Heute ohne Gehirn sinnlos aufmarschieren (Hogesa)

Die Deutzer Brücke in beide Fahrtrichtungen gesperrt, das gibt es sonst nur zu Silvester. „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) hielten gestern eine Kundgebung ab, und da die Polizei sie nicht verbieten durfte, hatte sie die zum großen Teil als gewaltbereit eingestuften Rechtsradikalen auf einen Bauplatz hinter den rechtsrheinischen Deutzer Bahnhof verbannt, wo man sie gut in Schach halten konnte. Ihr erinnert euch: Letztes Jahr war der Hogesa-Aufmarsch auf dem zentralen Breslauer Platz zu einer wüsten Schlägerei zwischen Rechtsradikalen und Polizei ausgeartet.

Daß die Brücke gesperrt werden mußte, ist der Gegendemonstration geschuldet: Viele Kölner Vereinigungen gegen Rassismus und rechte Gewalt hatten dazu aufgerufen, die Stadt nicht den Neonazis zu überlassen, ca. 20.000 Teilnehmer folgten dem Aufruf. Der Demonstrationszug endete vor dem Deutzer Bahnhof, wo ein Kulturfest stattfand, das man kurzerhand aus einem anderen Stadtteil hierher verpflanzt hatte.

Ca. 1.000 Rechtsradikale auf der einen Seite des Bahnhofs (deren Kundgebung erst verspätet beginnen konnte, da sie 50 Ordner stellen mußten, die weder alkoholisiert waren noch vorbestraft – woher sollte man die so schnell nehmen?), 20.000 Gegendemonstranten auf der anderen, unter denen natürlich auch ein paar gewaltbereite Linksautonome waren – keine ganz leichte Angelegenheit für die 4.000 anwesenden Polizisten, die bei den kleinsten Anlässen hart durchgriffen: Als ein Autonomer idiotischerweise eine Flasche auf einen Wasserwerfer warf, stürmten sofort zig bis an die Zähne bewaffnete Polizisten knüppelnd in die überwiegend friedliche Menge, und der Wasserwerfer durchnäßte auch viele Leute, die nur zufällig in der Nähe standen – laut Zeugenaussagen ein völlig unverhältnismäßiges Vorgehen.

Früher sangen bei Demos gegen Rechts Liedermacher wie Degenhart, Hüsch oder Wader. In Köln bedeutet „Kulturfest“ leider Karneval. Glücklicherweise hatten wir die „Höhner“ bereits verpaßt, als wir da waren, kamen aber in den Genuß von Vorträgen von Mitgliedern der „Stunksitzung“ (früher einmal alternativer, nun schon längst Teil des etablierten Karnevals, s.o.), und als die ersten Töne der Karnevalsband „Kasalla“ erklingen, verlassen wir fluchtartig den Ort. Gut, besser, die Veranstaltatung endet so, als mit eingeschlagenen Köpfen.

PS: Den Titel habe ich dem Kölner Stadtanzeiger entnommen.

19 Gedanken zu “Heute ohne Gehirn sinnlos aufmarschieren (Hogesa)

  1. Huch, was ist mit deinem Blog geschehen? Der sieht so anders aus…

    Danke fürs Berichten. Ich schreibe dazu nichts, was kann man dazu auch schreiben. Einem (sogar mir!!!) fehlen da einfach grundsätzlich die Worte. Aber der Titel gefällt mir außerordentlich.

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    1. Videbitis

      Immerhin bemerkenswert, daß 20.000 Leute bei der Gegendemo waren, wie würde man sich fühlen, wenn da gar nichts passieren würde, und die Rechten freies Feld hätten.

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    1. Videbitis

      Ja, genau.
      Hat sie ja wahrscheinlich, nur die Gehörlosen haben ihn gesehen. Für alle anderen war er unsichtbar. Oder kennst Du die Gebärde für Hütchen?

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    1. Videbitis

      Manchmal bewirken sie etwas, hier wird zumindest gezeigt, daß es Gegenwehr gegen die Rechtsradikalen gibt. In Berlin waren neulich 250.000 Menschen, um gegen TTIP zu demonstrieren, eine Viertelmillion … wenn das die Politiker, die ja nicht alle Dumpfbacken sind, nicht beeindruckt, dann weiß ich auch nicht.

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    1. Videbitis

      Ja, versteh ich. Es sind ein paar Leute zwischen die Fronten geraten, die einfach nur mit dem Zug fahren wollten und von den Demos gar nichts wußten, oder Leute, die zu einem Eishockeyspiel in der Lanxess-Arena wollten.

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  2. nevertheless13

    vergangenen samstag wollte die npd in einem kleinen ort in niedersachsen aufmarschieren. es gab reichlich gegendemonstranten, von der npd waren ganze 25 personen aufgetaucht.
    was ich jedoch nicht verstehe ist, warum die politik sich nicht mit den menschen, die zb zu pegida demos gehen, korrekt auseinandersetzen und ihre bedenken versuchen zu zerstreuen.
    meine kleinstadt hat mit den eingemeindeten dörfen rund 45 tausend einwohner.
    wenn ich richtig informiert bin, haben wir zurzeit ca. 500 flüchtlinge untergebracht. täglich kommen 15 weitere dazu. noch gibt es keine sammelunterkünfte, doch sollten erneut flüchtlinge en mas zugewiesen werden, müssen sie mit der unterbringung in einer turnhalle vorlieb nehmen.
    betten und trennwände sind vom bürgermeister bestellt.
    noch ist es sehr ruhig im städtchen, die flüchtlinge werden freundlich aufgenommen, doch sollten noch viel mehr zugewiesen werden, könnte es auch anders werden.
    vom alltäglichen rassismus gegen alles fremde im allgemeinen abgesehen.

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    1. Videbitis

      Ja, man müßte schnell was machen, damit die Entwicklung nicht eskaliert, Wohnungen bauen, Leute einstellen, die sich kümmern usw. Stattdessen nölen immer mehr Politiker herum, daß das so nicht ginge blabla – und reden die schlechte Stimmung erst herbei, statt die weitverbreitete Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung zu unterstützen.

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  3. na ja, wenn man sich erinnert, wie Arsch huh. Zäng ussenander entstanden und gewachsen ist, dann kann man sehr gut damit leben, dass Karnevalsbands sich gegen Rechts engagieren 😉

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        1. Videbitis

          Ich komme ja nicht aus Köln, sondern aus dem hohen Norden, und war immer etwas befremdet von kölschem Jeföhl un Selischkeit. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, aber zu Karneval fliehe ich immer noch in eine andere Stadt.
          Ich mache mich hier in dem Blog sehr oft lustig darüber, ich hoffe, Du verübelst es mir nicht, wenn es mal wieder so weit ist.:-)

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