Lindenstr.

Labude, Labude Â… woher kenne ich diesen Namen? Ah – ich weiß: Labude heißt der beste Freund von Fabian. Er hat sich selbst aufgrund eines bösen Scherzes, den sich jemand mit ihm geleistet hat, umgebracht. Also jetzt nicht wegen des Scherzes, sondern weil er nicht wußte, daß es einer war. Fabian ist die Hauptfigur im gleichnamigen Roman von Erich Kästner aus dem Jahr 1931, seinem Erstling. Die Handlung spielt – in Berlin – genau zu der Zeit, also am Ende der Weimarer Republik und am Vorabend der Machtergreifung durch die Nazis. Jakob Fabian versucht, inmitten der Unübersichtlichkeit der gesellschaftlichen Situation ein moralisch integerer Mensch zu bleiben: Auf der einen Seite die durch die Weltwirtschaftskrise ausgelöste Not vieler Leute, eine hohe Arbeitslosigkeit, gesellschaftliche Verwahrlosung und Hunger, auf der anderen das vergnügungssüchtige Treiben der roaring twenties, und dazwischen die ausufernden Straßenkämpfe zwischen Kommunisten und Nazis. Man kann sich vorstellen, wie das für Fabian ausgeht, besonders, wenn man weiß, wie Kästner den Roman eigentlich nennen wollte: „Der Gang vor die Hunde“. Dem Verlag klang das zu pessimistisch, außerdem wurde ein Kapitel wegen angebliche zu sexueller Freizügigkeit gestrichen. Das hinderte die Nazis zwei Jahre später nicht daran, den Roman als entartet und pornographisch zu bezeichnen und ihn während der Bücherverbrennung auf den Scheiterhaufen zu werfen.
Ein gutes Buch, sehr zu empfehlen. Erst seit diesem Jahr gibt es eine vollständige Ausgabe im Atrium-Verlag unter dem Originaltitel.

0 Gedanken zu “Lindenstr.

  1. Ich bin mit Kästner nie warm geworden. Wenn man das in Deutschland sagt, erntet man nur Kopfschütteln. Der ist ein Muß. Aber ich mag schon nicht wie er aussah. Und dann sein blöder Satz: „Migräne ist ein Kopfschmerz, der keiner ist.“
    Und das was Emil so zustieß hat mich als Kind so beängstigt, daß ich davon nichts mehr hören wollte. Wie können Erwachsene nur so gemein sein und ein Kind beklauen! Und wie es bei mir als Kind so war, war ich auch schon genervt von den Namen: Tischbein und Grundeis, das klang arg doof.
    Dabei ist die unverbrüchliche Kinderzusammenhalterei doch eigentlich ganz nett. Und Pony Hütchen ist ein witziger Name, den ich für einen Laden mit Damenmode sehr viel passender finde, aber den gab es vermutlich schon zig mal.

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  2. Ich fand ihn schon immer großartig: Als Kind verschlang ich die Kinderbücher, als Jugendlicher haben mir die satirischen Aufsätze für die „Weltbühne“ sehr imponiert, seine Gedichte fand ich grandios, und ich kenne keinen anderen Roman als „Fabian“, der so gut und trocken zeigt, daß Entfremdung nicht in erster Linie am Einzelnen liegt, sondern an der Gesellschaft, die ihn umgibt. Ich habe mir gleich die Neuausgabe bestellt und bin gespannt darauf, das Buch zum x-ten Mal neu zu lesen.

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  3. Ach du Schreck! Noch ein Buch, das ich unbedingt lesen möchte. Dabei liegt auf meinem Tisch ein ganzer Stapel von noch ungelesenen „Oblomow-Büchern“. Ich wünschte, ich wäre abends nicht immer so müde.

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  4. Danke für den Tipp! Wär eigentlich eine Idee für meine Mama, allerdings vermutet sie hinter Buchgeschenken von mir leider immer einen Subtext. Kann ich gar nicht verstehen… „Angst“, „Freiheit“, „Der menschliche Makel“ und „Das Buch der Illusionen“ klingen doch völlig neutral 🙂

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  5. „Hunde, wollt ihr ewig leben“ oder „Muttermord“ von Lodemann eignet sich eher nicht für Dich. Wie wäre es mit „Ãœbermorgen Sonnenschein“ – das klingt doch positiv. Den Titelzusatz mußt Du einfach überkleben, sonst wird sie vielleicht doch wieder sauer: „Als mein Baby vertauscht wurde“.

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