Sommer in Berlin (4)

Ein Schwerbelastungskörper ist der Körper eines Mannes, den man schwer belasten kann, also z.B. ein Gewichtheber, der seine Leisten mit einem breiten Gürtel zusammenhält, worüber ein dicker Bauch das Trikot spannt – könnte man meinen, stimmt aber nicht. Der Schwerbelastungskörper ist – ja, was genau? Ein Gebäude? Darin wohnen kann man jedenfalls nicht.

Wenn man auf den Ausguck klettert, der neben dem Bau steht, sieht er so aus: Ein Klotz aus Beton, 14 Meter hoch, 21 Meter im Durchmesser, 12.600 Tonnen schwer, und – hier lüftet sich das Geheimnis – er ragt noch 18 Meter in die Erde hinein, hier eine Skizze, die ich von einer Schautafel abfotografiert habe:

Die Lösung: Die Nazis hatten in ihrem größenwahnsinnigen Plan, Berlin zu „Germania“ umzubauen, vor, hier einen riesigen Triumphbogen zu errichten, und um zu prüfen, ob der Boden das tragen würde, ließ Hitlers Architekt Albert Speer 1941 den Schwerbelastungskörper bauen. Der Triumpfbogen sollte 117 Meter hoch (drei Viertel des Kölner Doms) und 170 Meter breit werden (zum Vergleich: Der Pariser Arc de Triomphe ist ca. 50 Meter hoch und 44 Meter breit).

Hier kann man die Schneise sehen, die die Nazis durch Berlin ziehen wollten, ungefähr vom heutigen Südstern geradewegs bis zum Reichstagsgebäude, mit einer Straßenbreite von 120 Metern …

… an deren Ende eine riesige runde Halle für 180.000 Leute entstehen sollte. Zum Vergleich: Der Pfeil zeigt auf das Reichstagsgebäude, in dem heute der Bundestag sitzt.

Aber zurück zum Schwerbelastungskörper: Das Denkmal ist umzäunt, aber der Eintritt ist frei. Unten kann man herumgehen und sich alles genau ansehen …

… und einen Blick in den verwitterten Raum werfen, der wahrscheinlich zu den unterirdischen Meßräumen führte.

Ob der Topf hier auch schon seit den 40ern steht, weiß ich nicht.

Nach dem 2. WK überlegt man, den Bau zu sprengen, verwarf es aber wegen der nahen Häuser. Die Nazis hätten ihn auch nicht gesprengt: Sie hatten vor, die ganze Gegend wegen der Prachtstraße zu erhöhen, der – ja immerhin 14 m hohe – Schwerbelastungskörper hätte dann unter der Erde gelegen (kein Scherz) – was für ein Wahnsinn, auf hunderte von Metern links und rechts der neuen Straße hätten die Nazis alles platt gemacht.

0 Gedanken zu “Sommer in Berlin (4)

  1. Zu reinigen? Das wußte ich nicht. Ich hätte eher gedacht, daß es Ewiggestrige gibt, die da hinfahren, um A.H. zu huldigen, das habe ich mal in einem Bericht über Obersalzberg gesehen, wo am Kiosk sogar Devotionalien verkauft wurden, bis die Journalisten darüber berichteten.

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  2. Tagchen der Herr!..;-)

    Findest du nicht auch, dass diese reichsarchitektonischen Pläne/Modelle
    für Berlin im Grunde beachtlich sind? Wäre es denn auch „Bäääh-Pfuiii“,
    wenn die Pläne/Modelle von Gropius stammen würden? (Ich kann dir versichern,
    dass ich keine braunen Gedanken hege.) Es wird halt negativ aufgeladen,
    was historisch als „böse“ betrachtet wird. Unabhängig davon, dass ich die
    Gräueltaten der Nazibande verurteile, nicht relativieren will, sehen aus
    meiner Sicht die Pläne/Modelle nicht nach Pfusch aus. Kein „Bäääh-Pfuiii“.
    Mal angenommen, dir schenkt jemand ein Bild, das dir besonders gut gefällt.
    Es hängt dann jahrelang in deinem Blickfeld. (Weil du es gern betrachtest.)
    Irgendwann trägt dir jemand glaubhaft zu, dass das Bild von einem Massenmörder
    stammt, der das Bild im Gefängnis gemalt hat. Was würdest du tun?
    Das Bild abnehmen oder weiter an der Wand lassen? (Die Frage wirkt
    vielleicht plakativ, hat jedoch schon einen tieferen Sinn.)

    Gruß aus der guten Stube!..;-)

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  3. Von Pfusch habe ich auch nicht geredet. Ich denke an all die Leute, die hier gewohnt haben, deren gewachsene Heimat einer Repräsentationsarchitektur weichen sollte, die der Größe eines Herrschers angemessen sein sollte. Tausende von Berliner Bürger wären davon betroffen gewesen. Und wofür? Damit der GröFaZ seine „Erkenntnisse“ vor 180.000 Leuten gleichzeitig loswerden kann.
    Überhaupt bin ich gegen Monumentalbauten, egal ob von Speer, Gropius, Etienne-Louis Boullee oder den Architekten der Pyramiden.
    Der Vergleich mit dem Mörder-Bild paßt deswegen nicht, da nichts anderes dadurch verändert wird, ob er das Bild malt oder nicht.

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  4. Servus!
    Du überrascht mich jetzt aber!
    (Normalerweise antwortest du generell nur nachmittags
    und NIEMALS abends bzw. am Wochenende. Da kann man sich drauf verlassen. ;-D

    Klar. Bezieht man all die Folgen mit ein, lässt es sich GRÖßENWAHN nennen.
    Mir gings ja nur um die Architektur an sich. (Zweckfrei)
    Was schreckt dich denn an Monumentalbauten? Findest du z.B. den Parthenon in
    Athen nicht ansprechend? Nicht nur Menschen erschaffen Monumente.
    Siehe hier: http://www.tinyurl.com/qy2m4to

    Du beziehst deine Stellungnahme zur „Mörderbild-Frage“ auf die historischen
    Ereignisse (Drittes Reich) Mir gehts/gings lediglich um das „negative Aufladen“.
    Das Dilemma, das dann damit einhergeht. Hätte im Text einen Absatz machen sollen.

    Na dann.. Auf jedenfall hast deinen Trip bisher gut dokumentiert. 😉

    P.S. Könntest du bitte im korrigierten Kommentar noch ein Komma
    einfügen. Merci!

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  5. Kann an dieser Stelle leider meinen Mund nicht halten. Ich denke, man kann diese Architektur nicht aus dem Kontext (der Idee „Germania als Welthauptstadt“) herauslösen. So sehr ich für einen Erhalt des Flughafens Tempelhof bin, der ja als Bestandteil des Ensembles angelegt ist, so froh bin ich, dass der Rest nicht gebaut wurde. Das hat für mich die Symbolkraft des Turmbaus zu Babylon.

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  6. Monumentalbauten bewirken fast immer, daß der Mensch sich klein fühlt, und wenn das Teil der Absicht des Gebäudes und seiner Bauherren ist, dann ist es verwerflich – Protz- und Machtarchitektur, um zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Schlösser, Kirchen, die Finanzzentren des 20. und 21. Jh.
    Darüber hinaus sollten Gebäude immer ein menschliches Maß behalten, optimal sind wahrscheinlich zwei- bis höchstens dreistöckige Gebäude, die einen gehörigen Abstand zueinander haben sollten. Menschen sollten sich keine bedrückende Umwelt schaffen. Leider läßt der Platzmangel in den Städten das überhaupt nicht zu.

    Ich habe Dich schon richtig verstanden mit dem Mörderbild. Das kann schon passieren, daß ein Künstler sein Werk nachträglich diskreditiert, bei mir aber wahrscheinlich eher nicht. Bei Mördern und Bildern ist es deswegen nicht so schlimm, weil Tat und Werk hochstwahrscheinlich nicht in einem Zusammenhang stehen. Bei den Nazis ist beides, Geisteshaltung und geplante Architektur, eng miteinander verwoben.

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  7. Okay. Monumentalbauten sind immer auch mit Symbolik beladen.
    Polarisierend. Der eine sieht die wie von dir erwähnte Machtarchitektur,
    der andere sieht das Erhabene, das Schöne.

    Noch kurz zum „Mörderbild“:
    Du unterstellst „höchswahrscheinlich“. Wissen kannst du tatsächlich
    nicht. (Welche Geisteshaltung dahinter steckt.)

    Übrigens ist der Hochhausbau z.B. in München streng reglementiert.
    (Man nennt es auch deshalb noch „Millionendorf“)

    (Danke für die weitere Korrektur..;-)

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