Fluchtpunkt Berlin (5)

So ungefähr sah ich aus, als ich hörte, daß zum recht stolzen Eintrittspreis (inkl. Führung) von 12 Euro für das Schloß Sanssouci noch eine Gebühr von 3 Euro für eine Fotografiererlaubnis bezahlt werden muß. Unverschämt! Das kannte ich bisher nur aus Polen.

Was hilft das Gejammere – dafür sehen wir schönstes Rokoko (die vorletzte Phase des Barock): Wild und üppig wucherndes Ornament. Die Bänke an der Seite waren übrigens schon immer reines Ziermobiliar und dienten nicht zum Sitzen.

Das Musikzimmer, vielleicht erinnert ihr euch, es schon mal gesehen zu haben, nämlich …

… auf dem Gemälde von Adolph Menzel, das er 1850-52 gemalt hat. Das Querflötenspiel war eine der großen Leidenschaften von Friedrich II., eine Kunst, die er heimlich erlernt hat, denn sein Vater, der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I., hätte das niemals erlaubt. Der wollte seinen 1,62 Meter großen Sohn auch zum Soldatentum erziehen und zwang ihn in eine militärische Laufbahn, in der Musik, schöngeistige Literatur und Philosophie, die der Sohn liebte, nichts zu suchen hatten. Als Friedrich im Alter von 18 Jahren nach England (oder Frankreich, je nach Quelle) fliehen wollte, vereitelte der Vater den Plan. Ein Freund Friedrichs wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, was der Vater in eine Todesstrafe umwandelte, die er wegen Verrats auch für seinen eigenen Sohn vorsah, nur durch internationale Fürsprache konnte er davon abgebracht werden. Friedrich saß zwei Jahre im Gefängnis, wo er auf Geheiß des Vaters gezwungen wurde, die Hinrichtung seines Freundes anzusehen.

Friedrich II. war, wie gesagt, ein Liebhaber der schönen Künste, sammelte Skulpturen, Bilder und Bücher, von denen er 5.000 Stück besaß – in drei Residenzen die gleichen, denn er hatte keine Lust, die Bücher mit sich herumzuschleppen. Er war zu Anfang ein relativ aufgeklärter Herrscher und korrespondierte mit den Geistesgrößen Europas, u.a. mit Voltaire, der sogar für zwei Jahre am Hof lebte, bevor man sich zerstritt.

Ein Gästezimmer mit Bettnische – schlichter, als die anderen Räume, aber dennoch geräumig.

In späteren Jahren, nach Erlebnissen in einigen von ihm selbst angezettelten Kriegen um die Eroberung des österreichischen Schlesien (deren Erfolge ihm den Beinamen „der Große“ eintrugen) und dem Verlust der Vorderzähne im Alter von 50 Jahren, was ihm die Leidenschaft fürs Flötenspiel verdarb, soll er unleidlich und verbittert geworden sein. Dies ist sein Arbeitszimmer, in dem er sich mit seinen geliebten Windhunden, die von der Dienerschaft jeweils mit „Sire“ angesprochen werden mußten, hauptsächlich aufhielt. Und das ist auch der Grund, weshalb hier kein Rokoko mehr zu sehen ist, sondern Klassizismus (die letzte Phase des Barock): Das Zimmer war so verwohnt, daß sein Neffe und Nachfolger das Zimmer im zeitgenössischen Geschmack renovieren ließ.

In diesem Sessel starb er schließlich, in den Armen seines Kammerdieners, 74jährig im Jahr 1786, Friedrich II., genannt „der Große“ oder auch „der alte Fritz“.

Auf dem Rückweg kamen wir an dieser geheimnisvollen Skulptur vorbei – sieht aus wie moderne Kunst. Ist es aber nicht, die Bretterverschalungen schützen figürliche Skulpturen vor dem winterlichen Wetter. Wenn wir sie sehen wollen – es gibt (gefühlt) hunderte von solchen Verschlägen – müssen wir im Sommer nochmal wiederkommen. Mal sehen.

Fortsetzung folgt.

0 Gedanken zu “Fluchtpunkt Berlin (5)

  1. Bezogen auf das letzte Foto: Das ist ja rührend! Ich erinnere mich, diese Badewanne gesehen zu haben – im Winter, völlig verdreckt, voll mit verrottetem Laub. Aber es ist schon recht, dass man sich nun angemessen bemüht, die alten Kunstschätze zu erhalten.

    Eine mir bekannte Künstlerin hat die Hilfskonstruktionen, mit denen man durch Erdbeben beschädigte historische Altstädte in Italien bis zu einer möglichen Restaurierung zu erhalten versucht, in ihren Arbeiten thematisiert. Solche Schutzhäuschen wie das hier, sind auch ein wunderbares Motiv. Vielleicht denkst Du mal über eine Serie nach. Das erinnert an Vogelhäuschen, und der Vergleich ist gar nicht abwegig.

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  2. Vielen Dank für den Link. Vielleicht sollte ich doch ab und zu die Berliner Zeitung lesen und nicht nur die SZ. Bis ins Radio hat es diese Enthausung offenbar nicht geschafft. Nun muss man davon ausgehen, dass bis Montag nicht mehr viel davon zu sehen ist. Schaumermal, wo wir die dann hoffentlich noch anhaltenden Frühlingstemperaturen genießen.

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  3. Hi Videbitis,

    schon sehr prachtvoll und echt bemerkenswert.

    Schöne Fotos hast Du da wieder mitgebracht und sicher viiiiiiiiiiiiel mehr wert als 3€… ;D
    Das es Dich geärgert hat, kann ich sehr gut verstehen.

    LG mosi

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  4. Waaarte. 3.-€ zusätzlich dafür, dass man da fotografieren darf? Gilt das nur für Spiegelreflex-Kameras oder auch für Handys? Heftig. Erinnerst du dich an unser Gespräch neulich wegen des Verbots von Fotografieren an manchen Orten bzw. in manchen Museen? DA geht’s dann weiter. Wenn man es nicht schafft, das Verbot einzuhalten, verlangt man für die Erteilung der Erlaubnis einfach mal Geld. Was machen die dann eigentlich, wenn man die 3.-€ nicht bezahlt hat und trotzdem einfach mal dreisterweise fotografiert? Nehmen die einem die Kamera weg? Zwingen sie die Leute, das Geld dann doch noch abzudrücken? Schade, sowas. 12.-€ Eintritt sind doch nun echt schon genug, finde ich – Preise wie in England…

    Nya, genug aufgeregt, letztendlich haben wir deinem Opfer wundervolle Bilder zu verdanken!

    Ziermobiliar ist mir bereits aus beruflichen Gründen nur allzu gut bekannt, allerdings habe ich als praktisch veranlagter Mensch nie verstehen können, warum man sich Möbel nur zum Angucken in die Bude stellt. Klar, dann sieht ein Raum nicht mehr so kahl aus, das verstehe ich schon, aber dann kann man den Driss doch auch benutzen. Menschen, ich sag’s dir…

    …und da wären wir auch schon wieder bei den familiären Problemen von Friedrich II. Daddy-Issues deluxe… Heutzutage gibt’s Internet- und Handy-Verbot, wenn man nicht spurt, früher wurde der beste Freund hingerichtet. Die Zeiten ändern sich zum Glück…

    Aber Friedrich II. hätte die Erfindung des E-Readers gut gefallen. Bei 5.000 Büchern hätte ICH auch keinen Bock gehabt, alles mit mir rumzuschleppen.

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  5. an den alten fritz erinnere ich mich noch aus der schulzeit, 6. klasse.
    da stand ein ausspruch von ihm im schulbuch.
    in etwa so: man muß seine nase in die dinge stecken, damit sie laufen.
    danke für die schönen fotos.
    als wenn ich selber dort war.

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  6. Oh das Menzelbild weckt gute Erinnerungen. Ich bin knappe 18 Jahre alt und übernachte im Arbeitszimmer meines musikbesessenen Onkels. (Matratze auf dem Boden zwischen Cembalo und Cello.)
    Ich höre endlos dieses Stück, das zu meinen Lieblingen gehört. https://www.youtube.com/watch?v=PyJ4zI7VH2g
    Und finde im Bücherregal das Menzelbild als Postkarte. Dazu ein Blick in die blühenden Bäume im Garten (Berlins Außenbezirk), wunderbar!
    Hab beides irgendwie vergessen…danke für’s Erinnern!

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  7. Auf dem Foto wirkt das Musikzimmer kleiner als auf dem Gemälde von Adolph Menzel. Er hat eine Perspektive gemalt, die du als Fotograf nicht einnehmen konntest, weil dich die hintere Wand vermutlich am Zurückgehen hinderte. Derartige Grenzen kann der Maler einfach ignorieren.

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  8. Danke!

    Geärgert habe ich mich gar nicht über über die Höhe der Gebühr, sondern über die Abzockmentalität, die da mitschwingt. Ich kann nur hoffen, daß sich das nicht durchsetzt.

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  9. Wir waren ja zu zweit und haben gefragt, ob wir uns wenigstens eine Fotografiererlaubnis teilen können – nix da, „was für eine perfide Idee“ (so guckte die), jedes Fotogerät braucht eine eigene Erlaubnis. Man bekam dann einen Papierstreifen, den man sich ums Handgelenk legen mußte, die Fremdenführerin hat sich dann aber nicht im Geringsten darum gekümmert, was ich gut verstehen kann: Da bist du eine engagierte Kunsthistorikerin – und sollst den Leuten hinterherspionieren, ob sie nicht vielleicht ohne Erlaubnis ein Handyfoto machen?

    Echt? Gibt es das immer noch, daß sich jemand Ziermöbel ins Zimmer stellt? Obwohl, wenn ich recht überlege kenne ich das auch aus meiner Jugend: Die Eltern eines Freundes hatten zwei Küchen: Eine im Keller, wo gekocht wurde, und eine oben zum Schönaussehen. Warum die neue Küche abnutzen, wenn es die alte auch noch tut?

    Wenn Du mich fragst: Der Vater kann nicht ganz dicht gewesen sein. Selbst, wenn man veranschlagt, daß damalige Erziehungsmethoden nicht so ganz den heutigen pädagogischen Erkenntnissen entsprechen, aber den eigenen Sohn hinrichten lassen, nur weil der andere Zukunftsvorstellungen hat als man selbst? Also, nee …

    Bei einem E-Reader hätte er auch nicht das Problem mit dem Lesezeichen gehabt: Stell Dir vor, in der einen Residenz liest er den Krimi bis Seite 222, muß dann aber zu dringenden Amtsgeschäften. Am nächsten Tag ist er in der anderen Residenz, voller Spannung greift er zum Buch – aber das Lesezeichen hier ist immer noch auf Seite 114, schöner Mist. Aber vielleicht war es auch so: Fritz sagt seinem Diener: „Sage er dem Lesezeichenboten, daß ich auf Seite 222 angekommen bin.“ Der Bote reitet nun von Residenz zu Residenz und veranlaßt, daß alles auf dem aktuellen Stand ist. So würde ich das jedenfalls machen.

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  10. Das ist mir auch sofort aufgefallen, der Maler hat die Dimensionen etwas geschönt, bei ihm sieht das Zimmer aus wie ein großer Saal oder eine Halle, was es beides nicht ist.
    Oder er hat die Perspektive eines 1,62 Meter großen Mannes eingenommen. 😉

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  11. Du meinst, Menzel hätte sich an Friedrichs Augenhöhe orientiert? Die tiefe Raumillusion entsteht aber auch durch die Schichtung der Personen im Raum. Jedenfalls ist es ein Trugbild.

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  12. Ein Trugbild, stimmt.
    Ich mußte an die Erfahrung denken, die schon viele beschrieben haben: Man betritt als Erwachsener einen Raum, den man als Kind zuletzt gesehen hat, also z.B. ein Klassenzimmer in der Schule, und wundert sich, wie klein er in Wirklichkeit ist.

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  13. 1,40! Das ist wirklich klein. Sein Bild „Die Tafelrunde“ gibt die Proportionen des Raums ungefähr richtig wieder:

    Oben das 5. Foto zeigt leider nur einen kleinen Ausschnitt, aber man erhält eine Ahnung.

    Nun habe ich Deinen Korrektur-Kommentar gelöscht, und damit ist auch gleich Dein Hinweis verschwunden, daß Menzel kein Zeitgenosse Friedrichs war, sondern das Bild erst 100 Jahre später entstand. Vielen Dank dafür, ich habe es gleich verbessert.

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  14. 8| Das wird ja immer besser! Lasst mich bloß nicht in die Nähe von Sans Souci kommen – ich bin die Meisterin, ach, die HOHEPRIESTERIN des heimlichen Fotografierens, das hab ich schon richtig gut drauf, ich würd da alles in Grund und Boden knipsen und dann würde ich die abgestürzte Kunsthistorikerin auslachen. Ist doch ein schlechter Scherz! 🙄 Und dann noch mit Bändchen. *sarkastisch applaudier*

    Es ist nicht mehr so verbreitet, aber tatsächlich treten ab und an noch Kunden mit einem solchen Anliegen an mich heran. Muss nichts Dolles sein, heißt es dann immer, steht nur in der Ecke, dass es nicht leer aussieht. Meistens ist es dann ein Stuhl, der als Ablagefläche in die Küche gestellt wird. Ich selbst hatte mal ein im weitesten Sinne geerbtes Sofa (eine Studenten-WG wurde aufgelöst, und es hieß, Wer’s will, kann’s mitnehmen!), auf dem wir nie gesessen haben. Es war viel mehr ein überdimensionierter Herrendiener.

    Nuja, warum nicht. Irgendeine Lektion wird man damals schon daraus gezogen haben. Und wenn es nur war, dass man besser die Klappe hält und mit dem Strom schwimmt, statt gegen ihn.

    Ich hätte auch gerne einen Lesezeichenboten. Von den Residenzen mal ganz abgesehen.

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