Seit 1950 gab es ein Gesetz, das die „Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet“ regelte: Aus der jungen DDR flüchteten immer mehr Menschen in den Westen und nach Berlin, wovon man auf beiden Seiten gar nicht begeistert war: Die DDR, die sich als der bessere deutsche Staat verstand, wollte die Leute allein schon aus ideologischen Gründen im Land behalten, während man im Westen den Zustrom als weitere Belastung der nachkriegbedingt sowieso schon knappen Mittel (Wohnraum, Arbeit, Lebensmittel) betrachtete.
Im Osten versuchte man, die Leute durch Abschreckung im Land zu halten, im Westen durfte zu Anfang nur der DDR-Flüchtling bleiben, der „wegen einer drohenden Gefahr für Leib und Leben, für die persönliche Freiheit oder aus sonstigen zwingenden Gründen“ geflohen war; wer abgelehnt wurde, wurde nicht etwa wieder zurückgeschickt, sondern in ein Lager in Berlin gesteckt, bekam kein Geld, durfte nicht arbeiten, sich keine Wohnung suchen und auch nicht in den Westen reisen. Vermutlich spekulierte man darauf, daß die Abgelehnten zurück gingen in die DDR.
Zur Abwicklung des Prüf- und Aufnahmeverfahrens errichtete man in Berlin-Marienfelde ein sogenanntes Notaufnahmelager, in das alle Flüchtlinge kamen, die über die in den 50er Jahren ja noch größtenteils offene Grenze innerhalb Berlins geflohen waren. Ein kleiner Teil des Gebäudes beherbergt heute ein Erinnerungsstätte, in der diese Zeit museal aufgarbeitet wird. Die Dauerausstellung ist gut gemacht. Die zwölf Türen oben stehen für die zwölf Stationen, die jeder Flüchtling durchlaufen und …
… abstempeln lassen mußte – deutsche Gründlichkeit eben, die man ja noch aus den Jahren vorher kannte …
Neben Untersuchungen der Gesundheit gab es natürlich auch die der Gesinnung, konnte man doch nicht wissen, ob auf diesem Wege nicht vielleicht Spione ins Land geschleust wurden, außerdem hofften die Geheimdienste, verwertbare Informationen zu erhalten, die sich aus den Verhören ergaben. Bereits 1953 wurden die Aufnahmehindernisse abgemildert, es reichte aus, einen Arbeitsplatz im Westen vorweisen zu können (wie man als noch nicht anerkannter Flüchtling an den herangekommen war, wird nicht erklärt), und ab 1956, als das Wirtschaftswunder langsam griff und man gar nicht genug Arbeitskräfte bekommen konnte, reichte es bereits aus, arbeitsfähig zu sein.
Ein Mensch ist nicht als Teil einer Masse zu behandeln, sondern als Individuum – eine Tatsache, die auch heute wieder allzuleicht – und leichtfertig – vergessen wird.
Nach dem Bau der Mauer war hier nicht mehr viel los, nur noch wenigen gelang die Flucht. Die Aufnahme war nun faktisch nur noch ein Registrierungs- und Verteilungsvorgang, abgelehnt wurde niemand mehr. Erst in den späten 80ern wurde es wieder voll – nach dem Fall der Mauer 1989 sogar so voll, daß man ernsthaft überlegte, DDR-Bürgern keine Aufenthaltserlaubnis mehr zu erteilen. Aber dann gab es schnell keine DDR-Bürger mehr, sondern nur noch Ossies, und für die brauchte man kein Notaufnahmelager mehr.
Heute wird das Gebäude zum größten Teil zur Unterbringung von Asylsuchenden genutzt, was ja sehr sinnvoll ist.
Gut gemacht, die Dauerausstellung, es gibt viel zu lesen und auch zu hören, wenn man will, Aussagen von Zeitzeugen und historische Interviews. Der Eintritt ist frei.
(Infos und Zitate: http://www.notaufnahmelager-berlin.de)
Damals wie heute, flüchtlinge im lager…
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Ja. Die Unterbringung in Lagern ist manchmal nicht zu vermeiden, wenn der Andrang groß ist, sollte aber so kurz sein wie nur irgend möglich. Mich wundert es überhaupt nicht, daß es immer wieder zu Unruhen kommt in den heutigen Lagern.
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So wiederholt sich doch vieles
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Ja, leider. Und es wird sich immer wieder wiederholen.
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Und aktuell kein Ende abzusehen…
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Klingt sehr interessant. Vielleicht geh ich da auch mal hin. Das mit den 12 Türen gefällt mir besonders.
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Nicht erschrecken bei einer Tür, wenn man sie aufmacht, ertönt plötzlich eine Stimme, die einen was fragt.
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In den 50er Jahren, also bis 1961, arbeiteten viele aus der Ostzone im Westen Berlins und pendelten täglich hin- und her. Diese hatten einen Arbeitsplatz im Westen, wenn sie sich entschlossen, nicht mehr in den Osten zurückzukehren.
…wie sich doch alles wiederholt…traurig, dass Menschen freiwillig oder unfreiwillig ihre Heimat verlassen…
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