Kunststation St. Peter

Flirrende bunte Flecken …

… aus Plastik, die an Fäden hängen und …

… sich am Ende zu einem Ball formen, …

… von einer sehr hohen Decke …

… in einer Kirche.

Was kann das bedeuten? Die Künstlerin Claire Morgan sagt auf ihrer Homepage, die Titel ihrer Werke seien ein Teil von ihnen und deshalb sehr wichtig: Dieses Kunstwerk heißt „Act of God“. Wer erst ein bißchen darüber sinnieren will: Unter dem nächsten Foto erkläre ich, was es damit auf sich hat.

Das ganze Gebilde stellt einen Meteoriten mit Schweif dar, der mit rasender Geschwindigkeit Richtung Erde fällt und kurz vorm Einschlag ist. Die Plastikteilchen sind aus gebrauchten Plastiktüten hergestellt. Der Titel „Act of God“ ist doppeldeutig: Einerseits kann man ihn mit „Handlung Gottes“ übersetzen, andererseits ist er ein englisches Idiom und hat die Bedeutung des versicherungstechnischen Begriffes „Höhere Gewalt“, den die Versicherungen immer dann benutzen, wenn sie nach Naturkatastrophen nicht zahlen wollen. Werk und Titel zusammen betrachtet machen klar, daß der Titel ironisch gemeint ist: Nicht Gott oder eine höhere Gewalt ist für die Katastrophen verantwortlich, die durch eine zunehmende Umweltverschmutzung auf uns zukommen, sondern der Mensch selbst. Da sich im Fall einer Katastrophe aber niemand finden läßt – oder besser – finden lassen will, der die kostspielige Verantwortung übernimmt, wird man wieder Gott und höhere Gewalt bemühen.

Jedes Jahr landen ca. 9 Mio. Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen (Zahl von 2010, inzwischen ist es vermutlich noch mehr), das sind 9 Milliarden Kilogramm – jeder von uns kann sich ungefähr vorstellen, wieviele Plastiktüten man braucht, um 1 Kilo auf der Waage angezeigt zu bekommen. Viele Tiere halten kleine Plastikstücke für kleine Fische, füllen sich damit ihren Magen, sind satt – und verhungern. Mikroplastikstücke werden wie Plankton von vielen Fischen gegessen, lagern sich in ihren Körpern ab, die dann auf unseren Tellern landen – guten Appetit.

Die schier unglaubliche Masse des Plastikmülls steht in diesem Kunstwerk natürlich nur exemplarisch für die vom Menschen verursachte Umweltzerstörung – die uns wahrscheinlich eines Tages auslöschen wird, so wie ein richtiger Meteorit die Dinosaurier für immer vernichtet hat. Es ist zum verzweifeln.

Das darf natürlich nicht sein, Verzweiflung in einer Kirche, deswegen wird in einer Pressemitteilung beschwichtigt: Die Künstlerin wolle gar nicht Kritik üben, sondern sie sehe ihr Werk „… als Appell, einmal eingeschlagene Wege rückgängig zu machen und Dinge zum Guten wenden zu können.“ Hallo? Das Ding hängt zweieinhalb Meter über dem Boden! Der Kölner Stadtanzeiger titelt daraufhin in einem kurzen Bericht: „Meteorit der Hoffnung“. Kaum zu fassen! – dümmer geht es nicht.

8 Gedanken zu “Kunststation St. Peter

  1. Aber moment, hat Gott nicht himself das Plastik (nicht die, also doch die, die Plaste oder heißt das der das….äh wo war ich?!) erschaffen? War das wirklich der Mensch? Kann der Mensch etwas erschaffen, daß Gott vorher nicht abgesegnet hat?
    Gott liebe Plaste könnte die Kirche jetzt sagen. Aber wen der Herr liebt, den züchtigt er bekanntlich und so kriegt es jetzt der Mensch ab. (Ich schreibe wirr)

    Moment, Kunst-Stoff, ist das nicht ein Wortspiel?

    Und ich muß an etwas denken, daß ich jetzt aber im Leben nicht mehr wiederfinde im Web. Einen Fotografen, der tote Seevögel fotografiert hat und was ihr Mageninhalt so nach Verwesung freigibt. Das war schrecklich und schön zugleich. Eine makabere Ästhetik sozusagen. Aber det is ja nu in der Kunst gar nix Neues.

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    1. Videbitis

      Gott hat ja sogar den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen, der sieht also genau so aus wie wir. Wenn der mal ein Eis ißt, z.B. ein leckeres Magnum, wo schmeißt er dann die Verpackung hin? Von Mülltrennung hat der doch garantiert noch nie was gehört. Der wirft das einfach auf irgendeine Wolke, und wenn das Zeug dann ins Rutschen kommt, landet es als Meteorit auf unserer Erde, höhere Gewalt eben, da machste nix.

      Ja, die Bilder kenn ich. Auch in Störchen hat man schon jede Menge Plastikseile und ähnlichen Kram gefunden.

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    1. Videbitis

      Der Gedanke ist gar nicht abwegig: Im Kölner Stadtanzeiger erschien zum 3. Oktober eine ganzseitige Anzeige von VW, wie schön man zusammen voller Stolz hätte zurückblicken können usw. – und nun das. Aber man wolle alles dafür tun, das Vertrauen zurückzugewinnen. Das Ganze hatte die Anmutung einer Todesanzeige, mit hoffnungsfrohem Blick nach vorn – das kommt einer Anwandlung an höhere Gewalt schon sehr nah.

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  2. Schönen Dank fürs Zeigen und die einsichtsvolle Erklärung. Die Plastik (hehe) hat darüber hinaus eine eindrucksvolle ästhetische Qualität, wirkt mir fast ein wenig zu leicht und zu filigran, um für eine üble Verschmutzung der Ozeane durch Plastikmüll zu stehen.

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    1. Videbitis

      Ich habe schnell mal nachgesehen: Die Künstlerin nennt ihre Arbeiten selbst auch „sculptures“, also liegt man mit Plastik ganz richtig. Mir gefällt sie auch gut, eine handwerklich perfekt ausgeführte, schön anzusehende Arbeit – mit doppeltem Boden.

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  3. nevertheless13

    wenn der mensch nach gottes ebenbild erschaffen wurde, der mensch aber nun alles verdreckt was zur schöpfung gehört und mutwillig zerstört… was sagt das über gott aus?

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