Wandern auf dem Goldsteig: 4. Etappe

Es war genau hier, in dieser Einöde zwischen …

… und …

… als meine Begleiterin sich fragte, wo eigentlich ihre teure Spiegelreflexkamera ist. Um die Schulter hing sie nicht, der Rücksack war merkwürdig leicht, also …

… konnte sie nur hier liegengeblieben sein: Vor ca. einer Stunden (und einigen schweißtreibenden Kilometern) hatten wir hier eine kurze Rast gemacht, das angrenzende Ausflugslokal öffnete gerade. Dessen Telefonnummer steht unglaublicherweise in unserem Reiseführer, es nimmt jemand ab: Tatsächlich, die Kellnerin schaut nach, die Kamera ist noch da. Also müssen wir zurück – und belohnen uns bei der Ankunft mit einem alkfreien Weizenbier und einer Brotzeit (eine Brotzeit ist eine große Scheibe Graubrot mit Aufschnitt, meist Wurst, und saurer Gurke, oder Radi oder was gerade so da ist an sauer eingelegtem Zeug). Eigentlich hasse ich doppelt und dreifach zurückgelegt Wege, besonders, wenn sie so anstrengend sind und die Etappe um 6 auf ca. 21 km verlängern, jedoch – nach diesem Ereignis fühlen wir uns gelassener als vorher und genießen den Tag.

„Da geht’s lang“ – pah!, haben wir nicht mehr nötig, solche Hinweise, wir gehen die Strecke bald im Schlaf.

Mitten in einem Dorf wird ein Haus dem Verfall überlassen, merkwürdig. Ob man Angst hat vor dem Hlg. Georg, der sogar Drachen gekillt hat mit nichts als einer Lanze?

Leuchtenberg heißt unser nächstes Ziel, und wenn man sich dem Dorf von der richtigen Seite nähert und wenn die Sonne scheint, weiß man auch, warum.

Unser Gasthaus liegt gleich gegenüber der Kirche. Als wir ankommen, beobachte ich, daß gerade auf alle Tische der Außenterrasse ein „Reserviert!“-Schildchen gestellt wird. Als wir gegen sechs auch was essen wollen, sind alle Tische bis auf den letzten Platz besetzt: DickeSehr gut genährte junge Leute, wahrscheinlich aus der näheren Umgebung eigens zusammengekommen, verputzen die Gerichte einer Extra-Karte, die nur heute, Samstag, gilt: Schnitzel! Ausschließlich Schnitzel, in allen denkbaren Variationen: Jäger-, Bauern-, Hähnchen-, Wiener-Art-Schnitzel und Cordon Bleu und was es sonst noch gibt, riesige frische Stücke, also keine Tiefkühlkost, dazu große Portionen Pommes oder Kartoffelsalat, dazu noch je ein Salatteller, für nicht mehr als 8,90 Euro. Ich habe mich immer schon gefragt, wer eigentlich das ganze Fleisch frißt, das unartgerecht schnellstmöglich großgezogen und zu viel zu niedrigen Preisen verkauft wird, jetzt sehe ich es mit eigenen Augen: Die Landbevölkerung, und wahrscheinlich nicht nur die bayerische. Anders ist es kaum zu erklären, daß gar nichts anderes angeboten wird.

In der Burgruine wird Freilufttheater gespielt, gegeben wird „Der Revisor“ von Gogol – Hochkultur und Imbißessen, wie paßt das zusammen? Sehr gut, wahrscheinlich, nur weil einer den kompletten Ring der Nibelungen in Bayreuth sieht, muß er nicht notwendig gesunde Ernährungsgewohnheiten haben.

Ich befürchte allerdings, die Vorstellung mußte frühzeitig abgebrochen werden – ein gewaltiges Gewitter verschafft endlich Abkühlung. Da eilen schon die ersten Besucher zu ihren Autos.

Am nächsten Tag – wir machen eine Wanderpause – schauen wir uns das Dorf genauer an. In der Kirche hängt das poppige Bild von einem Hippie, der gerade eine Lichtshow veranstaltet.

Junge Leute tragen gerade irgendwelche Ritualutensilien heraus, verstauen sie im Wagen, um sie …

… vorbei an diesem malerischen Haus …

… die kurze Strecke hinauf zur Freiluftbühne zu transportieren, wo gleich …

… ein Gottesdienst stattfinden soll, für die Biker, die sich an diesem Wochenende hier treffen. Merke: Nicht jeder Motorradfahrer ist ein Rocker. Wir sind herzlich eingeladen …

… aber wir verzichten dankend, verbummeln den Tag und sammeln Eindrücke.

„Abendroot mokt Morgen goot“, heißt es in meiner alten Heimat. Mal sehen.

Fortsetzung folgt.

9 Gedanken zu “Wandern auf dem Goldsteig: 4. Etappe

  1. genotypa

    habt ihr die kamera deiner begleiterin gefunden?
    in bayern wird es wohl im vergleich zu anderen bundesländern die wenigsten vegetarierer und veganer geben.
    macht erhöhter fleischkonsum nicht strunzdumm?
    das würde einiges erklären.

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    1. Videbitis

      Wir nicht, aber die Kellnerin, die wir angerufen haben. Sie hat sie für uns verwahrt, bis wir sie wieder abgeholt haben.

      Ob Fleischverzehr dumm macht, weiß ich gar nicht genau, auf jeden Fall ist zu viel Fleisch nicht gut für den Körper: Im Schweinefleisch ist Harnsäure, die der menschlichen Harnsäure gleicht und sich deshalb in den Gelenken ansammelt und zu Gicht usw. führen kann, und zu viel rotes Fleisch ist einer der Verursacher von Herzinfarkten und Schlaganfällen – von der amoralischen artungerechten Massenaufzucht von Rind, Schwein und Geflügel mal abgesehen.

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      1. genotypa

        mein seliger opa litt sehr unter gicht, die von harnsäure verursacht wird.
        aber wer fleisch essen will und das jeden tag muß eben leiden.
        dumm macht fleisch insofern, weil man die ursachen von krankheiten durch fleischkonsum nicht wahrhaben will.

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  2. Oha! Das ist ja ein „Urlaub“ der besonderen Art. Immerhin habt ihr den heiligen Toni auf eurer Seite (der für Verlorenes zuständig ist). Drachen sind ohnehin selten, also könnt ihr auf Gerogieporgie ganz gut verzichten.

    Unglaublich, wie sehr man „da unten“ Religiöses um die Ohren gehauen bekommt, während man hier kilometerweit reisen kann, ohne daß auch irgendwo der leiseste Hauch davon zu sehen ist.
    Den Jesus mit „Light(heart)show“ kannte ich noch nicht. Also nicht so. Zum niederknien (komisch).

    Was für ein Donnerwetter da wohl losbrechen würde, würde einer nach einem veganen Schnitzel fragen. Seitan soll ja ganz einfach zu machen sein.

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    1. Videbitis

      Seitan – ich glaube, die kennen nicht mal das Wort, und Tofu ist eine Ausgeburt des Teufels.

      In jedem Dorf gibt es mindestens eine Kirche, manchmal auch zwei, vielleicht werden sie zu klein, wenn der Bauer seine Viecher mitbringt? Keine Ahnung. Und zwischendurch, an den Feldrändern, gibt es natürlcih auch noch überall kleine Kapellen oder Kreuze oder sogar Kreuzwege mit 20 Stationen, die man mit Gebeten abarbeiten soll.

      Der Jupp ist gut, nicht? Schönste Pop Art. In zwei verschiedenen Kirchen habe ich Reproduktionen gesehen, mich würde interessieren, woher das Original kommt …

      Ah – gerade gefunden: Jesus hat es bei einer gewissen Faustyna Kowalska selbst in Auftrag gegeben und dabei nicht bedacht, daß sie gar nicht malen kann, lies selbst:
      https://de.wikipedia.org/wiki/Gnadenbild_vom_Barmherzigen_Jesus

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      1. Warum hat Jesus sich wohl für seinen Auftrag keinen Maler gesucht? Man geht ja auch nicht zum Bäcker und verlangt von ihm eine Abhandlung über das versunkene Dativ-e in der Deutschen Hochsprache. In seiner Allmacht hätte er auch machen können, dass Faustyna Kowalska malen konnte. „Nicht bedacht“ ist lustig.
        Die erzkatholische Gegend, die ihr durchwandert habt, ist an den Fassaden fromm und rein und architektonisch fast ein bisschen langweilig. Wie es in den Herzen der Menschen dort aussieht,die so auf Fassade achten, möchte man lieber nicht wissen. Zum Glück kann ich erneut bequem zu Hause sitzen und eure Wanderung in deiner Bildreportage nachvollziehen. Da stören mich auch nicht die Schritte zurück, um die vergessene Kamera zu holen. Ich geriet mal nahe Dresden in einen Stau, als meiner Mitfahrerin auffiel, sie hätte ihre Tasche mitsamt Papieren und teurer Kamera in der Raststätte vergessen. Sie hat mich schier verückt gemacht, weil wir nicht hinfahren konnten. Es hatten da auch finstere Typen am Nebentisch gesessen. Zum Glück konnten wir über die Auskunft die Telefonnummer des Lokals herausfinden. Die finsteren Typen hatten die Tasche getreu an der Theke abgegeben.
        Ich musste den Stau ganz illegal über einen sich anbietenden Feldweg verlassen, damit meine Mitfahrerin sich beruhigte.

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        1. Videbitis

          Ich vermute, Jesus hat sich einfach versehen und wollte in den Halluzinationen einer anderen Person auftauchen. Wenn dann die Faustyna plötzlich hätte malen können, das wäre mal ein schönes Wunder gewesen, aber nein – das kann er vielleicht nicht, da muß er erst den Vater fragen, und der hat für so einen Unsinn keine Zeit, der bastelt wahrscheinlich an einer Welt 2.0, wo der erste Versuch so daneben gegangen ist.

          In solchen leicht kriseligen Situationen lernt man seine Nächsten oft von einer Seite kennen, auf die man gar nicht scharf war. Meine Begleiterin hat die Situation mit Gelassenheit gemeistert, und ich war zum Glück auch gar nicht genervt – manchmal zeige ich ja selbst auch unwillkürlich Reaktionen, die mir hinterher gar nicht mehr gefallen, da sie meinem edlen Selbstbild in keiner Weise entsprechen.;-)

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