arten in Kunst umgewandelt wird!
    Es gibt also doch auch noch erfreuliches aus der Darknetworld zu berichten,
    herzlichen Dank dafür …
    und einen schönen Abend dir,
    Lu

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    1. Videbitis

      Aus Schokolade aller Arten – und dem Schweiß der unterbezahlten Arbeiterinnen, die sie hergestellt haben, muß man leider hinzufügen.

      Dir auch einen schönen Abend!

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        1. Videbitis

          Nein, eigentlich nicht. Wenn ich Funk gelegentlich höre, höre ich es mir gern an, aber eine Platte/CD würde ich mir nie kaufen.

          Danke für die Erinnerung, der 32GB-Stick liegt hier, John Mayall, ich habe es nicht vergessen …:-)

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